Duisburg. .

In der Altenpflege zu arbeiten, kann hart sein - aber auch viel geben. Ein Besuch im Altenheim St. Josef in Hamborn.

„Lustig ist das Zigeunerleben“, schmettert Frau K. mit Inbrunst, einige Damen am Tisch stimmen mit ein, während Bianca Schrod und Monika Wolter ihnen das Zigeunerschnitzel kleinschneiden. „Ich hab heute Spaß zu machen“, erzählt Frau K. und fängt an zu schlemmen. Mittagszeit im Altenheim St. Josef in Hamborn.

Bianca Schrod, die 37-jährige Altenpflegerin, und Monika Wolter, die 49-jährige Krankenschwester, gehören zu jener aussterbenden Spezies derer, die sich freiwillig - und gerne - mit älteren Menschen beschäftigen. Beide hatten Erfahrung in der ambulanten Pflege gesammelt. Ein harter Job: „Man wusste nie, was einen am nächsten Tag erwartet, weil viele so vereinsamt sind“, erzählen die zwei. Das schlechte Gewissen plagte sie oft, wenn sie ihre Kunden allein zurückließen.

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Das Leben im Heim bietet den Vorteil, Gesellschaft zu haben, aber auch allein sein zu können, wenn man mag. Rudelgucken oder konzentriert allein das Spiel schauen. Im Chor singen, Bingo - den Bewohnern wird einiges geboten. Bei der Kochgruppe etwa geht’s zu wie beim Front-Cooking mit Tim Mälzer, so schwungvoll wird das Schnitzel gewendet. Auch Urlaube stehen an. „Wir waren mal in Holland, da hat eine Frau aus Dankbarkeit geweint, weil sie mit uns das Meer sehen durfte“, erzählt Schrod. „Das sind die Momente, wofür man den Job macht.“

Eher Anerkennung

Persönlich haben sie noch wenig Negatives in Bezug auf ihren Job erlebt. „Eher Anerkennung in dem Sinne, dass die Leute sagen boah, das könnte ich nicht“ beschreibt Schrod. In St. Josef können es 80 Mitarbeiter in verschiedensten Teilzeit-Stückelungen. Alle sind festen Wohngruppen zugeordnet, denn Beziehungsarbeit steht ganz weit oben auf der Prioritätenliste, neben den ganzen alltäglichen Dingen der klassischen Pflege, bei denen der alte Mensch wieder dem ganz jungen gleicht - wickeln, füttern, ins Bett bringen.

Um den zwar sehr kranken, aber um so lebenslustigeren Herrn Jordan in die Waagerechte zu bugsieren, umfasst Bianca Schrod ihn wie zum Tanze um die Hüfte, hebt ihn aus dem Rollstuhl, macht eine halbe Drehung und lässt ihn elegant auf der Bettkante ab. „Die bemühen sich hier unheimlich“, lobt der 69-Jährige MSV-Fan.

Während Wolter als Schwesternschülerin noch erlebte, dass Verstorbene im Badezimmer versteckt wurden, damit die Mitpatienten nichts mitbekommen, gehört heute das Ableben im Heim dazu: „Hier wird nichts totgeschwiegen“, sagt Wolters und lacht selbst über ihren Kalauer. „So wie die Menschen ins Heim kommen, gehen sie auch hinaus, nämlich durch den Haupteingang“, ergänzt Heimleiter Thomas Krülls. Und trotzdem hinterlassen sie etwas: einen Stein, zu Lebzeiten mit dem Namen versehen und einer Blume oder einer Sonne, nach dem Tod an einem festen Platz in der Kapelle angebracht. In der Steinschale am Eingang ist Bewegung, statistisch verstirbt im Laufe des Jahres ein Drittel der Bewohnerschaft (im St. Josef sind’s insgesamt 96). Dann leuchtet auch die große Kerze zum Gedenken.

Eltern wollen einziehen

Aus wirklich freien Stücken ist kaum einer im St. Josef. Nur die Eltern von Bianca Schrod wollen später mal hier einziehen, weil sie dann nah bei der Tochter sind und es außerdem hübsch finden. Bernhard Kämpken zum Beispiel hätte sich mit Händen und Füßen gewehrt, in ein Altenheim zu kommen. Aber erst verstarb seine Frau und dann wurde er plötzlich so krank, dass er nicht mal laufen konnte und sich in sein Schicksal fügen musste.

Jetzt steht der 81-Jährige in seinem geräumigen Zimmer mit Balkon, ist bester Laune, im Beirat aktiv. „Die Therapeuten hier haben mich wieder fit gemacht und jetzt werde ich auch meinen Lebensabend hier verbringen“, erzählt er zufrieden und lehnt sich entspannt auf seinen bequemen Ledersessel - sein Stück Heimat.