Mülheim. Seit rund neun Jahren macht Ex-Lehrer Peter Leitzen die Philosophie populär – nicht nur in Mülheim. Das philosophische Café wird nun 100.

Für manchen wirkte das bizarr: Während Mülheims bekanntester Philosoph Peter Leitzen vor einigen Monaten auf grüner Wiese darüber spekulierte, ob wohl die Politik der Wissenschaft folgen sollte, ließen die in seinem Rücken grasenden Charolais-Rinder vom Futter ab. Und schienen statt des satten Grüns nun gedanklich wiederkäuend seine Worte hin und her zu wälzen. Andere Teilnehmer schmunzelten – wohl ob der unfreiwilligen Analogie. Leitzens feinsinnige Antwort darauf? „Philosophieren ist keine elitäre Sache.“ Jetzt nähert sich die runde 100.

Seit fast neun Jahren trägt der ehemalige Lehrer die Philosophie dorthin, wo sie eigentlich auch hingehört: in die gesellschaftliche Mitte, in Cafés, in Design-Läden, in die Volkshochschule und Stadtbibliotheken ebenso wie in die Kirche, in die Gärten, über den Mülheimer Stadtrand hinaus. Oder eben auf eine Wiese mit Charolais-Rindern einer bekannten Mülheimer Fleischerei.

Mülheimer Philosoph Leitzen über Philosophie: Sie nimmt das Denken nicht ab

Auch interessant

„Philosophen sind wir alle“, glaubt Leitzen. Man müsse sogar eine eigene Position finden. „Die Philosophie nimmt einem das Denken nicht ab“, sagt der Ex-Lehrer – weder Philosophiepromis wie Precht noch Sloterdijk und Habermas. „Sie wird sogar gefährlich, wenn man glaubt, dass man dort unumstößliche Wahrheiten und Dogmen finden kann.“ Kritisch sieht Leitzen durchaus auch den inhärenten Eurozentrismus der Philosophie.

Obwohl sein Philosophisches Café auf das 100. Gespräch zuläuft, bleiben also eher Fragen als Antworten. Und die stellte Leitzen immer wieder neu, mal etwas sperrig wie „Der kritische Rationalismus des Philosophen Karl Popper“ als Antwortversuch auf die Frage „Was können wir wissen?“ Aber viel öfter lebensweltlich: Wie sollen wir leben? Oder: Verdirbt Politik den Charakter? Oder sogar brisant: Was treibt die Menschen zum Krieg? Ist Frieden möglich?

Auch die Dorfkirche in Mülheim Saarn ist einer von vielen ungewöhnlichen Orten des Philosophischen Cafés gewesen: Hier diskutierte Leitzen über „Philosophie und Gartenglück – über die Suche nach einem guten Leben in der Zurückgezogenheit“.
Auch die Dorfkirche in Mülheim Saarn ist einer von vielen ungewöhnlichen Orten des Philosophischen Cafés gewesen: Hier diskutierte Leitzen über „Philosophie und Gartenglück – über die Suche nach einem guten Leben in der Zurückgezogenheit“. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

100. Diskussion in Mülheim sucht Antworten

„Was ist ein gutes Leben?“, fragt der Philosophielehrer in seiner neusten Reihe. Für Antworten fliegt Leitzen quer durch das „Who’s who“ der Denker, sprich von Aristoteles bis Zenon. Und bleibt dabei auf dem Boden: „Die Frage bekommt vor allem in Zeiten von Krisen erneut Bedeutung, weil dann die Grundannahmen über unser Zusammenleben – etwa als ,Zeitenwende’ beschrieben – infrage gestellt werden“, erläutert er.

Rund sieben Termine stehen von Mai bis Juli auf dem Plan. Und es geht wieder nach draußen: in den Biogarten der VHS an der Müga, den Garten der Freimaurer-Loge, in einen Garten am Auberg und natürlich zu den aufmerksamen Charolais-Rindern. Welcher davon der 100. ist? Die Frage bleibt offen: „Ich will, dass jeder das Gefühl hat, an der Jubiläumsveranstaltung teilgenommen zu haben“, sagt Leitzen mit Augenzwinkern.

Auf Leitzens Wunschliste: Gespräch mit Mülheims Superintendenten

Welche Fragen und Orte bleiben eigentlich, wenn man schon alles diskutiert und besucht hat? Für den ehemaligen Lehrer noch eine ganze Reihe: „Ich würde gerne mit dem Superintendenten über den Grenzbereich von Philosophie und Theologie diskutieren“, erinnert Leitzen daran, dass Kant einst seine Texte der Theologie vorlegen musste. Die Philosophie sollte der Theologie zuarbeiten – so die damalige Ansicht.

Als Ort wünscht sich der Mülheimer eine Runde im Café im Theater an der Ruhr, denn „das Theater ist ein besonderer Ort der Sprache und Kommunikation“.

Politik in Mülheim

Apropos: Hart zur Sache muss es im Gespräch mit dem Mülheimer SPD-Bundesparlamentarier Arno Klare gegangen sein, berichtet Leitzen: „Er hat sich den Fragen aber gestellt. Und es wurde klar, dass er sich der moralischen Fallstricke bewusst ist.“ Und irgendwann muss die Politik – im Gegensatz zur Philosophie – auch zum Abschluss kommen.

>>> Alle Termine der neuen Reihe

Die Termine zur neuen Reihe „Was ist ein gutes Leben?“:

  • 24. Mai im Biogarten der VHS (Anmeldung VHS: 455 43 21)
  • 25. Mai im Garten der Mülheimer Freimaurer-Loge, Friedrichstraße 38
  • 31. Mai im Garten der „Farbtier Kreativagentur“, Duisburger Straße 274
  • 22. Juni im Garten von Herrn Strippgen am Auberg, Dicker Höfe 33
  • 23. Juni auf der Wiese des Waldkindergartens in Broich, Böllertshöfe 122
  • 12. Juli vor der Wiese der Charolais-Rinder der Fleischerei Jakob, Weidmannsheil 89
  • 14. Juli im Garten eines alten Fachwerkhauses, Lehnerfeld 4.

Beginn jeweils um 18 Uhr.