Zwang zum Verzicht auf Urlaubsgeld und Kündigung widerspenstiger Mitarbeiter: Der Katholikenrat nennt Umgang mit Mitarbeiterinnen eines Mülheimer Supermarkts "menschenverachtend". Auch andernorts gebe es eine Entwicklung "zu Lasten der Arbeitnehmer".
Der Katholikenrat will künftig mehr den Zeigefinger erheben, ja sogar mit dem Zeigefinger auf Arbeitgeber zeigen, die seiner Ansicht nach die Personalrechte mit Füßen treten. Aktuell ist der Zeigefinger auf einen Lebensmittel-Händler in Styrum gerichtet. Der Katholikenrat beklagt „menschenverachtenden“ Umgang mit Mitarbeiterinnen.
„Menschenverachtend“ – starker Tobak, den der Vorsitzende des Katholikenrates, Wolfgang Feldmann, vorbringt. Er beschreibt damit seine Sicht auf die Geschehnisse im Rewe-Markt John an der Heidestraße. Dort hatte Verdi bereits im September Alarm geschlagen. Der Einzelhändler habe seine Mitarbeiter nicht nur zum Verzicht auf tariflich zugesichertes Urlaubsgeld gedrängt, sondern Widerspenstigen gar die Kündigung geschrieben – aus vermeintlich, aber nicht nachweisbaren betrieblichen Gründen und ohne ordnungsgemäße Sozialauswahl.
Verdi präsentierte seinerzeit zudem ein Gesprächsprotokoll einer Mitarbeiterin aus einer Personalbesprechung Ende Mai. Sie hatte notiert, dass ihr Arbeitgeber die Beschäftigten für deren Urlaubsgeld-Verzicht massiv unter Druck gesetzt habe. „Wenn es sein muss“, soll John gesagt haben, „gehe ich über Leichen“.
Wurden für die drei gekündigten Mitarbeiter Aushilfen eingestellt?
Auch wenn der Marktbetreiber dies bestritten hat, steht vor allem diese Wortwahl als Beispiel für den Umgang mit den Beschäftigten im Fokus der Kritik des Katholikenrates. Der Sachausschuss „Beruf und Arbeitswelt“ hält die Anschuldigungen für glaubhaft. „Das ist heftig und nicht zu akzeptieren“, so Feldmann. Der Ausschuss erhebt gar den weitergehenden Vorwurf, für die drei gekündigten langjährigen Beschäftigten seien billige Aushilfskräfte eingestellt worden.
Der Ausschuss hat John angeschrieben (keine Antwort), auch die zuständige Rewe-Zentrale in Dortmund sowie Ex-Außenminister Joschka Fischer, der als Berater für Umwelt- und Sozialfragen bei Rewe engagiert ist (ebenfalls: keine Antwort).
Die Antwort aus Dortmund „hat uns nicht zufriedengestellt“, sagt Ausschussvorsitzender Hermann Meßmann. Rewe Dortmund hatte darauf verwiesen, dass der Rewe-Markt in seiner Führung nicht unter dem Dach des Konzerns sei, sondern selbstständig vom Styrumer Kaufmann geleitet werde. Man könne aber betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten bestätigen: Der Rewe-Markt habe in den letzten zwei Jahren Miese ausgewiesen und werde dies wohl auch für 2010 tun müssen.
Rewe Dortmund: Urlaubsgeld-Verzicht bei Sanierung nicht ungewöhnlich
Rewe Dortmund habe selbst erheblich in den Umbau des Marktes investiert, um John eine bessere Ausgangslage im hart umkämpften Markt zu schaffen. Für John selbst sei es unumgänglich gewesen, Personal abzubauen. „Ob Herr John hierbei immer das notwendige Fingerspitzengefühl hat walten lassen und die richtigen Worte gefunden hat, wissen wir nicht.“ Der Urlaubsgeld-Verzicht sei bei einer Sanierung nicht ungewöhnlich, siehe Karstadt und Tengelmann-Gruppe.
Der Katholikenrat geht hingegen sehr wohl davon aus, dass der Casus John den Rewe-Konzern intensiver beschäftigen sollte. Schließlich firmiere der Markt unter dem Konzernlogo – und sei rufbildend.
„Wenn Menschen in Bedrängnis geraten, stehen wir an ihrer Seite“, begründet Feldmann, warum der Katholikenrat künftig verstärkt für Arbeitnehmerrechte eintreten will. „Die katholische Kirche wird an die Öffentlichkeit gehen, es anprangern und auch Namen nennen. Es gibt sehr viele Anhaltspunkte, dass sich im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer was zu Lasten der Arbeitnehmer tut“, etwa im Bereich der Leiharbeit. Zuletzt hatte der Katholikenrat vor Jahren gegen Lohndumping beim Real am Heifeskamp die Stimme erhoben, jüngst für die Zukunftsschule im „vernachlässigten“ Eppinghofen.
Übrigens: Am Mittwoch wird eine letzte Kündigungsschutzklage einer Rewe-Mitarbeiterin am Arbeitsgericht Oberhausen verhandelt.
Wegweisend für die Rechtssprechung in diesen Fällen ist das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichtes von 1984. In dem „Bienenstich-Urteil” wurde einem Arbeitgeber recht gegeben, der die Angestellte einer Bäckerei gekündigt hatte, weil sie unerlaubt Kuchen verzehrt hatte.
Zwar erfülle die Mitnahme des Kinderbettes den Tatbestand des Diebstahls. Aber in der Entsorgungsfirma sei es Praxis gewesen, dass Mitarbeiter für den Müll bestimmte Gegenstände hätten mitnehmen dürfen, sofern sie um Erlaubnis gefragt haben.
Im vergangenen Februar wurde der 59 Jahre alten Küchenhilfe eines Krankenhauses in Künzelsau wegen dreier Brötchen gekündigt.
Eine Vorgesetzte hatte im Spind der Frau die Backwaren gefunden. Die Küchenhilfe wurde entlassen, weil laut Klinik das Vertrauensverhältnis zerstört war. Zwar nahm die Klinik den Diebstahl-Vorwurf zurück, da die Frau die Anschuldigungen bestritt. Ihren Job verlor sie dennoch.
Im März wurden zwei Mitarbeiter einer Bäckerei in Bergkamen fristlos entlassen. Sie sollen Brotaufstrich gestohlen haben. Der Fall kam vor das Landesarbeitsgericht. Die Richter entschieden, die Kündigung sei unverhältnismäßig gewesen und müsse aufgehoben werden.
Im Februar wurde die Verkäuferin einer Bäckerei in Friedrichshafen am Bodensee fristlos entlassen, weil ihre Kasse einen Fehlbetrag von 1,36 Euro aufwies. Das Arbeitsgericht Ravensburg legte einen Vergleichsvorschlag vor. Daraufhin erhielt die Frau eine ordentliche Kündigung.
Ein gekündigter Krankenhauspfleger schloss mit seinem Arbeitgeber, einer Dienstleistungsfirma am Klinikum Güstrow, einem Vergleich vor dem Rostocker Arbeitsgericht. Der Mann soll viermal Joghurt ...
... und Milchreis im Gesamtwert von etwa zwei Euro in der Kantine des Klinikums gestohlen haben. Dafür war ihm im November fristlos gekündigt worden, wogegen er Klage einreichte.
...auch für den Arbeitgeber den Vertrauensbruch umso schwerwiegender, befand am 16 Oktober 2007 das Landesarbeitsgericht Nürnberg. Es verwies zudem auf die "Nachahmungsgefahr durch andere Arbeitnehmer".
Einer Küchenhilfe wurde wegen drei mitgenommener Fischbrötchen gekündigt. Dass die Brote wegen überschrittenen Haltbarkeitsdatums ohnehin im Müll gelandet wären, half ihr nichts: Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main erklärte am 6. August 2008 ihre Kündigung für rechtmäßig.
Trotzdem kündigte der Arbeitgeber, das Arbeitgericht Radolfzell gab ihm recht. In zweiter Instanz äußerte das Landesarbeitsgericht Freiburg Zweifel. Ohne Urteil war danach der Arbeitgeber bereit, eine Abfindung von 42.500 Euro zu zahlen.
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