Mülheim. Hart war der Streit in Mülheim um den Kahlenberg-Ast und die Straßenbahn. Jetzt fährt dort der Bus. Hat sich damit der Nahverkehr verschlechtert?

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne – doch ob das auch für die neugestaltete Buslinie 130 gilt? Viel Widerstand von Straßenbahnfreunden und Teilen der Politik gab es. Denn verknüpft mit dem Neuanfang der 130 ist das Aus für die Schiene zwischen Flughafen, Hauptfriedhof und Stadtmitte – dem Kahlenberg-Ast. Doch wie fährt es sich mit dem Bus zwischen Styrum und Rhein-Ruhr-Zentrum? Und wer nutzt den überhaupt?

Zumindest mit den Vorteilen der Ost-West-Verbindung wollte man die bitt’re Medizin versüßen, die Linie 104 zum Flughafen einsparen zu wollen: Die Styrumer erhielten mit dem 122er doch noch die vehement geforderte direkte Busanbindung in die Innenstadt. Und weil die Styrumer Linie ab Hauptbahnhof ihre Beschilderung auf 130 ändert und anschließend der alten Bahnlinie entlang den Kahlenberg-Ast hoch rollt, kann das Bismarckviertel jetzt ohne Umstieg sowohl zum Bahnhof als auch zum Rhein-Ruhr-Zentrum fahren.

Mit der 130 über den Kahlenberg-Ast: Kaum Ein- und Ausstiege

Auch interessant

So viel zum Hintergrund. Wie aber sieht die Praxis aus? Am Dienstagnachmittag startet der Bus als 130 vom Hauptbahnhof zum RRZ mit rund 22 Menschen. In Stadtmitte und auch entlang des Kahlenberg-Asts steigen nur wenige zu oder aus: „Kann ich auch vorne aussteigen?“, fragt eine ältere Frau an der Wasserstraße. Der Fahrer macht die Ausnahme, denn es ist wenig los.

Erst am Witthausbusch steigen einige aus, nur noch neun bleiben drin. Vielleicht sieht das zum Berufsverkehr anders aus, doch für eine Straßenbahn mit vielleicht 150 Sitzplätzen wäre die Situation der reinste Überfluss. Denn Sitzplätze gibt es selbst im deutlich kleineren Bus mehr als genug.

Im Eselsgalopp durch den grünen Mülheimer Osten

Wenn es aber um den Komfort geht, sieht das schon anders aus: Eine Straßenbahn gleitet über Schienen. Der Bus aber rappelt die Steigungen hoch, nimmt jedes Schlagloch mit, bremst schlagartig und fährt viel zu stark an, dass eine sehbehinderte Frau fast über ihren eigenen Blindenhund stolpert, weil der Fahrer nicht abwartet, ob sie einen Sitzplatz gefunden hat.

Vergnüglich ist der Eselsgalopp durch das grüne östliche Mülheim also nicht. Dabei ist die 130 mehr als im Plan, muss sogar später minutenlang im Nirgendwo von Essen-Haarzopf rumstehen, um nicht viel zu früh an der nächsten Haltestelle anzukommen.

Doch auch das ist Komfort: Zwischen Hauptfriedhof und Flughafen hat man bislang von der Straßenbahn auf den Bus wechseln müssen. Das Warten und Umsteigen ist nun nicht mehr notwendig.

So war es früher: Am Hauptfriedhof stieg man von der Straßenbahn in die Buslinie 130 zum Rhein-Ruhr-Zentrum um. Oft klappten auch hier die Anschlüsse nicht.
So war es früher: Am Hauptfriedhof stieg man von der Straßenbahn in die Buslinie 130 zum Rhein-Ruhr-Zentrum um. Oft klappten auch hier die Anschlüsse nicht. © Martin Möller / Funke Foto Services | Martin Möller

Mülheimerin: „Ein Gefühl wie in Italien“ – wegen des rasanten Fahrstils

Die Haltestelle Regenbogen an der Essener Stadtgrenze erweist sich dagegen als Problem: Sie ist nicht barrierefrei, ein Ruhrbahn-Kollege hilft dem Mann mit dem Rollator. Die Mülheimerin mit Sehbehinderung ist aber am Ende die einzige, die den direkten Weg von der Innenstadt bis zum RRZ durchgefahren ist. „Ich wollte es einmal ausprobieren“, sagt sie und lacht, „es war ein Gefühl wie in Italien“ – wegen des rasanten Fahrstils.

Der aber sei nach ihrer Erfahrung fast schon so „normal“. Und doch kann sie der neuen Linienstrecke etwas abgewinnen, „weil ich vorher immer umsteigen musste“. Und auch, wenn die Fahrt von der Innenstadt aus etwas länger dauerte, sei das viel besser als über den Hauptbahnhof und dann über etliche Treppen und mit viel Gelaufe mit der U18 zum RRZ zu fahren.

Fulerumerin: Ringbus 129 ist gut, aber Anschluss zur 130 stimmt nicht

Einiges Nachbesserungspotenzial sieht eine Fulerumerin bei den Anschlüssen der Linie an den Ringbus 129: Dass der Ringbus weiter bis nach Essen-Frohnhausen fahre, sei eine gute Sache, „aber wenn der 130 am RRZ ankommt, ist der 129er schon weg“, klagt sie. Und winkt zum 130er, der zurück nach Mülheim fährt: „Oh, da kommt er ja gerade“, schaut sie prüfend auf die Uhr und lobt, „sogar pünktlich – in der letzten Woche ist er zwei Mal ausgefallen“.

Der neue Mülheimer Nahverkehr: Licht und Schatten

Die Strecke von Essen bis Styrum wird schon etwas stärker genutzt: In Erbach und am Flughafen steigen jeweils gut neun Menschen zu, die bis Hauptbahnhof fahren. Oder weiter bis Seilerstraße. „Ich hätte auch mit der S-Bahn nach Styrum fahren können“, sagt einer, der am Hauptbahnhof zugestiegen ist. Doch der Umstieg von Bus zu Bus war einfacher, als hoch zu den S-Bahn-Gleisen zu hasten.

Ähnliche Kritik in Styrum: Linie 122 harmoniert nicht mit Ringbus 129

Laut ist bei der Neukonzeption des Fahrplans über eine Direktverbindung von Styrum zum Hauptbahnhof gestritten worden. Das Gefühl, abgehängt worden zu sein, lag besonders im Styrumer Süden in der Luft. Am Schloß Styrum steigen zwar auch Familien zu, bevor sich der Bus durch die schmale Limburgstraße und das Wohnviertel zum Bahnhof Styrum kämpft. Voll ist die Linie um diese Zeit aber nicht. Und klar dürfte auch sein: Kaum ein Styrumer wird im 130er sitzenbleiben, wenn sein Ziel das Rhein-Ruhr-Zentrum ist. Anders aber könnte es sein, wenn er Flughafen oder Witthausbusch besuchen will.

So dient die Linie doch zu mehr als nur der Styrumer Seele, sie schafft auch im Quartier eine Verbindung zu Familienmagneten wie dem Aquarius oder zum Sportverein 1. FC Mülheim. Eine Kritik aber äußert eine Styrumer Mutter: Weil der Ringbus 129 halbstündig an der Hauskampstraße ankommt, der 122 aber alle 20 Minuten am Bahnhof Styrum, klappt der Anschluss nur ein Mal in der Stunde ohne lange Wartezeiten. Zudem liegen zwischen beiden Haltestellen auch noch einige Meter. „Es wäre gut, wenn man den Ringbus besser abstimmen würde. Dann hätten die Kinder aus dem Süden über den 129er eine starke Verbindung zum Sportpark Styrum und den Schulen im Norden.“