Mülheim. Nach den Untersuchungen im Auftrag einer Bausparkasse zum Zustand der Wohnungen und Häuser im Revier steht Mülheim vergleichsweise gut da. Trotzdem erhebt MWB-Chef Esser Zweifel an der Integrität der Studie eines interessengeleiteten Unternehmens.
Eine im Auftrag der Bausparkasse Schwäbisch Hall erstellte Studie kommt zum Ergebnis, dass im Ruhrgebiet ein hoher Sanierungsstau bei Ein- und Mehrfamilienhäusern angelaufen ist. Um Mülheim ist es im Ruhrgebietsvergleich wenig überraschend nicht derart schlecht bestellt. Allerdings sieht die Studie auch in Teilen von Mülheim Sanierungsbedarfe bei Eigenheimen von bis zu 14,26 % und bei Mehrfamilienhäusern von 11,38 %.
Die Studie des sozialwissenschaftlichen Instituts „empirica“ weist diese Mülheimer Höchstwerte jeweils für den Postleitzahlenbereich 45468 aus – der umfasst im Kern die Innenstadt und Eppinghofen. Die geringste Baufälligkeit attestieren die Macher der Studie bei Eigenheimen in Dümpten (6,81%) und bei Mehrfamilienhäusern in Broich und Saarn (1,46 %). Insgesamt sei fast jedes zehnte Eigenheim baufällig (9,27 %), von den Geschosswohnungen sei nahezu jede 20. sanierungsbedürftig (4,6 %). Damit liegt Mülheim selbst im Bundesschnitt nicht schlecht (Eigenheime: 8,6 %; Geschosswohnungen: 3,6 %). In anderen Revierstädten stellt sich die Situation teilweise dramatischer dar (siehe Bericht im überregionalen Teil).
Kritik in Mülheim
In Mülheim stößt die Studie auf Kritik. Sowohl der städtische Gutachterausschuss für Grundstückswerte als auch Wohnungswirtschaft und „Haus & Grund“ kritisieren, dass eine von einem Baufinanzierer in Auftrag gegebene Studie wohl schon per se interessengeleitet sei. Darüber hinaus wird die Erfassungsmethode kritisiert. „Empirica“ hatte für die Studie Immobilienanzeigen als Datenbasis herangezogen. MWB-Chef Frank Esser dazu: „Ob das wissenschaftlich solide ist, möchte ich vorsichtig bezweifeln.“ Die Ermittlung des Sanierungsbedarfes sei ein aufwendiges Geschäft. So habe die MWB dafür Anfang des Jahres eigens ein Programm eingeführt. Mit Architekten begehe man nun nach und nach den kompletten eigenen Gebäudebestand (4700 Wohnungen), Ergebnisse seien erst nächstes Jahr zu erwarten.
Esser sieht die MWB mit einem gut bis sehr gut gepflegten Wohnungsbestand gesegnet – „auch wenn man an manch einer Stelle noch zurecht sagen könnte: Na ja!“ 5 Mio Euro fließen jährlich in die Instandhaltung, 2011 zusätzlich 2,5 Mio Euro in die Modernisierung. Überhaupt sieht er für Mülheim in Sachen Sanierungsbedarf „keine Notsituation“. Die Empfehlung aus der Studie an die Ruhrgebietsstädte, dem Sanierungsbedarf durch kleinteiliges Quartiersmanagement zu begegnen, werde in Mülheim längst durch eine gute Zusammenarbeit von Wohnungswirtschaft und Verwaltung gelebt. Das zeige der gemeinsame Auftrag für ein Entwicklungskonzept für den Wohnstandort, das am Jahresende vorliegen soll. Große Wohnungsunternehmen wie MWB und SWB könnten beim Stadtumbau vorausgehen, so Esser. Wenn diese aktiv seien, strahle dies auch aufs Umfeld aus. Für MWB bleibe auch der Abriss alter Wohnbestände Thema.
Hohe Anforderungen aus der Energieeinsparungsverordnung
„Wir kämpfen um jeden Mieter“, stellt SWB-Geschäftsführer Robert Kunz fest. Das liege aber nicht an den Qualitäten und Dienstleistungen, die man für Mieter vorhalte. 133 Mio Euro habe die SWB zwischen 2002 und 2009 in ihre 8700 Wohnungen investiert. Ein großes Problem für die Sanierung im Bestand seien für die Wohnungswirtschaft allerdings die hohen Anforderungen aus der Energieeinsparverordnung. Das mache, weil das Geld schließlich knapp sei, eine Konzentration notwendig. Die Mittel reichten nicht, um den Bestand in der Breite zu modernisieren.
Ein Dilemma: Als Vermieter könne man nur in hohe Effizienzstandards investieren, wenn Mieter auch bereit seien, über die Miete die Refinanzierung der Investition sicherzustellen. Daran mangele es, weil Mieter damit mitunter finanziell überfordert seien.
Aussage der Studie zweifelhaft
Für Kunz ist eine weitere Aussage der Studie zweifelhaft. Nicht fehlende Qualität im Wohnungs- und Eigenheimbestand sei Grund für das Schrumpfen Mülheims, sondern die demografische Entwicklung. Schließlich verzeichne die Stadt Wanderungsgewinne. Für den Gutachterausschuss für Grundstückswerte stellt dessen Geschäftsführerin Dorothea Mostert derweil fest, dass zunehmend sanierungsbedürftige Eigenheime aus den 50er- und 60er-Jahren zum Verkauf stehen.