Kerzen, Blumen und ein Foto mit der Aufschrift „In Gedenken an unseren Local Heroe“ erinnern an Frank. Die Fußgängerbrücke zum Forum ist zu einer kleinen Gedenkstätte geworden.
Dort war er jahrelang zu finden, ein Schälchen fürs Kleingeld vor sich und ein gutes Wort auf den Lippen. Ob jemand etwas gab oder nicht.
Ohne große Not, ohne, dass es noch Hoffnung gibt, stellt niemand eine Kerze auf. Es gibt zwar keine offizielle Bestätigung, doch die Anzeichen verdichten sich, dass der 44-jährige Drogensüchtige seiner schweren Leberentzündung erlegen ist. Frank L. war ein sympathischer, ruhiger und friedlicher Zeitgenosse. „Er war mein Lieblingsobdachloser“, sagt eine Frau, die ihm öfter was zusteckte: „Er war mein Spendengewissen.“
Viele kannten und mochten den Mann mit dem verstrubbelten Barbarossa-Bart, der zusehends körperlich verfiel. Wenn ihm mal jemand fünf Euro zusteckte, dann sagte Frank „au prima, dann mache ich für heute Feierabend“. Für ihn war es ein Job.
Zwar war er heroinsüchtig und straffällig geworden, aber eines war er offensichtlich nicht: „Er war nicht im eigentlichen Sinne wohnungslos, denn er hatte ein festes Dach über dem Kopf“, sagt Diakonie-Geschäftsführer Hartwig Kistner. Was für die ganze sogenannte Obdachlosen-Szene in Mülheim wohl gilt: „Die Allermeisten sind nicht wohnungslos.“ Waren es vor zehn Jahren noch 80 bis 100, die auf der Straße lebten, „hat sich die große Szene aufgelöst, was durch den Betreuungszusammenhang erreicht wurde“. Ein Netzwerk vom Diakonietreff mit Teestube und Tagespflege, Hygiene-Station und ambulanter Krankenversorgung über eine Fachberatungsstelle bis zu Notschlafstellen, Übergangswohnheim und betreuten Wohnen in eigener Wohnung bietet die Diakonie in verschiedenen Einrichtungen in der Stadt an. „Ein komplexes Netzwerk, wo wir mit Wohnraum tagesaktuell versorgen können“, betont Kister. Drei Streetworker seien auf den Straßen unterwegs „und sprechen die Menschen gezielt an“. Auch Frank L. kam gelegentlich bei der Diakonie vorbei. Aber er war einer, der sich – gekoppelt an die Sucht – keinen Regeln unterwerfen wollte, denn auf der Straße gibt’s keine Regeln. „Bei vielen, die auf der Straße gelebt haben, ändern sich die Verhaltensmuster nicht“, weiß Kister.
Davon kann Heinrich Weidenheimer ein Lied singen. Einst Alkoholiker und spielsüchtig wurde der gelernte Heizungsbauer obdachlos. Als junger Mann sollte er Zeitsoldat werden, später den Meister im Rohrleistungsbau machen. Mehrere Jobs hat er geschmissen. „Ich wollte frei sein.“ Wie trügerisch Unfreiheit namens Sucht sein kann, hat der heute 61-Jährige bitter erfahren müssen. „Aber Gott sei Dank habe ich es gepackt, aus diesem Teufelskreis herauszukommen.“
Heute hat er eine eigene Wohnung und verkauft die Obdachlosen-Zeitung auf dem Kurt-Schumacher-Platz. Selbst bei klirrender Kälte kann er verstehen, „dass die Leute unter der Brücke schlafen“. Und es mangele in Mülheim keineswegs an Notunterkünften und anderen Hilfsangeboten. Das Problem sei der Alkohol. „Das ist eine Erkrankung, die kann man von jetzt auf gleich nicht abstellen.“ In Notunterkünfte, „kommt man alkoholisiert erst gar nicht rein“, sagt Weidenheimer. Tiere seien auch nicht erlaubt. „Für die armen Socken, für die sich niemand interessiert, sind Hunde pure Wärme“. Und das zu jeder Jahreszeit.