Mülheim/Bochum. .
Dr. Armina Omerika ist Mülheimerin und Muslimin. Die an der Ruhr-Uni Bochum lehrende Islamwissenschaftlerin ist als nicht-organisierte Muslimin Mitglied in der neuen Runde der Deutschen Islamkonferenz (DIK).
Sie besitzen den deutschen Pass und sind Muslima. Führt das mitunter zu Konflikten?
Dr. Armina Omerika: In meinem Fall nicht. Wo es Schwierigkeiten gab, war, als ich zum ersten Mal nach Deutschland kam. Aber das waren kulturelle Probleme, keine religiösen. Ich denke über mich selbst nicht in erster Linie als Muslima nach. Religion bestimmt nicht mein Leben. Höchstens diese Momente, wenn Menschen hören, dass ich Muslimin bin. Dann wird man halt mit Stereotypen konfrontiert. Eine Muslimin mit Kopftuch würde Ihnen vielleicht andere Antworten geben – ich habe nie eins getragen, höchstens mal ein Piratentuch.
Was bedeutet der Islam für Sie?
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Zuerst einmal ist es eine faszinierende Angelegenheit mit einem großen Reichtum an kulturellen Ausdrucksformen.Es ist eine Weltkultur, die viel Gutes produziert hat; Kunst, Musik, Poesie. Eine Zivilisation, die Licht- und Schattenseiten hat – wie jede Zivilisation. In der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, gehörte der Islam zum Alltag. Es ist das kulturelle Erbe, was mich daran bindet; weniger die religiösen Inhalte.
Wird der Islam in Deutschland richtig wahrgenommen?
Ich glaube, da steht uns ein langer Weg bevor. Es gibt gut informierte Kreise, aber im Allgemeinen wird das Bild des Islam reduziert auf eine erzkonservative, gewaltlegitimierende Religion. Wie jede Religion hat auch der Islam diese Aspekte. Aber das Bild des Islam hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Nach 2001 wurde er in den Fokus gerückt. Als ich nach Deutschland kam, hätte man über islamische Theologie an deutschen Universitäten nicht reden können. Oder dass ein deutscher Innenminister sagt: Muslime sind ein Teil Deutschlands. Das hätte es früher nicht gegeben.
In einem Interview der „Zeit“ erzählen Sie von Ihrer Feststellung, „dass mit dem Islam etwas nicht stimmt“. Was stimmt am Islam nicht?
Aus meiner Perspektive war alles wunderbar. Und dann kommen Sie nach Deutschland, und eine der ersten Fragen in der Schule ist: Sag’ mal, bist Du eigentlich versprochen? Ich hab’ gar nicht gewusst, was das ist. Da kollidierte meine Wahrnehmung mit einer ganz anderen Wahrnehmung von außen.
Wie kritisch kann eine Muslima dem Islam gegenüberstehen? Wie fallen die Reaktionen auf Ihre Äußerungen aus?
Theologisch gesehen lässt der Islam viel Raum für Kritik von innen. Der Islam fordert den Menschen auf, seinen Verstand zu benutzen. Er gründet auf Rationalismus. Aber natürlich müssen Sie sich immer fragen: Wo leben diese Menschen? Wie viel darf man da sagen? Es ist kein Geheimnis, dass viele muslimische Länder autoritäre Regimes sind. Man muss sich fragen: Welche Rolle spielt die Religion darin? Oder ist sie tatsächlich ein Vorwand? Ich bin niemand, der mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Aber selbst bei den konservativen Männern merke ich, dass sie mir Respekt entgegenbringen. Ich habe kein einziges Mal das Gefühlt gehabt, dass einfach abgetan wird, was ich sage. Es kommt darauf an, wie man die Kritik äußert und wie berechtigt sie ist. Man darf nicht pauschalisieren, sondern muss differenzieren. Man kann nur vorankommen, wenn man offen Tatsachen anspricht.
Braucht der Islam eine Erneuerung? Wie sieht ein moderner Islam aus?
Der Begriff der Erneuerung wird von Muslimen seit 150 Jahren gebraucht – von Fundamentalisten und Modernisten. Man muss die Angst unter Muslimen abbauen, dass ein moderner Islam einen Abfall vom Glauben bedeutet. Beim Koran muss man sich fragen: Inwiefern kann man diese Texte heute tatsächlich noch anwenden, oder nur im Kontext ihrer Entstehungszeit? Dann stellt die Religion keine Hürde im Alltag mehr dar, sondern das, was sie eigentlich sein soll: eine Lebenshilfe.
Wie wird man Mitglied der deutschen Islamkonferenz?
Ich wurde aus dem Innenministerium angerufen. Ich lag zu Hause auf der Couch, hatte gerade die Füße hochgelegt. Mein erster Gedanke war: Was hab’ ich angestellt? Ich wurde wahrscheinlich ausgewählt, weil ich diesen bosnisch-muslimischen Hintergrund habe und ganz andere Erfahrungen als die muslimischen Migranten hier. Der Islam war für mich schon immer Teil von Europa.
Am 17. Mai hat sich das neue Plenum der Deutschen Islamkonferenz (DIK) zum ersten Mal getroffen. Wie war Ihr Eindruck?
Bei der ersten DIK war der Eindruck, dass da eine polarisierte Truppe zusammengetragen worden war. Dieses Mal habe ich den Eindruck, dass trotz aller Kontroversen die Leute an konstruktiven Lösungen interessiert sind.
Sie haben einmal gesagt, von der DIK erhoffen Sie sich „eine Versachlichung der Debatte um den Islam und Muslime in Deutschland“. Wo fehlt es an der nötigen Sachlichkeit?
Wenn es um den Islam geht, wird oft vom linken und vom rechten Rand aus gesprochen, die sich da interessanterweise sehr einig sind. Es gibt im Moment keine Religion, über die soviel geredet wird wie über den Islam – aber über die man so wenig weiß. In Europa gibt es seit Jahrhunderten Vorstellungen, die immer wieder aufleben: Zum Beispiel die der Unvereinbarkeit einer aufgeklärten Welt mit dem Islam. Natürlich hat er Punkte, die mit einer aufgeklärten Gesellschaft nicht vereinbar sind. Aber das unterscheidet ihn nicht von anderen Religionen.
Sie wollen sich besonders für die Imam-Ausbildung und islamische Theologie an deutschen Universitäten einsetzen. Warum ist das so wichtig für Sie?
Probleme, die es in der Integration zweifellos gibt, werden nicht gelöst werden, indem man von außen mit dem Finger auf die Muslime zeigt und sagt, macht das mal so. Es ist wichtig, dass man diese Disziplin an den Universitäten etabliert, um eine neue Generation von Muslimen heranzuziehen, um die Debatten über den Islam mit Inhalten zu füllen. Damit sich religiöse Autoritäten etablieren, die sich zu der Religion bekennen, die aber auch hier in Deutschland aufgewachsen sind. Langfristig kann sich so hoffentlich ein aufgeklärter europäischer Islam etablieren.