Mülheim. .

Nach zehn Jahren schließt Medy Kempa ihr Kinderbekleidungsgeschäft „Casa Bambini“ an der Teinerstraße. Und stellt traurig fest: „Die ganze Mülheimer Innenstadt ist tot.“ Und zur Altstadt: „Alle anderen sind schon weg.“

Medy Kempa schaut sich in ihrem Lädchen um – und schluckt die Tränen hinunter. Am 1. Dezember 2011, genau zehn Jahre nach Eröffnung, wird sie ihr Kinderbekleidungsgeschäft an der Teinerstraße räumen. „Es lohnt sich nicht mehr“, sagte sie.

Als Existenzgründerin, enthusiastisch, war sie im Spätherbst 2001 in das Fachwerk-Eckhaus gezogen. Bunte Wimpel weisen den Weg in ihre „Casa Bambini“, mit der sich die gelernte Schneiderin und diplomierte Bekleidungs-Ingenieurin ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllte. Zuvor hatte Medy Kempa Kindermode für die Firma Steilmann entworfen, dann jedoch ihre Festanstellung verloren.

In ihrem angemieteten Ladenlokal, das mit gut 40 qm zierlich geschnitten ist, verkaufte sie fortan überwiegend Second-Hand-Ware von der Neugeborenengröße 50 bis 128, was etwa Siebenjährigen passt. „Casa Bambini“ war und ist aber auch Treffpunkt für Mütter. „Der menschliche Bezug“, sagt Medy Kempa, die selber keinen Nachwuchs hat, „spielt eine ganz große Rolle. Manche Kinder habe ich erlebt, wenn sie gerade aus dem Krankenhaus kamen, bis zum Grundschulalter, wenn sie aus den größten Größen herausgewachsen sind.“

„Hier kommt niemand mehr vorbei“

Medy Kempa nimmt ausrangierte Anoraks, Strampler und Kleider, aber auch Buggys und Bilderbücher in Kommission. Die 50-Jährige akzeptiert, anders als andere Shops, nichts, was schon leicht verwaschen, abgelaufen, fleckig aussieht. In der „Casa Bambini“ spiegelt sich auch der Wohlstand mancher Familien wieder. Hier findet man teilweise ungetragene Schuhe und Kleidung aus zweiter Hand. „Viele, die hier verkaufen, haben nur ein einziges Kind“, sagt Kempa, „und manche bekommen von den Großeltern so viel geschenkt, dass sie gar nicht mehr alles tragen können.“

2001, bevor Medy Kempa in der Altstadt eröffnete, hatte sie ein Seminar für Existenzgründer besucht und den Standort bewusst gewählt. An der Teinerstraße fand sie viele Pluspunkte: eine Kita und zwei Krankenhäuser nahebei, eine ruhige, nette Lage. Allerdings: Zwei andere Kindermodengeschäfte in der Altstadt hatten seinerzeit gerade geschlossen. Vielleicht ein Warnsignal . . .

Gleichwohl: Kempa hatte, wie sie sagt, einen guten Start, erwarb sich bald eine Stammkundschaft, die auch aus Nachbarstädten den Weg zu ihr fand. Aber vor allem in den letzten Jahren lief es immer schlechter, und das lastet sie der Umgebung an. „Die Altstadt, die ganze Mülheimer Innenstadt ist tot. Hier kommt niemand mehr vorbei.“

Nur noch ein Viertel des Umsatzes

Derzeit erzielt Medy Kempa nach eigenen Angaben nur noch ein Viertel des Umsatzes, den sie zu besten Zeiten hatte. Kaum genug, um die Kosten zu decken. Für ihren Lebensunterhalt arbeitet sie, wenn „Casa Bambini“ mittags die Tür schließt, längst anderswo: in einem anderen Second-Hand-Laden und als Schneiderin für ein Sanitätshaus. Ihr Hausherr an der Teinerstraße kam ihr mit der Miete entgegen. Um ihren Laden zu retten, hat Kempa unlängst noch einmal Werbeflyer verteilt „in der ganzen Stadt: bei Kinderärzten, in Kitas, bei Gynäkologen“. Ohne spürbaren Erfolg.

Nun hat sie gekündigt. Am 30. November wird der letzte Verkaufstag sein, dann steht in der Altstadt erneut ein Ladenlokal leer. „Ich bin die letzte, die zumacht“, sagt Medy Kempa. „Alle anderen sind schon weg.“ Aus ihrer Gründerinnengeschichte ist ein Klagelied geworden, wie man es in Mülheim allzu häufig hört. Warum ist das (Geschäfts-)Leben aus der Stadt gewichen ist? „Gute Frage. Das wissen ja selbst die Politiker nicht.“

Nun plant Medy Kempa einen Neubeginn, „denn ich könnte nicht leben mit dem Gedanken, so etwas nie mehr zu machen“. Sie sucht ein Ladenlokal. „Aber nur in Saarn.“