Mülheim. An dieser Haltestelle in Mülheim steigt kaum jemand ein oder aus. Statistisch gesehen nur alle zwei Tage. Nur: Warum gibt es sie dann überhaupt?
Wenn sich hier Fuchs und Igel gute Nacht sagten, vermutlich würde man es nicht einmal merken. Denn im Nirgendwo zwischen Fluss und Feldern hält wirklich niemand an - oder sagen wir: kaum jemand. 0,5 Menschen steigen hier aus - so hat es die Ruhrbahn errechnet. Die Haltestelle Ruhrtalbrücke an der Mendener Straße ist statistisch die einsamste in Mülheim.
Dabei saust hier jede Menge Verkehr von Kettwig nach Mülheim durch. Und gut 60 Meter über den Köpfen scheint der Autolärm auf der Ruhrtalbrücke nicht enden zu wollen. Einsam heißt eben nicht „leise“.
Mülheims Ruhrtalbrücke: einsam heißt nicht „leise“
Nur bleibt eben niemand stehen. „Ich war, glaube ich, der letzte, der hier seit langem ausgestiegen ist“, merkt Matthias Strengbier mit feinem Lächeln an. Seinen Familienbetrieb für Landtechnik - Trecker zum Beispiel - hat der Großvater in den 1950ern gegründet. Werkstatt, Büro, offenbar zwei Wohnhäuser liegen strategisch klug im direkten Umfeld einiger Mülheimer Landwirtschaftsbetriebe.
Mit dem Bus allerdings kommt hier keiner vorbei, um seinen Traktor abzuholen, schüttelt Strengbier bei dem Gedanken schon den Kopf. Auf dem Hof deuten das einige Fahrzeuge an, die nicht nur auf die Reparatur warten. Warum also die Bushaltestelle vor der Tür? „Das ist meine private Haltestelle“, meint der Geschäftsmann und blickt vielsagend über Straße und Felder in die weite, doch recht menschenleere Ferne.
Der überraschte Blick des Busfahrers spricht Bände
Okay - Strengbier muss sich die mit den Bewohnern des Nachbarhauses auf der anderen Straßenseite teilen. Das ist es aber auch schon.
Jeweils ein Mal pro Stunde kommt die Buslinie 151 hier vorbei: montags bis freitags in der Regel eine Minute vor jeder vollen Stunde nach Kettwig, eine Minute vor jeder halben Stunde nach Mülheim. Doch überwiegend braust der Bus mit 70 Sachen einfach an den Wartehäuschen vorbei, wo sich statt der Fahrgäste gerade etwas Laub in den Ecken sammelt.
Und auch der Blick des Busfahrers hinter der Scheibe spricht Bände, als nun doch Menschen am Haltestellenschild stehen. „Nein, nur eine Reportage“, winke ich ab. Er drückt mit leicht enttäuschter Miene aufs Pedal und seine Kiste schiebt die Tachonadel gegen die Schwerkraft von 50 wieder auf 70 Km/h. Elf Menschen sitzen im Bus, die augenscheinlich überall anders hinwollen. Zum Kettwiger Freibad, zum Markt, zum Mülheimer Hauptbahnhof. Aber doch nicht hierhin.
Das sind die fünf ‚einsamsten‘ Haltestellen in Mülheim
- 1. Ruhrtalbrücke (Linie 151) - 0,5 Ein- und Ausstiege am Tag
- 2. Kahlenberg (Linie 151) - 0,9 Ein- und Ausstiege am Tag
- 3. Dicken am Damm (134) - 1,2 Ein- und Ausstiege am Tag
- 4. Haus Kron (134) - 1,2 Ein- und Ausstiege am Tag
- 5. Eisenbahnbrücke (131) - 2,1 Ein- und Ausstiege am Tag
Irgendwer aber tut es doch - wenn offenbar auch halbherzig: 0,5 Ein- und Ausstiege pro Tag zählt die Ruhrbahn. Rechnerisch alle zwei Tage verlässt hier jemand also wirklich den Bus. Nur das Warum ist unklar. Aus Sicht des Verkehrsunternehmens gehört die Haltestelle zur Daseinsvorsorge. Denn schließlich wohne auch jemand an den Hausnummern 297 und 292. Vielleicht auch jemand mit viel Humor. „Wie bitte?“, antwortet zumindest Matthias Strengbier auf die Frage, wie man es eigentlich aushalten kann mit der lärmenden Autobahn über Kopf.
„Wir haben auch schon gehört, dass sich sogar der eine oder andere Wanderer zur Haltestelle Ruhrtalbrücke ‚verirrt‘ habe“, sagt eine Sprecherin der Ruhrbahn mit einem Augenzwinkern. Tatsächlich kommt man über den Stein- oder Schnellenkampweg über den Berg in die Natur. Zur Ruhr müsste man aber noch ein ganzes Stück wandern, bis man über einen Privatweg an den Fluss käme.
Überall gibt es bessere Gründe auszusteigen als hier
Da wäre die Haltestelle Saalsweg schon viel praktischer. Sie liegt von der Ruhrtalbrücke rund 500 Meter Richtung Mülheim entfernt. Dort sind ein Hofladen und mehrere Wohnhäuser. Selbst einen halben Kilometer Richtung Kettwig (Haltestelle Im Körfken auf Essener Gebiet) gibt‘s gleich zwei bessere Argumente auszusteigen: ein Restaurant und der Weg zur Ruhr.
So steht die Haltestelle Ruhrtalbrücke an einsamer Spitze der womöglich unnötigsten Haltestellen in Mülheim, allerdings nicht allein. 0,9 mal am Tag steigt jemand auf derselben Linie an der Haltestelle Kahlenberg ein oder aus - immerhin schon doppelt so oft. Am Dicken am Damm, und damit parallel zur Mendener Straße zählte die Ruhrbahn 1,2 Ein- und Ausstiege am Tag. Auf Platz fünf der Liste ist die Eisenbahnbrücke (Buslinie 131) mit knapp mehr als zwei Ein- und Ausstiegen pro Tag.
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