Mülheim. Mit Kameras will der Mülheimer Verein Trailriders Ruhr seinen MTB-Parcours im Wald schützen. Doch werden dabei Persönlichkeitsrechte verletzt?
Unumstritten sind sie nicht, doch an Haltestellen und in Bus und Bahn heben viele Menschen wegen Überwachungskameras kaum mehr eine Augenbraue. Oder im Supermarkt, auf privaten Grundstücken. Doch mitten im Wald oder gar im Landschaftsschutzgebiet wähnte man sich bisher unbeobachtet, ungestört. Am Großen Berg hat sich das geändert, seit der Verein Trailriders Ruhr an dem offenbar noch unfertigen MTB-Parcours versteckte Kameras aufgestellt hat. Die filmen und speichern Waldbesucher für sieben Tage. Mancher fühlt sich nun eingeschränkt, sogar unter Generalverdacht gestellt.
„Können die mich auch hier filmen?“, fragt eine Spaziergängerin mit Hund. Sie steht auf dem Weg „Böllerts Höfe“ in Broich vor der berüchtigten ‚Sieben-Huckel-Bahn‘, wo die Trailriders Ruhr überraschend ein trennendes Holzgatter gezimmert haben. Darauf ist ein laminierter Zettel genagelt: „Achtung Videoüberwachung!“
Seit Sonntag gibt es in Mülheimer Wald Zäune, Schilder und Kameras
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Auch an einem zweiten Zugang ist ein solcher Zaun installiert, die laminierten Hinweise sind an vielen Stellen zu finden auf dem Waldgelände, das vor gut einem Jahr mit politischem Beschluss vorübergehend von bestimmten Auflagen des Landschaftsschutzes befreit worden ist. Zumindest so lange, bis ein Landschaftsveränderungsverfahren durch das Land NRW entschieden hat, ob der Parcours bleiben darf.
Seit Sonntag gibt es also Zäune, Kameras und Hinweisschilder. Wo die Geräte hängen? Man muss die gut getarnten Wildtierkameras schon suchen. Was sie genau filmen und über welche Zeiträume? Das weiß nur der Verein. Offiziell heißt es auf dem Schild lediglich, dass „berechtigte Interessen verfolgt werden“. Die sollen darin bestehen, „Täter von Sachbeschädigung“ zu ermitteln, die zu Eigentumsschäden führen und „eine Gefahr für die körperliche Gesundheit von Nutzenden sein kann“. Sprich: Rampen, Schanzen und andere Konstruktionen sollen beobachtet werden, mit denen die Trailriders seit vergangenem Jahr versuchen, einen Parcours in das Waldstück zu bauen.
Mülheimer Verein hatte mit schwerem Vandalismus zu kämpfen
Denn der Verein hatte seitdem schwer damit zu kämpfen, dass Unbekannte deren Arbeit sabotiert und diese Aufbauten immer wieder eingerissen hatten. Obwohl der Parcours demokratisch beschlossen wurde, war er von Anfang an nicht unumstritten und blieb es auch. Ob die Schäden von jenen stammen, die damit ihren Unmut über den Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet bezeugen wollen, oder ganz andere Beweggründe eine Rolle spielen, ist bisher nur spekulativ zu beantworten.
Am Montagmittag zeigen Spaziergänger mit Hund überwiegend Verständnis dafür, den Parcours schützen zu wollen. Manchem wäre es lieber gewesen, wenn man die alte „Sieben-Huckel-Bahn“ einfach für Kinder und Jugendliche gelassen hätte, statt hier einen neu ausgebauten Ort, mit womöglich großer Anziehungskraft für Biker aus anderen Städten, zu schaffen.
Und auch die neue Videoüberwachung im bislang öffentlichen Raum des Waldes kommt als Maßnahme nicht überall gut an, wirft Fragen auf, was mit den Daten passiert, was darauf überhaupt zu sehen ist, wer die Bilder eigentlich kontrolliert. „Man verhält sich plötzlich beim Spazierengehen anders“, zeigt sich eine Spaziergängerin verunsichert. Und: Darf der Verein hier eigentlich jeden filmen oder haben Waldbesucher nicht auch Rechte?
Anwohnerin hinterfragt Zäune und Streckenführung: Ist gegen Auflagen verstoßen worden?
Andere wiederum bewegen sich weiterhin ungezwungen in dem Waldstück. Für Anwohnerin Ute Menzel, die den demokratischen Beschluss akzeptiert, das Projekt in dieser Form aber kritisch sieht, stellen sich weitere Fragen. Denn auch die naturschutzrechtliche Befreiung beinhaltet weiterhin Auflagen für den Streckenbau: So dürften Bodeneingriffe nur außerhalb der Schutzzeit erfolgen, die von März bis Oktober gilt.
Doch noch immer soll dort gebaut werden. Unter anderem will Menzel eine weitere Schneise entdeckt haben, die in der Planung für den „Dirt Spot“ nicht eingezeichnet sein soll. Und nicht zuletzt sollen bauliche Anlagen wie Zäune und andere Einfriedungen nicht erlaubt seien, wie es im Befreiungsbescheid heißt.
Spaziergänger fragen sich: „Werde ich gefilmt? Ist das erlaubt?“
Auch der neuerliche Eingriff in den öffentlichen Raum per Videoüberwachung ist der Broicherin nicht geheuer: „Wo kommen wir da hin? Hat die Stadt das genehmigt? Hat der Verein das Grundstück gepachtet?“ Denn laut Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) muss der verantwortliche Betreiber mit einer Videoüberwachung einen privilegierten Zweck verfolgen, etwa, wenn er ein Hausrecht oder damit berechtigte Interessen für konkrete Zwecke - etwa den Schutz des eigenen Objektes - wahrnimmt.
Die Rechte der Beobachteten sind jedoch abzuwägen. So muss laut Verordnung etwa die Videoüberwachungsanlage das mildeste aller zur Verfügung stehenden Mittel darstellen. Zudem muss die Speicherung der Videoaufnahmen auf das notwendige Maß begrenzt sein, auf die Überwachung muss außerdem frühestmöglich hingewiesen werden. Doch wer kontrolliert das eigentlich?
Ist die Videoüberwachung abgesegnet worden? Stadt muss das noch klären
Der Landesdatenschutzbeauftragte von NRW hat sich nunmehr des Falls angenommen, „mit dem Ziel der weiteren Sachverhaltsaufklärung“, wie es heißt. Ob der Verein verhältnismäßig handelte, will man deshalb noch nicht beantworten. Dazu müsse man erst den Verantwortlichen Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Wie informiert aber ist die Stadt über die Videoüberwachung der Trailriders? Hat sie das gar genehmigt? Auf Anfrage der Redaktion will die Verwaltung zunächst Kontakt mit dem Verein aufnehmen, um den Sachverhalt zu klären. Es bleibt der Eindruck, dass sie von der Maßnahme der Trailriders Ruhr überrascht worden ist. Und die Frage: Wie gut kommuniziert der Verein sein Handeln auf dem anvertrauten Gelände?
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