Mülheim. Subunternehmer-Busse ohne Ticketverkauf und Entwerter sorgen in Mülheim derzeit für eine Grauzone. Die wird von einigen offenbar bewusst genutzt.
Manchem Nutzer des Mülheimer Nahverkehrs entfährt beim Anblick von orangefarbenen Bussen mit Gelsenkirchener Kennzeichen derzeit ein leiser Jauchzer. Denn es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man hier offenkundig ungesühnt Schwarzfahren kann. Der Grund: Die Busse haben weder einen Fahrkartenverkauf noch einen Ticketentwerter. „Die Leute warten schon regelrecht darauf, dass sie einen solchen Bus erwischen“, will Gerd-Wilhelm Scholl, Verkehrsexperte der Mülheimer Bürgerinitiativen beobachtet haben. Ist Orange das neue Schwarz-Fahren?
Unterwegs sind die Fahrzeuge montags bis freitags mit drei Kursen auf den Linien 125 und 129. Am Samstag fahren drei Kurse auf den Linien 125, 135 und 129, sonntags kurven sogar vier Kurse auf den Linien 125, 135 und dem Nachtbus NE4 durch Mülheim. Es sind keine Busse der Ruhrbahn, sondern eines Gelsenkirchener Subunternehmers, der erst seit kurzem angeheuert wurde. Die meisten Verkehrsbetriebe haben kaum eine andere Wahl, denn ihnen fehlen die Fahrer und Fahrzeuge.
Fahrer winkt Kunden durch: „Ich kann keine Fahrkarten verkaufen“
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Auch Scholl ist mit dem Sub nach Saarn unterwegs gewesen: „Eine Frau wollte ein Ticket kaufen, der Fahrer hat sie weitergewunken: ‚Gehen Sie durch, ich kann keine Fahrkarten verkaufen.‘“ Rund acht von zehn Fahrgästen, die eingestiegen sind, sei es laut Scholl so ergangen – und das jeweils an mehreren Haltestellen.
Dass Menschen sogar an Haltestellen extra auch länger auf orangefarbene Busse warten, will Scholl von Busfahrern der Ruhrbahn erfahren haben, die auf den Linien unterwegs sind. Zudem fehlten in den Fahrzeugen des Subunternehmers nicht nur Fahrkarten und Entwerter, sie sollen auch keine Rampe haben, mit denen gehbehinderte Menschen ein- und aussteigen können.
Im Mobilitätsausschuss sorgten die Schilderungen des MBI-Sprechers für verwundertes Augenreiben: Schwarzfahren mit Ansage? Da nützte es wenig, dass Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller betonte, man dürfe ohne ein gültiges Ticket nicht einsteigen. Denn im Gegensatz zur Straßenbahn, die seit Jahren keine Fahrkarten mehr in der Bahn verkaufen, ist das für Busfahrten noch möglich – so gibt es, im Gegensatz zu Straßenbahnhaltestellen, an Bushaltestellen nicht zwangsläufig einen Ticketautomaten.
Mülheimer Fahrgäste sollen auf orangefarbene Busse spekulieren
„Wie soll der Kunde denn wissen, dass er vor dem Einsteigen ein Ticket braucht, dass er dann gar nicht entwerten kann?“, fragt Scholl. So könne ein Kunde ein unbenutztes Ticket dabei haben und darauf spekulieren, dass er bei einer Kontrolle auf die fehlenden Entwerter verweisen könne. Das gäbe dann wohl nur eine Ermahnung.
Eine Entwertung stattdessen durch den Fahrer per Hand, ist aus seiner Sicht nicht praktikabel, „weil dann ja Wabe und Uhrzeit eingetragen werden muss“, sagt Scholl. Für jedes einzelne Ticket. So entgeht nicht nur der Ruhrbahn, sondern auch der Stadt Mülheim mit jedem nicht-gestempelten Fahrschein Geld, das für den ohnehin defizitären Nahverkehr dringend gebraucht würde. Scholl: „Wir müssen überall sparen, nur hier schmeißen wir das Geld zum Fenster raus.“
Eine ständige Kontrolle aller Fahrten auf der Linie sei ebenfalls kaum zu machen, glaubt Carsten Trojahn (SPD) – und dann werde es für Kunden unangenehm, die ja nichts dafür könnten, dass eine funktionierende Technik fehle. Trojahn fordert daher, mehr Druck beim Subunternehmer zu machen. „Das Signal nach außen ist denkbar schlecht. Die Verantwortung dafür liegt bei der Ruhrbahn.“
Ruhrbahn beschwichtigt: Barverkäufe nur ein geringer Anteil der Einnahmen
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Im Mobilitätsausschuss versuchte Ruhrbahn-Chef Michael Feller die zunächst baffe Politik zu beschwichtigen: Der Fahrpersonalverkauf mache längst nicht mehr den entscheidenden Teil der Erlöse aus den Barvekäufen aus. Gerade einmal zwei Prozent der Gesamteinnahmen prognostiziert die Ruhbahn für dieses Jahr, 2,5 Prozent seien es 2023 gewesen – „demnach ist ein Abwärtstrend erkennbar“, so Feller. Der mögliche Schaden für Mülheim durch Schwarzfahrer auf den Linien sei somit eher gering und natürlich appelliere man an die Ehrlichkeit der Kunden.
Auf die Ehrlichkeit wird die Ruhrbahn wohl auch in naher Zukunft setzen müssen. Einerseits seien die Lieferzeiten bei den Hardware-Komponenten aktuell sehr lang. Andererseits werde es bei dem betroffenen Subunternehmer wohl keine Aufrüstung geben, denn dieser sei nur vorübergehend für die Ruhrbahn im Einsatz – so lange die Engpässe bei Fahrern und Fahrzeugen nicht beseitigt seien. Beim Versuch, das Gelsenkirchener Unternehmen telefonisch zu erreichen, meldete sich eine Ansage, die Nummer sei nicht zu erreichen.
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