Mülheim. . Heinrich Weidenheimer verkaufte mehr als fünf Jahre lang die Obdachlosenzeitung “Fifty Fifty“ auf der Schloßstraße. Auch wenn er von vielen freundlichen Begegnungen schwärmt, lohnt sich der Verkauf für ihn heute nicht mehr - Zeit für einen Neuanfang.

Fünf Jahre und ein bisschen länger hat Heinrich Weidenheimer auf der oberen Schloßstraße die Obdachlosenzeitung "Fifty Fifty" verkauft. Und nicht nur das: Er kannte viele Passanten, hatte immer ein freundliches Wort, war manchem sogar Beichtvater.

Die Menschen grüßten Heinrich Weidenheimer beim Vorbeigehen – und oft hielten sie für ein kleines Schwätzchen an. "Ein Tag ohne ein Lächeln ist ein verlorener Tag“, so sein Motto. Mit dem Zylinder, den er bei heißen Tagen durch eine Kappe ersetzte, schuf er sich ein unverwechselbares Markenzeichen. Seine Sprüche und sein Lächeln werden künftig dort fehlen, denn am Ostersamstag hat er seine letzten Zeitungen verkauft. Es wurde Zeit, ein neues Leben anzufangen. Nicht nur, weil ihm das lange Stehen langsam Mühe macht – sechs Tage die Woche, von 9.30 bis 14.30 Uhr.

Im Monat nicht mehr als 100 Zeitungen verkauft

Es lohnt sich einfach nicht mehr. Im Monat wird er nicht mehr als 100 Exemplare los. In guten Zeiten waren es noch 300 Zeitungen. Aber inzwischen hat die Frequenz auf der Schloßstraße deutlich nachgelassen. Daran habe auch der vier Mal in der Woche stattfindende Markt dauerhaft nichts geändert. Die Kaufhofschließung markiert die Zeitenwende. "Die Stadt", sagt er, "hat sich gedreht. Früher war viel mehr Kaufkraft da." Seine Kunden waren meist ältere Leute, die es gewohnt waren, in kleineren Geschäften gut beraten zu werden. "Die kommen nur noch ein Mal im Monat oder noch seltener. Weil es für sie hier einfach kaum noch ein Angebot gibt."

Inzwischen ist er auch schon mehrfach angepöbelt worden. Und auf die 20 Cent Wechselgeld habe früher auch jeder verzichtet. Als er mal einen Jugendlichen zurecht wies, der Papier auf den Boden geworfen habe, sei er verhöhnt worden.

In der Fußgängerzone bei minus 17 Grad

Als Weidenheimer sich 2006 das erste Mal vor die Schloßapotheke stellte, verkaufte er direkt 23 Ausgaben. Zwei Jahre pendelte der gebürtige Iserlohner zwischen Hagen und Mülheim, stand in der Fußgängerzone bei minus 17 Grad genauso wie bei plus 37 Grad. Bei der brüllenden Hitze hatte er sich Schlitze in den Strohhut geschnitten, um nicht umzukippen. Vor zwei Jahren entschloss er sich nach Mülheim zu ziehen und fand eine Wohnung am Hingberg.

Nun also ein weiterer Neuanfang: Kürzlich hat der 61-Jährige seinen Taxischein bestanden – "zwei Leute von acht" – und er hofft, in einem Mülheimer Taxiunternehmen Fuß fassen zu können. Taxi gefahren ist er ja schon vorher – 21 Jahre lang in Iserlohn.

Strahlender Sonnenschein hat Heinrich Weidenheimer den Abschied von der Schloßstraße versüßt. Doch, die Leute werde er vermissen, einige ganz besonders. Sehr viele freundliche, nette Begegnungen habe er gehabt. Nicht von allen hat er sich mehr verabschieden können, sich persönlich bedanken können. Aber er ist ja nicht aus der Welt. Mülheim will er treu bleiben, weil er es längst schätzen gelernt hat.