Mülheim. .
Mit Wirkung zum 11. Februar 2012 hat die Stadtverwaltung eine Wahlbeamtin weniger. Helga Sander (Grüne) ist dann keine Dezernentin mehr. Ihre Aufgaben – Umwelt, Planen, Bauen – übernimmt Peter Vermeulen (CDU).
Seine bisherigen Bereiche – Schule, Jugend und Kultur – übernimmt der Sport- und Sozialdezernent Ulrich Ernst (SPD). Dies sind die nüchternen Fakten, die am Donnerstag der Rat mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen hat. Der Abstimmung war eine manches Mal die Grenze des Sachlichen deutlich überschreitende Debatte vorausgegangen.
Eine klare Trennung durchzog das Stadtparlament: Auf der einen Seite SPD und CDU, die sich erst gestern Mittag durchaus erwartbar auf die oben beschriebene Neuverteilung verständigt hatten und dies den anderen Fraktionen dann wenige Stunden vor Sitzungsbeginn mitteilten.
Auf der anderen Seite MBI, Grüne, FDP, WIR/Linke aus Mülheim und die fraktionslose Stadtverordnete Gabriele Rosinski (Die Linken): Sie fühlten sich allesamt von Rot-Schwarz überrumpelt.
Von einer „Nacht- und Nebelaktion“, von „Unverschämtheit“ sprach Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert. Lothar Reinhard (MBI-Fraktionschef) fühlte sich „vollkommen überrumpelt und entmündigt“. Als ein „ziemliches Schurkenstück“ bezeichnete Achim Fänger (Fraktionschef WIR(/Linke), dass etwas so weit Gehendes wie die Änderung der Hauptsatzung und der Neuzuschnitt von Dezernaten beschlossen werden solle, ohne ausreichend Zeit gehabt zu haben, sich in den Fraktionen darüber zu besprechen. Für ihn betrieben SPD und CDU eine „abstoßende Postenschieberei“, um ihre eigenen Dezernenten zu behalten. Zur Erinnerung: Dass eine Dezernentenstelle in den kommenden Jahren eingespart werden soll, hat der Rat im vergangenen Jahr beschlossen. In Richtung Vermeulen setzte Fänger noch eins drauf: Er sei zwar froh, dass dieser nicht mehr für Kultur und Schule verantwortlich sei – „Hier hat er versagt“ – , aber hanebüchen findet er es, den CDU-Mann künftig für Planen und Bauen zuständig zu sehen, weil er dort „völlig fachfremd“ sei. Peter Beitz (FDP-Fraktionschef) verteidigte zwar Vermeulen – „Er hat einen guten Job gemacht“ – warf SPD und CDU allerdings vor: „Sie schweigen, weil Sie sich schämen“.
Bis dahin hatten sich die beiden großen Fraktionen jeglicher Äußerung und Begründung enthalten. Nach gut einer Stunde gaben SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering und sein CDU-Kollege Wolfgang Michels schließlich Antwort und Auskunft: „Tun Sie doch hier nicht so, als wäre alles Geheimniskrämerei. Ich habe seit März mit allen Fraktionen gesprochen. Demokratie lebt von Mehrheitsentscheidungen“, so Wiechering. Für ihn waren die Wortbeiträge „ein Trauerspiel“. Und Michels bemerkte in Richtung Beitz, der bei den zurückliegenden Gesprächen mit der SPD für die Liberalen einen Dezernenten plus einen Bürgermeisterposten hatte herausholen wollen: „Sie weinen hier Krokodilstränen. Wir haben niemanden im Ungewissen gelassen und nur konsequent das umgesetzt, was im Haushaltssicherungskonzept beschlossen wurde“.
Und dann war erst mal Pause. Eine gute Stunde lang.
Die Zeit benötigten die Liberalen, um einen Antrag zu formulieren: Stadtdirektor Frank Steinfort (CDU) solle den Bereich Umwelt, Peter Vermeulen (CDU) Planen, Bauen und Kultur und Ulrich Ernst (SPD) Schule und Jugend erhalten. Der Rat lehnte mit 39 zu 19 Stimmen ab.
Überraschend war dann der Ausgang der geheimen Abstimmungen über die zwei Punkte des SPD-CDU-Antrags. Die Aufgabe einer Dezernentenstelle: 45 Ja zu 14 Nein. Die Neuordnung der Dezernate: 32 Ja zu 25 Nein. Warum überraschend? SPD und CDU verfügen gemeinsam über 35 Stimmen. Beim ersten Punkt hatten sie also Zustimmung von außen, beim zweiten gab’s Gegenstimmen aus dem eigenen Lager. Gut möglich, dass es zwei CDU-Abweichler waren, denn das entspräche dem Meinungsbild, das sich in den vergangenen Tagen in der Fraktion abzeichnete.
Große Koalition?
Helga Sander, die in den letzten Wochen ein Wechselbad der Gefühle erlebt haben muss – mal war von einer Stimmenkonstellation für sie die Rede, dann wieder nicht – ersparte es sich übrigens, an der Sitzung teilzunehmen. Nachdem der SPD-CDU-Antrag beschlossen war, zog die Verwaltung den Tagesordnungspunkt „Wiederwahl der Beigeordneten Helga Sander“ folgerichtig zurück.
Bleibt noch die Frage: Erlebten wir hier die Geburt einer Neuauflage der SPD-CDU-Koalition? „Nein“, betonte Christdemokrat Wolfgang Michels gegenüber der NRZ ebenso spontan wie eindeutig.