Mülheim. .
Eltern sammeln Unterschriften, weil sie fürchten, dass ihre Kinder Sportmöglichkeiten verlieren. Sportvereine fürchten um ihre Existenz, und jetzt haut auch noch der ranghöchste Fußballverein, der VfB Speldorf, auf den Putz.
Der Verein, der in der NRW-Liga spielt, sieht „deutliche Nachteile“ auf die Mannschaft zukommen, wenn er das Ruhrstadion im Zuge der Neuordnung künftig mit einem weiteren Fußballverein teilen müsste. Der MFC Mülheim Vatangücü ist im Gespräch. Jener Club verliert demnächst seinen Platz an der Von-der-Tann-Straße in Styrum. „Das Gesamtprojekt NRW-Liga geriete dadurch in Gefahr“, sagt VfB-Geschäftsführer Ingo Pickenäcker und ist sauer.
Es rumort mächtig in der Vereinslandschaft, seitdem das „Perspektivkonzept Fußball“ auf dem Tisch liegt. Dabei geht es dort wie bei den Schulen darum, auf den demografischen Wandel, auf die Finanznot der Stadt und auf gravierende Mängel in der Ausstattung von Anlagen zu reagieren.
Verlegung ins Ruhrstadion
Der VfB wurde vom Blötter Weg ins Ruhrstadion verlegt, der Blötter Weg als Immobilienfläche vermarktet. Ähnlich soll es an der Von-Tann-Straße und am Amundsenweg geschehen sowie auf den alten Ascheplätzen in Heißen. Von einem Zusammenrücken im Sport, spricht der Vorsitzende des Sportausschusses, Eckart Capitain, und fordert Solidarität. Es gehe auch nicht ums Wegnehmen, sondern: weniger, aber besser.
Für 13,1 Millionen Euro entsteht in Heißen eine neue Top-Sportanlage, finanziert hauptsächlich aus Geldern der Grundstücksverkäufe. Bisher eine Rechnung auf dem Papier. Die Vereine RSV und TB Heißen würden davon profitieren, andere fürchten, dass ihnen die Mitglieder weglaufen, wenn sie im Vergleich dazu nur noch Asche anbieten.
Spiel nur alle 14 Tage
Ohne Grundstücksverkäufe keine nötigen Modernisierungen, heißt es bei der Stadt. Im Ruhrstadion beginnt bald der zweite Bauabschnitt: Fluchtlichtanlage, eine bessere Tribüne. „Es kann nicht sein, dass wir hier für Millionen ein Stadion modernisieren, in dem dann nur alle 14 Tage ein Spiel stattfindet“, sagt Capitain und plädiert für eine optimale Ausnutzung.
Der VfB Speldorf indes verweist auf feste Zusagen und auf jede Menge Eigenarbeit, die der Verein in das Ruhrstadion bisher investiert hat und entsprechend pfleglich damit umgeht. Außerdem nutzten die Fußballerinnen aus Heißen zu manchen Zeiten das Stadion schon jetzt mit. Mehr gehe nicht, auch wegen der begrenzten Räumlichkeiten im Stadion, so Pickenäcker.
Wechsel nach Dümpten abgelehnt
Noch ist nichts entschieden, Verträge über ausschließliche Nutzungen gebe es nicht, lässt die Stadtverwaltung ausrichten. Aber auch dort weiß man, dass die Unzufriedenheit in der Sportszene groß ist und dass Vereine sich nicht beliebig hin und her schieben lassen wollen. Der MFC lehnt beispielsweise strikt einen Wechsel auf die Anlage in Dümpten ab. „Zu weit weg. Dort ginge unsere Jugendarbeit kaputt“, sagt Geschäftsführer Robin Rüger.
Sozialer Missgriff
Auch politisch ist das Sport-Monopoly umstritten. Die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) sehen in dem Verkauf von Sportplätzen einen sozialen Missgriff. „Man kann nicht darüber klagen, dass unsere Kinder immer dicker werden und ihnen gleichzeitig die Möglichkeiten zum Sporttreiben nehmen“, sagt Fraktionschef Lothar Reinhard. Die MBI halten es aber auch angesichts des städtischen Nothaltes für ein Unding, dass Gewinne aus Grundstücksverkäufen nicht zur Schuldentilgung eingesetzt werden.
Dazu hatten sie den Innenminister des Landes eingeschaltet. Der fühlt sich nicht zuständig und ließ jetzt mitteilen, dass er die Angelegenheit an den Regierungspräsidenten weitergeleitet habe. Der soll jetzt die OB zur Stellungnahme aufgefordert haben. Verzögerungstaktik vermuten die MBI dahinter und wollen sich das nicht bieten lassen. „Da werden wir uns jetzt an die Ministerpräsidentin wenden.“ Die kommt aus Dümpten.