Mülheim. Kripo war da, seitdem verkauft der Mülheimer Hanfshop „Cannapara“ keine Blüten mehr. Was ist legal? Das Team wünscht sich klare Regelungen.
„Cannapara“: Auf den Schaufenstern des Ladens an der Kaiserstraße steht dieser Name, und darüber grünt ein siebenfach gefingertes Hanfblatt. Offenbar regt es die Fantasie massiv an. „Manche Leute sehen nur die Pflanze und drehen schon durch“, sagt Tanja Hilgers, die in diesem Geschäft arbeitet. Der Mülheimer Laden hat kürzlich sein Sortiment verändert. Gezwungenermaßen.
Im Dezember 2020 habe der Shop eröffnet, berichtet Sevran Kilinc, der aktuelle Geschäftsführer. Anfangs war es eine Art modernes Reformhaus, mit Hanfprodukten, Bio-Lebensmitteln, Kosmetik- und Pflegeartikeln. „Alles lief ganz normal, es gab nie Ärger, alle waren glücklich.“ Bis ein gutes Jahr später, im Januar 2022, Polizeikräfte anrückten und eine Menge Waren beschlagnahmten. Der Einsatz wirkt bis heute nach.
Mülheimer Cannabis-Laden wurde von der Kripo durchsucht
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Wie ein Polizeisprecher auf Anfrage bestätigt, wurde „Cannapara“ am 12. Januar 2022 durch die Kriminalpolizei durchsucht - nach einem entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts Duisburg. Einiges nahmen die Beamten mit: „Knapp 970 Gramm CBD-Blüten, 760 Milliliter CBD-Öl und neun Kartons mit insgesamt 580 Einheiten CBD-Hanf wurden sichergestellt.“
Gegen den damaligen Betreiber wurde Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erstattet. „Als wärst du ein Drogendealer“, sagt Sevran Kilinc. Das Verfahren sei im November 2022 eingestellt worden, gegen eine Geldauflage in Höhe von 2000 Euro. Dies bestätigt auf Anfrage auch die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg. Die beschlagnahmte Ware sei vernichtet worden, so Kilinc. „Wir waren die Blöden.“ Der Polizeieinsatz habe „Cannapara“ Umsatzeinbrüche beschert. Es gab, neben dem weiterhin bestehenden Webstore, eine Filiale in Oberhausen, die mittlerweile geschlossen wurde. Der Mülheimer Shop soll bleiben, doch CBD-Blüten gibt es dort nicht mehr. Anderswo in der Stadt schon.
„Missbrauch zu Rauschzwecken“ muss ausgeschlossen sein
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Welche Regeln gelten? Auskunft gibt beispielsweise die Website des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dort ist zu erfahren: Gemäß Betäubungsmittelgesetz (BtMG) wird unterschieden zwischen Cannabis, das zu medizinischen Zwecken verwendet wird, und anderem Cannabis, das als „nicht verkehrsfähig“ gilt. Produkte, die Cannabidiol (CBD) enthalten, unterliegen dem BtMG. Sie dürfen vertrieben werden, sofern ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2 Prozent nicht übersteigt, jedoch nur zu gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken. Wörtlich heißt es weiter: „Produkte wie Tee, Tabakersatz oder Duftkissen aus lediglich getrockneten und zerkleinerten Nutzhanfpflanzen dürfen aus betäubungsmittelrechtlicher Sicht nicht an den Endverbraucher abgegeben (...) werden, da ein Missbrauch zu Rauschzwecken hier nicht ausgeschlossen werden kann.“
Diese Einschätzung teilt das Team von „Cannapara“ definitiv nicht und argumentiert so: „Man bräuchte eine große Menge an Blüten für viel Geld, um über ein kompliziertes Verfahren etwas daraus zu extrahieren - und vielleicht einen Keks zu backen.“ Dies sei in der Praxis nicht realistisch.
Aus Sicht der Polizei sind CBD-Produkte „fast immer illegal“
Aus polizeilicher Sicht jedoch sind CBD-Produkte, die in speziellen Läden verkauft werden, aber auch an Kiosken oder Tankstellen, „fast immer illegal“. Den „Tätern“ sei dies häufig nicht bewusst, heißt es in einer Mitteilung der Polizei Essen/Mülheim. Sie wurde vor rund zwei Jahren veröffentlicht, nachdem das Rauschgiftkommissariat „vermehrten Handel mit Cannabisprodukten“ festgestellt habe.
Das BtMG mache zwar Ausnahmen vom Verbot, wenn der THC-Gehalt 0,2 Prozent nicht überschreitet. Der Erwerb und Missbrauch zu Rauschzwecken müsse aber ausgeschlossen sein, betont die Polizei. „Das Pflanzenmaterial ist häufig in kleinen Dosen verpackt und wird teilweise sogar gemeinsam mit Blättchen angeboten. Die Konsumfähigkeit (...) ist hier offensichtlich.“ Betreiber und Käufer machten sich strafbar. Die Polizei fügt hinzu, „dass nach dem Konsum dieses Hanfs ein Drogentest häufig positiv ausfällt“.
Mülheimer Ladenbetreiber sind vorsichtig geworden
In der Strafverfolgung werden solche Fälle sehr unterschiedlich bewertet, die Grauzone ist offenbar groß, die Betreiber von „Cannapara“ sind nach einschlägiger Erfahrung vorsichtig geworden. Sie legen den Schwerpunkt nun auf mutmaßlich medizinisch wirksame Produkte wie Hanföl („ohne psychoaktive Wirkung“), Kosmetikartikel, Speiseöl, Proteinpulver oder Hanfschokolade.
Die gesundheitlich ausgerichteten Artikel würden überwiegend von älteren Menschen gekauft, berichten die Mitarbeiterinnen Tanja Hilgers und Jennifer Radmacher, häufig von Leuten mit chronischen körperlichen oder psychischen Problemen. Beispiel: „Schmerzpatienten, die nicht mehr weiter wissen.“ Der Standort des Geschäftes direkt neben dem Mülheimer St. Marien-Hospital sei von daher günstig. „Wir haben viele neue Kundinnen und Kunden gewonnen“, sagt Jennifer Radmacher, „aber wir dürfen keine Heilungsversprechen machen. Wir sind keine Apotheke.“
Gefragt ist offenbar auch Rauchzubehör, beispielsweise gläserne Bongs, Aschenbecher oder Blättchen zum Selberdrehen. „Cannapara“ führt diese Artikel im Stil eines Headshops, aber eben keine CBD-Blüten mehr.
Kommentar auf Facebook: „Gibt’s da auch Heroin?“
Tanja Hilgers hatte die Neugestaltung des Ladens Ende April auch in einer Mülheimer Facebook-Gruppe bekannt gemacht: „Es gibt jetzt einen Headshop in Mülheim...“ Der Post zog eine rege Diskussion nach sich, von: „Unsere armen Kinder“ oder „Gibt’s da auch Heroin“? bis zum Kommentar einer Schmerzpatientin: „Hier gibt’s ein Cannabisöl, das hat mein Leben lebenswert gemacht.“
Mit der momentanen rechtlichen Situation ist das „Cannapara“-Team unglücklich. Tanja Hilgers meint: „Hanf muss endlich raus aus der Tabuzone.“ Geschäftsführer Sevran Kilinc sagt: „Wir Händler brauchen klare gesetzliche Regelungen. Es müsste eindeutige Bestimmungen geben, nicht nur - wie geplant - für THC zum Rauchen, sondern auch im Nutzhanf-Bereich. Nur das eine zu erlauben, macht überhaupt keinen Sinn.“