Mülheim.

Mehr an die Kenner als an die Liebhaber der klassischen Musik richtete sich Pianist Peter Serkin mit seinem Mülheimer Konzert im Rahmen des diesjährigen Klavier-Festival Ruhr. Serkin spielte in der Stadthalle Werke von der Renaissance bis zur Gegenwart, wobei Ludwig van Beethovens Diabelli-Variationen das gewichtigste Werk des Abends darstellten.

Eine Motette von Joaquin Desprez, der an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit lebte, auf einem modernen Flügel zu spielen, ist ein mutiger Konzertbeginn. Gleichwohl kann das Instrument den Zauber dieser Chormusik nicht einfangen, selbst wenn ein Meister wie Peter Serkin der Interpret ist.

Dennoch war die archaische Musik von Desprez eine intelligente Hinführung zu den Six épigraphes antiques von Claude Debussy, da der Impressionismus mit alten Kirchentonarten experimentierte. Peter Serkin zeichnete die Kompositionen in weichen Farben und nebulösen Klängen nach.

Ein Hauch Romantik

Trotz seiner langsamen Tempi und einer starken unterschwelligen Spannung kostete er die Musik nie bis ins Letzte aus. In den Andeutungen klanglicher Höhepunkte, die stets umschifft wurden, gelang es Serkin besonders den Ton einer unerfüllten Sehnsucht in Debussys Musik zum Klingen zu bringen.

Auch in der Toccata von Stefan Wolpe steht das Spiel der Töne, ihre rhythmischen und harmonischen Beziehungen und nicht die Erzeugung großer Emotionen mit Hilfe der Musik im Mittelpunkt. Während die Ecksätze mit perkussiver Virtuosität gestaltet wurden, spielte Serkin das Adagio als atonales Lied ohne Worte, im dem ein Hauch Romantik nachhallte.

Dem Zuhörer hinter die Fassade blicken lassen

Zum Beginn von Ludwig van Beethovens 33 Variationen über einen Walzer von Antonio Diabelli schien Peter Serkin logisch an die erste Programmhälfte anzuschließen: Er zeigte sich als nachdenklicher Philosoph am Klavier, der emotionale Höhenflüge vermeidet und den Hörer auch hinter die Fassade der Musik blicken lässt.

Mit der sechsten Variation, die Serkin düster und aufbrausend spielte, öffnete er seine Interpretation aber für die großen emotionalen Momente. In jeder Variation schuf Serkin eine neue Welt, in der auch den kleinen musikalischen Dramen ihr Raum gelassen wurde. In welche kontrastreichen Klangwelten Beethoven in Serkins Interpretation vorstieß, überraschte immer wieder. Das Publikum in der leider nur zur Hälfte besetzten Stadthalle dankte mit herzlichem Beifall.