Mülheim. .
Bauchschmerzen blieben bis zuletzt: Mit den Stimmen von SPD und CDU wurde der Doppelhaushalt 2010/2011 am Donnerstagabend verabschiedet. Die damit beschlossenen Einsparungen und Steuererhöhungen bewirken im nächsten Jahr Einnahmeverbesserungen von elf Millionen Euro.
Statt 81 wird es dann 70 Millionen neue Schulden geben. Damit konnten in letzter Minute die Auflösung des Rates durch die Bezirksregierung und damit mögliche Neuwahlen abgewendet werden.
Von einer noch nie dagewesenen großen Herausforderung spricht der SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering, einer, der seit 30 Jahren Kommunalpolitik in Mülheim macht. Historisch nennt er die Finanznot, die den Städten kaum noch Gestaltungsspielraum lasse. Dabei wachsen die Aufgaben, die Anforderungen im Sozialen, in der Bildung, in der Jugendarbeit, in der Stadtentwicklung, beim Klimaschutz. Es gebe Bereiche, die eigneten sich schlicht nicht zum Sparen. Wiechering mahnt daher Hilfen an und betont, „hoch verschuldete Kommunen müssen von Zahlungen an den Solidarfonds entlastet werden“.
Abbau von Subventionen und Personal
Für die SPD hat die Eigenkonsolidierung des Haushaltes Priorität, dabei wäre die Fraktion ohne Druck der CDU dem Kämmerer gefolgt, der den Bürgern und Unternehmern stärker, als es nun erfolgt, in die Taschen gegriffen hätte, der aber eben auch für Mülheim einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2014 erreicht hätte. Zu diesem Ziel fehlen nach dem Ratsbeschluss von Donnerstag dann noch 20 Millionen Euro. So werden jetzt die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer nur geringfügig angehoben. Das Bad in Heißen wird nicht aufgegeben, das Museum nicht dicht gemacht, die Vereine nicht noch mehr belastet, und auch beim Erfolgsmodell „Offene Ganztagsschule“ wollten SPD und CDU einen hohen Standard halten.
So setzt man mehr auf den Abbau von Subventionen, auf den Abbau von städtischem Personal, auf den Verkauf von Flächen und Vermögen.
Auf 600 Millionen Euro wachsen dennoch die Kassenkredite im nächsten Jahr insgesamt an, die pro Kopf-Schulden liegen in Mülheim bei 2528 Euro. Drastische Zahlen, unterstreicht Wolfgang Michels für die CDU, und das, obwohl Mülheim im Vergleich je Einwohner höhere kommunale Steuereinnahmen besitzt als der Durchschnitt des Landes. 70 Prozent des Fehlbetrages im Haushalt, betont Michels, seien hausgemacht, nur 30 Prozent der Schulden kämen durch Belastungen des Bundes und Landes zustande. Ein schuldenfreies Mülheim bis 2025 gibt Michels als Ziel aus und fordert eine Verschlankung der Verwaltungshierarchien, einen Abbau der Stellen, eine kritische Bewertung der städtischen Infrastruktur, eine Reduzierung der Standards bei Pflichtleistungen. „Keine neuen Steuern“. Den Schuldenabbau stellt die CDU über alles.
FDP lehnt ab – wegen Steuererhöhungen
Dass dennoch die Steuern gering erhöht werden, geht der FDP zu weit. Sie lehnt daher den Haushalt ab. Mehrfach hatte sie bis zuletzt die Verwaltung aufgefordert, Sparvorschläge zu unterbreiten statt in erster Linie nur die Bürger weiter zu belasten. Sie wurde enttäuscht. „Mülheim hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem“, sagt Fraktionschef Peter Beitz und hätte sich Vorschläge gewünscht, wie Standards abgesenkt werden können, wie aber auch Qualität gesteigert werden kann. „In schwierigen Zeiten“, so seine Botschaft, „muss sich eine Stadt auf ihre Kernaufgaben beschränken, nicht alles kann mit Daseinsvorsorge begründet werden.“
Von Größenwahn und Dilettantismus spricht die MBI an diesem Tag. Fraktionschef Lothar Reinhard fühlt sich an Brechts Geschichte „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ erinnert. Verschwendung wirft er der Stadt vor, eine ungezügelte Personalpolitik, riskante Finanzierungsprojekte, und er beklagt ein Investitionsprogramm von Ruhrbania über Medienhaus, Feuerwehr und Stadionumbau, das die Stadt völlig überfordere.
Kritik an Bund und Land
Die Linken in Mülheim nehmen in ihrer Kritik vor allem die Politik des Bundes und des Landes ins Visier. „Einer solchen Erpresserpolitik, erst die kommunalen Kassen ausnehmen und dann mit drastischen Maßnahmen die Konsolidierung auf Kosten der Menschen fordern – einer solchen Politik solle man die Stirn bieten, anstatt sich unterzuordnen“, so Achim Fänger.
Ohne große Schelte kommen die Grünen aus, sie stimmen allerdings dem Haushalt auch nicht zu. Dem gemeinsamen Papier von CDU und SPD trauen sie nicht. Zu viele Luftnummern seien darin, sagt Fraktionschefin Annette Lostermann-De Nil und gesteht: Die Grünen hätten in dieser Lage lieber die Steuern erhöht. Es wäre „konkreter und besser“ gewesen.