Mülheim. Fünf der evangelischen Gotteshäuser in Mülheim beteiligen sich an der Aktion „Offenen Kirche“, und auch die katholische Kirche setzt auf unverschlossene Türen. Dafür, dass Besucher regelmäßig Zugang zu den Kirchen haben, sorgen ehrenamtliche Helfer.
Vor Schichtbeginn zündet Helmut Nestler meistens eine Kerze an. Dann nimmt er sich ein Buch oder eine Zeitung, schiebt den Reißverschluss der Winterjacke hoch und setzt sich in eine der Holzbänke in der Petrikirche. Dort bezieht der 63-Jährige einmal in der Woche Posten.
Denn dann sind die Türen der Kirche für Besucher geöffnet. Fünf der evangelischen Gotteshäuser in Mülheim beteiligen sich an der „Offenen Kirche“, bei der sie Besuchern an festen Terminen in der Woche als Orte der Einkehr dienen. Zu stemmen sind die Offenen Kirchen nur mit Hilfe ehrenamtlich arbeitender Gemeindeglieder.
„Die Kirche lebt von den Gemeindegliedern.“
Früher hat Helmut Nestler als Polizeibeamter über sein Revier gewacht, heute wacht er über seine Kirche – dazu fühlt er sich verpflichtet. „Wir sind eine sehr aktive Gemeinde, in der ich mich sehr wohl fühle“, sagt er. Und weiß: „Die Kirche lebt von den Gemeindegliedern.“ Seit Juni 2009 trägt die Petrikirche das offizielle Siegel „Offene Kirche". Um dieses zu bekommen, müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden: „Die Kirche muss mindestens fünfmal in der Woche für vier Stunden geöffnet haben“, erklärt Pfarrerin Karla Unterhansberg. „Ein Team aus zehn bis zwölf Leuten kümmert sich um die Aufsicht: Sie sind Ansprechpartner für Besucher.“
Die Kirche an der Oberheidstraße in Dümpten trägt das offizielle Siegel zwar nicht, öffnet ihre Türen aber dennoch zweimal in der Woche. Ute Johannsen schiebt hier jede Woche Dienst, zusammen mit fünf weiteren Helferinnen. „90 Prozent der Besucher nutzten die Kirche als Ort der Ruhe, um kurz die Stille zu genießen, eine Kerze anzuzünden und zu beten.“ Manche suchen aber auch das Gespräch. „Dann kommt es vor, dass Menschen von ihren Problemen und Sorgen erzählen, mir ihr Herz ausschütten.“ Auch dafür sei sie da: Nicht nur als Aufsicht, sondern als Seelsorgerin. Aus den Ehrenamtlichen werden oft Experten ihrer Kirchen.
Schlechte Erfahrungen mit Beschädigungen in unbeaufsichtigten Kirchen
So versteht auch Helmut Nestler sein Ehrenamt. „Oft haben Besucher Fragen zur Historie der Kirche.“ Im Schnitt seien es bis zu zehn Besucher pro Schicht. „Mal sind es mehr, mal weniger.“ Viele kommen aber auch, um ihre Wünsche und Sorgen in das Fürbitten-Buch einzutragen, das in der Petrikirche ausliegt. Ohne Aufpasser würden die Kirchen nur ungern öffnen. „Wir haben bereits schlechte Erfahrungen mit Beschädigungen gemacht“, erklärt Pfarrerin Unterhansberg. Um die offene Kirche aufzuhalten, können die Gemeinden jede Unterstützung gebrauchen. Ute Johannsen und Helmut Nestler machen es vor. Und sehen ihren Dienst in der Kirche auch als eigene Chance, einzukehren. „Ich nehme mir meist mein Tagebuch mit und genieße die Stille“, verrät Ute Johannsen.
„Eine geschlossene Kirche, ist eine tote Kirche.“
Auch die katholische Kirche setzt auf unverschlossene Türen. Jeden Tag haben die Kirchen in der Pfarrei St. Mariae Geburt durchgehend ab 8 Uhr morgens geöffnet. „Dieses Angebot wird gut angenommen“, sagt Pfarrer und Stadtdechant Michael Janßen. „Viele der Besucher kommen aus den umliegenden Krankenhäusern zu uns, um zu trauern oder Gott zu danken.“ Machbar sei das, weil ein Team aus 20 Ehrenamtlichen und 30 Küstern in der Pfarrei engagiert seien und die Dienste in den Kirchen übernehmen. Ohne die freiwilligen Helfer wäre das nicht zu schaffen. Doch Janßen plädiert: „Kirchen müssen offen sein, auch auf die Gefahr hin, dass etwas beschädigt wird.“ Denn: „Eine geschlossene Kirche, ist eine tote Kirche.“