Mülheim. . Die Selbsthilfegruppe “Spielergruppe Mülheim“ warnt: Im Stadtgebiet seien schon mehr als 800 Geldspielautomaten aufgestellt. Die Stadt würde mehr auf ihre Gewinne achten, als auf den Schutz der Spieler.

In die Diskussion um den immensen Zuwachs an Spielhallen in der Stadt schaltet sich nun die „Spielergruppe Mülheim“ ein. Der Gründer der Selbsthilfegruppe gibt sich alarmiert darüber, dass im Stadtgebiet – mit steigender Tendenz – schon mehr als 800 Geldspielautomaten aufgestellt sind. Die Stadt schiele zu sehr auf die Steuereinnahmen, als dass ein notwendiger Schutz von Spielern im Mittelpunkt stehe.

„Wir reden hier über ein Riesenproblem“, sagt Karsten Peters (Nachname geändert). Er selbst hat über 20 Jahre seines Lebens ein Vermögen im Wert „mehrerer Eigentumswohnungen“ an Automaten verzockt. Und er hat nach dem WAZ-Bericht jüngst über den Spielhallen-Boom nachgerechnet: 1,7 Millionen Euro nimmt die Stadt durch Spieler allein über die Vergnügungssteuer ein. Bei einem Steuersatz von 15 % auf den Automaten-Umsatz bedeute dies eine Summe von 11,3 Mio Euro, die in den derzeit 51 Hallen in Mülheim verspielt werde. Bei schätzungsweise rund 1000 Spielern in der Stadt – die Zahl ist abgeleitet aus einer Studie der Uni Bremen – seien dies 11.300 Euro Verlust pro Person und Jahr.

Mehr Schutz für Spieler gefordert

Peters fordert mehr Schutz für Spieler, muss sich allerdings bewusst sein, dass allein die Stadt hierzu nicht die Handhabe hat. Der Bund entfachte erst vor fünf Jahren wieder mit der Novellierung der Spielverordnung fatale Wirkungen. So hat er es mit der Reduzierung der Spiellaufzeit von zwölf auf fünf Sekunden möglich gemacht, dass an einem Automaten mehr Umsatz/Verlust gemacht werden kann.

Auch der maximal erlaubte Stundenverlust pro Automat wurde hochgesetzt: von 60 auf 80 Euro. Die entsprechende Studie zur Suchtprävention der Uni Bremen listet weitere Fehlentwicklungen auf. Fazit der Wissenschaftler: „Die Novellierung der Spielverordnung hat das Suchtpotenzial des gewerblichen Automatenspiels erhöht.“ Peters sagt es so: „Die Geräte werden immer schneller, schlucken immer mehr Geld, und Spielhallen werden immer größer.“

Spielsucht sei ruinös, bringe ganze Familien an den Abgrund, versteht er die lasche Prävention nicht. Kritik äußert er dabei auch an der Stadt Mülheim: „Ich bin in 25 Jahren aktiver Spielerei nie kontrolliert worden.“ Das Ordnungsamt könne etwa den Jugendschutz kontrollieren. „Die jüngsten Mitglieder unserer Spielergruppe sind Anfang 20 und spielen schon seit Jahren“, sagt Peters. Das Ordnungsamt solle doch nur mal tagsüber in die Spielhallen gehen, da werde es sicher Verstöße ahnden.

Kontrollen "in der Regel zweimal im Jahr"

Jörg Eickhoff, Sachbearbeiter im Bereich Gewerberecht der Stadtverwaltung, spricht davon, dass Spielhallen „in der Regel zweimal im Jahr“ kontrolliert würden; zusätzlich dann, wenn es Beschwerden gebe. „In den letzten drei Jahren haben wir zwei Verstöße gegen den Jugendschutz festgestellt.“ Im Ordnungswidrigkeitsverfahren drohe je nach Schwere der Verstöße ein Bußgeld zwischen 250 bis 50 000 Euro.

Und dann war da noch Bezirksbürgermeister Arnold Fessen (CDU), der jüngst in der WAZ eine politische Initiative ankündigte, die Casinos an den Stadtrand, etwa an den Hafen, zu drängen. Fessen schlug vor, Betreiber in die Peripherie zu locken, indem man dort den 24-Stunden-Betrieb erlaube. Zurzeit gilt eine Sperrzeit von 1 bis 6 Uhr.

„Das“, so Peters, „mag ja lieb gedacht sein. Doch es sollte nicht um Verlagerung, sondern um Beschränkung gehen.“ Letztlich würde die Abschaffung der Sperrzeit nur bedeuten, dass mehr Geld verzockt würde. Ketzerisch fügt er an: „Aber es steigen die Einnahmen aus Vergnügungs-, Umsatz- und Gewerbesteuer . . . Damit könnte man zumindest mal die Suchtberatung besser ausstatten.“