Mülheim. .

Wie sieht die religiöse Zukunft in Deutschland aus? Mit dieser Frage beschäftigte sich jetzt das Mülheimer Projekt „Jugenddialog 2020“. Dabei wurde deutlich: Für manche ist sie nur eines, nämlich längst schon „überflüssig“.

Obwohl 1Live-Moderator Olli Briesch ihn am Dienstagabend beim Projekt „Jugenddialog 2020“ in Mülheim als letzten Redner auf das Podium bat, war es der Atheist und das Mitglied des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, Sven Speer, der einem lebhaften Abend die erste Dynamik verlieh. Religion in Zukunft sei für ihn vor allem eines: „überflüssig!“ Die Frage, ob nicht auch Atheisten auf das Fundament der christlichen Werte bauten, kam für Speer offensichtlich nicht überraschend. Die Kirchen hätten auf gewisse Werte keineswegs ein Monopol.

Im Gegenteil, gerade die Werte, die allgemein anerkannt seien, machten die Kirche überflüssig. Soziales Engagement oder Nächstenliebe seien bei Atheisten keineswegs weniger stark ausgeprägt. Immerhin solle man eines bedenken: Die Zahl der Gläubigen sei in Deutschland stetig sinkend und dennoch gebe es heute mehr Wohlstand und Lebensqualität denn je zuvor.

Verbundenheit zum Islam

So war es wohl kein Zufall, dass Ruhrbischof Franz-Joseph Overbeck nicht diese allgemein akzeptierten Werte als größte Chance der katholischen Kirche preiste, sondern deren „Alleinstellungsmerkmale“ – darunter das Zölibat, die Sexualmoral und auch die Rolle der Frau in der Kirche.

Das kam nicht bei allen Katholiken im Publikum gut an. Immerhin würden alle Zahlen bestätigen, dass sich wegen der mangelnden Offenheit der katholischen Kirche immer mehr junge Menschen von dieser abwenden. „Wir sind sehr wohl eine lebendige Kirche“, entgegnete der Bischof. Doch stünden eben diese Alleinstellungsmerkmale nicht zur Disposition.

Über eben solche verfügt sicher auch der Islam. Dennoch wurde sehr deutlich, die Rolle der Muslime in Deutschland ist eine besondere. Denn die Verbundenheit der jungen Menschen zu ihrer Religion ist unter den jungen Muslimen deutlich stärker. Der Islam sei ein Teil von Deutschland, hatte Bundespräsident Wulf erst vor wenigen Tagen festgestellt.

Doch was für ein Teil? Zumindest, so hat es die Diskussion gezeigt, ein sehr lebendiger. Dass es richtig ist, dass die muslimische Bevölkerung auch mit ihren Gotteshäusern in der Gesellschaft Präsenz zeigt, darüber herrschte breiter Konsens. Gleiches gelte auch für die jüdischen Gemeinden, erklärte Judith Neuwald-Tasbach, deren Gemeinde erst seit kurzer Zeit eine neue Synagoge in Gelsenkirchen besitzt.

Mit einer Stimme sprechen

Hängen geblieben sind vor allem die Botschaften der jungen Generation deutscher Muslime. Es tue sich was in den muslimischen Gemeinden. Zwar sei es gerade wegen der verschiedenen Strömungen im Islam nicht immer leicht, mit einer Stimme zu sprechen, doch es wachse eine neue Generation mit neuen Ideen nach, erklärte eine junge Dame aus dem Publikum. Die starke Präsenz eben dieser jungen Muslime in der Wolfsburg zeigte dies. Eine Generation, die zwar eng verbunden ist mit ihren kulturellen und religiösen Wurzeln, die aber eine neue ist, eine selbstbewusste, offene Generation. Die nach eigenem Bekunden einiges anders machen will, als die Persönlichkeiten der muslimischen Gemeinden heute.

Das erkannte auch der ehemalige Bundesvorsitzende der Schülerunion Younes Ouaqasse, selbst Muslim, an. „Ich muss sagen, ich gehe schon einige Jahre auf solche Veranstaltungen, aber so viele junge Muslime hab’ ich selten dort gesehen. Das ist wirklich top.“