Mülheim. Mit der Kult-Reihe „Estival“ setzt die Freilichtbühne ein Signal für die Mülheimer Musikszene. Warum es jungen Bands gerade nicht gut geht.
Wer hätte wohl gedacht, dass eine kleine aufmüpfige Szene aus den 1980er Jahren so eine Welle bis in die Mülheimer Musikszene der Jetztzeit schlagen würde? Die Regler an der Freilichtbühne gingen daraus hervor und auch ein berühmt-berüchtigtes Konzert-Ereignis, das am kommenden Samstag ein Comeback feiert: das „Estival“.
Ja – richtig gelesen. Denn das fehlende „F“ war von Anfang an ein bewusster Nadelstich der einstigen Szene, die sich am Kassenberg gebildet hatte, gegen die ebenfalls damalige „Hardenberg-Initiative“, erzählt Hans-Uwe Koch, Chef der Regler, und Teil der Kassenberger Gruppe. Warum?
Solidaritätsreihe startete in Mülheims VHS
Auch interessant
Die anderen hatten damals auch ein Festival am Start, auf den Plakaten aber fehlte der Legende nach versehentlich ein „L“. Also stand dort „Festiva“. Diesen Faux Pas konnten aber die einen nicht ungesühnt lassen. Und nannten in Anspielung ihr Festival entsprechend: „Estival“. Zehn Jahre lang – von 2002 bis 2010 – erlebten die Mülheimer in der VHS diese Reihe, die auch finanziell als Solidaritätsveranstaltung für die Musikerszene diente. Bis dort das Interesse abnahm, weil 2008 das Rauchen verboten wurde. Der zumindest damals sichere Tod für Rock-Konzerte.
Soviel zur urbanen Mythenbildung. Nachweislich und geradezu manifest aber ist der Einfluss des Kassenbergs auf die Mülheimer Musikszene. Als Ende der 1980er das dortige Kino und einige Proberäume dem heutigen Ensemble Platz machen mussten, standen 100 Musiker auf der Straße, berichtet Koch. Die zogen dann auf die Schloßstraße für ein – mangels Strom – lautloses Impromptu-Konzert unter dem Motto: „Wie Sie hören, hören Sie nichts.“
+++ Veranstaltungen in Mülheim: Tipps und Termine +++
Musiker marschieren durch die Institutionen: 1,2 Millionen DM für Proberäume
Doch ohne Resonanz blieben die Protestaktion und die folgenden „Märsche“ durch die Mülheimer Institutionen deswegen nicht. Denn mit Mitteln des Landes – man spricht von 1,2 Millionen DM – und Unterstützung von Mannesmann wurde der alte Hochbunker an der Josefstraße zum Probeort für Mülheimer Bands sogar mit Aufnahmestudio umgebaut.
Kultur in Mülheim - was in der Stadt läuft
- Mülheims Krimi-Autor Jörg Juretzka: „Früher war ich Rowdy“
- Mülheims Ruhr Gallery gibt Antworten auf das ,Danach’
- Zwischenstücke starten in Mülheim: Was die Besucher erwartet
- Fest am Ringlokschuppen: Was eine Initiative plant
Die „Halle 1“ wurde als Verein und selbstverwaltetes Proberaumzentrum gegründet. Neun Proberäume sind bis heute dort angesiedelt, um die hiesige Musikszene zu fördern, „und sind zum Teil sogar doppelt belegt“: Kai Weiner, Musiker und Mitglied des „Halle 1 e.V.“, spricht von rund 15 Bands. Einige bekannte Mülheimer Gruppen sind in diesem Umfeld gewachsen: Gitarrenbands wie Klüsen – bei der auch Hans-Uwe Koch am Bass mitwirkt –, die Rude Reminders (Reggae) und einst auch die Lokalmatadore (Punk).
Darum gibt’s wieder ein "Estival"
„Ohne diese Solidarität der jährlich stattfindenden "Estival"-Konzerte in der VHS, des Miteinanders der Kassenberger, des Halle-1-Vereins, wäre die Vision eines Kulturzentrums an der Freilichtbühne nie entstanden“, ist sich Koch sicher.
Dass die Freilichtbühne am Samstag, 16. September, das „"Estival"“ wieder leben lässt, hat seinen Grund allerdings nicht nur in der Tradition: Denn der Probebunker braucht erneut die Solidarität der Mülheimer. Ein Besuch der Feuerwehr habe ergeben, dass der Teppich nicht mehr dem geforderten Brandschutz entspricht. Nach Jahrzehnten muss er auf allen Etagen ausgetauscht werden. Das "Estival" will dafür reichlich trommeln, singen und Gitarre spielen.
Mit dabei an der Dimbeck 1 sind Klüsen, The Rude Reminders, The Great Faults, CosmoProlet und Generation X. Moderiert wird’s von Tom Täger (Neue Schule für Musik), für stimmungsvolle Pausen sorgt Gitarrist Roland Sterges. Und natürlich ist der Biergarten samt Foodtrucks geöffnet. Start ist um 18 Uhr, geöffnet ist ab 17 Uhr. Einen Eintritt gibt es üblicherweise nicht, es gilt das bewährte Solidaritäts-Prinzip der Regler: Der Hut geht rum und jeder gibt, was er kann, um Mülheims Musikszene zu unterstützen.