Mülheim. . Mieter können Wohnform und Nachbarschaft oft nicht frei wählen. In Mülheim-Saarn werden Interessenten deshalb an vielen Aspekten der Gestaltung einer Neubau-Siedlung beteiligt. Die Pläne sind schon ziemlich konkret.

Wie man (später) leben will, heißt immer auch, wie man wohnen will. Singles, Familien und Senioren haben da durchaus unterschiedliche Vorstellungen, die auch vom Geldbeutel abhängig sind. Unbezahlbar ist hingegen eine gute Nachbarschaft – eine nette Gemeinschaft muss erst wachsen. Mit ihrem neuen, generationenübergreifenden Wohnprojekt in Saarn wagt die Mülheimer Wohnungsbau (MWB) ein Experiment, das, wenn es funktioniert, über die Stadtgrenzen hinaus Schule machen könnte, und das Singles, Familien und Senioren zusammenbringen will.

Mitgestaltung bis hin zum Grundriss

Die Pläne sind schon ziemlich konkret: Auf zwei insgesamt 8500 qm großen Baufeldern an der Brüsseler Allee in Saarn sollen bis Ende 2013 rund 70 bis 80 Wohnungen in einer Größe von 50 bis 110 qm entstanden sein. Und zwar, und das ist das Besondere, unter aktiver Beteiligung der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner am gesamten Planungsprozess. Neben der Möglichkeit, den Grundriss der eigenen Mietwohnung mitgestalten zu können – ob alten- oder familiengerecht – soll es Gemeinschaftsräume und Gartenflächen geben, die zusammen nach Absprache genutzt werden.

Zwei drei- bis viergeschossige, U-förmige Baukörper sollen über anheimelnde Laubengänge und Treppenhaus-Türme alle Gebäudekomplexe komplett barrierefrei miteinander verbinden. Und auch zum Verweilen einladen, Platz für einen Plausch bieten.

Am übernächsten Samstag findet die Auftaktveranstaltung für alle Interessierten statt, denen es auch auf eine gute Nachbarschaft ankommt.

Der Verein „Mülheimer Nachbarschaft“ wird die künftigen Bewohner des MWB-Projektes im Vorfeld und danach unterstützen. Geplant ist etwa, dass die Bewohner ein Mitspracherecht bei der Belegung der Wohnungen bekommen. In der Planungsphase wird Monika Schneider als externe Moderatorin den Prozess zwischen MWB, möglichen Mietern und dem Nachbarschaftsverein begleiten.

Ein Genossenschaftsbeitrag wird nicht sofort fällig sein, betont der MWB-Vorstandsvorsitzende Frank Esser, sondern erst, wenn die Planungen konkreter geworden sind: „Da ist dann auch eine bestimmte Verbindlichkeit gegeben. Beide Seiten verpflichten sich zunehmend.“

Mieter bestimmen ersten Planungsschritt

In kleineren Gruppen, in Workshops, werden die zukünftigen Mieter besprechen, wie sie wohnen wollen, beschreibt Architektin Martina Kirfel den Zeitplan, der dann gegen Jahresende in eine konkrete Architekturplanung münden soll. Zu den Mietkosten pro Quadratmeter gab es noch keine konkreten Angaben. Frank Esser verwies auf den ortsüblichen Mietzins für einen Neubau Saarn und dass es einen Mix aus frei und öffentlich finanziertem Wohnraum geben werde.

Eine nachbarschaftliche, generationenübergreifende Wohnform unter Planungsbeteiligung der Mieter – nicht nur der MWB rechnet mit einer Nachfrage. Auch die Stadtverwaltung weiß von Anfragen aus Bürgergesprächen in den Stadtteilen. Beteiligungsorientierte Bauvorhaben, so Sozialdezernent Ulrich Ernst, seien ein Feld, „das für Mülheim noch nicht erschlossen ist.“ Ein Experiment also, im besten Sinne: „Ich bin“, sagt Frank Esser, „gespannt, was kommt.“