Mülheim. .

Die Ärztekammer Mülheim spricht sich gegen die genauere Codierung von Diagnosen aus. Ab 1. Juli ist das für alle ambulant tätigen Ärzte Pflicht, die Daten werden an die Krankenkassen weitergeleitet. Dadurch bliebe weniger Zeit für Behandlungen.

Alle ambulant tätigen Ärzte werden ab 1. Juli gezwungen, die Diagnosen der Patienten genauer zu verschlüsseln, und die Codes an die Kassenärztlichen Vereinigungen und von dort an die Krankenkassen weiterzuleiten. Kein Problem? Schon heute laufen viele niedergelassene Ärzte Sturm gegen diese Neuerung, die letztlich die Bürokratie in den Arztpraxen weiter aufbläht – „mal wieder auf Kosten der Patienten“, ärgert sich der Vorsitzende der Ärztekammer Mülheim, Uwe Brock. Der Diabetes II Typ B etwa würde den Code E11-10 erhalten. Hat der Patient aber einen Diabetes bereits mit Veränderungen in den Augen, ändert sich die Codiernummer, ebenfalls, wenn noch Nierenprobleme dazu kommen sollten.

„Es gibt Patienten mit über 20 verschiedenen Diagnosen“, sagt Brock. Die muss der Arzt in jedem Quartal codieren, allerdings dabei unterscheiden, ob es sich in dem Quartal um relevante oder gerade mal nicht relevante Diagnosen gehandelt hat. Eine hausärztliche Praxis mit rund 1000 Patienten kann da auf 70.000 Codierungen kommen.

Die Codierung muss der Arzt vornehmen

Brock hat bereits ausgerechnet: Im Schnitt seien pro Codierung, die übrigens vom Arzt und nicht vom Mitarbeiterstab in der Praxis ausgefüllt werden muss, etwa drei Minuten zu veranschlagen. Das macht unterm Strich einen zusätzlichen Zeitaufwand pro Quartal von ein bis zwei Wochen aus. „Wer gut behandelt, dem fehlt die Zeit zur Codierung und umgekehrt“, beklagt Brock.

Dabei, und jetzt wird es für die Mediziner ganz kritisch, bedeutet eine gute und sorgfältige Codierung eines Tages vielleicht mehr Geld für den Arzt – ohne dass die Qualität der Therapie besser oder erfolgreicher geworden ist. Denn mit Hilfe der Codierung errechnen die Kassen, in welcher Region die Patienten mit den meisten und schwerwiegendsten Erkrankungen leben. Danach wird das Geld aus dem Risikostrukturausgleich verteilt. In Krankenhäusern, so Brock, gebe es inzwischen Ärzte, die nichts anderes mehr machten als zu codieren.

Die Ärztekammer Mülheim unterstützt eine Petition an den deutschen Bundestag mit dem Ziel, dass die Zeit für Behandlung bleibt. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, sieht jedoch in dem Fall nicht die Politik als Ansprechpartner. „Ich kann die Ärzte verstehen. Sie sollten, wenn das alles zu kompliziert ist, den Unmut in ihren Standesvertretungen vorbringen.“ Denn die Codierung sei ein Instrument der ärztlichen Selbstverwaltung.