Mülheim. Um die Anzahl der Tauben in Mülheim einzudämmen und das Leid der Vögel zu mildern, setzen sich Ehrenamtliche ein. Wie sie den Tieren helfen.
Sie kämpfen dafür, dass sich die Lebensbedingungen der Stadttauben in Mülheim verbessern. Denn mitunter fristen die Vögel ein trauriges Dasein – schwer verletzt, mangelernährt und zumeist alles andere als geduldet. Nicola Brinkmann ist eine der Tierschützerinnen und Tierschützer, die sich in der Ruhrstadt für Tauben starkmachen. Die Initiative hat im vergangenen Jahr über 1000 Taubeneier durch Attrappen ersetzt, ihre Mitglieder kratzen regelmäßig Kot ab.
Ihr Lebensraum ist die Innenstadt, etwa der Kurt-Schumacher-Platz vor dem Forum oder der Dieter-aus-dem-Siepen-Platz am Mülheimer Hauptbahnhof. Schwärme von Tauben kreisen hier durch die Luft und lassen sich schließlich nieder – auf der Suche nach Essbarem. Dabei sind die Tiere nicht wählerisch, picken auf, was ihnen vor den Schnabel kommt, landen bei ihrer Futtersuche auch schon mal im Eingang einer Bäckerei oder eines Cafés. Spätestens dann sind sie ungebetene Gäste, manchem gelten sie als Plage.
Verwilderte Tauben stammen von Haustieren ab – Mülheimerin will helfen
Dabei, macht die Mülheimerin Nicola Brinkmann deutlich, stammten die Tauben von Zuchttieren ab, die einst etwa als Brieftauben gehalten wurden oder als Hochzeitstauben dienten. Wie viele dieser verwilderten Tauben aktuell in Mülheim leben, könne sie nicht beziffern – die Not derer aber, die da sind, sei groß. Solche Tauben seien dahin gezüchtet, dass sie bis zu acht Mal pro Jahr Eier legen. Zudem seien sie daran gewöhnt, dass sie vom Menschen Futter bekämen – ihre Scheu vor Zweibeinern hält sich also in Grenzen. Futter suchen und Nester bauen, dort wo viel los ist – für die Taube kein Problem.
Problematisch wird es, wenn Menschen sich durch Tauben belästigt fühlen, wenn sie sie verscheuchen, gar quälen und Sorge vor Krankheitsübertragung haben. „Tauben sind für unsere Gesundheit nicht gefährlicher als Hund und Katze, die bei vielen ja sogar mit im Bett schlafen“, sagt Nicola Brinkmann, die generell sehr tierlieb ist. Hunde, Katzen und aufzupäppelnde Tauben gehören zu ihrem Zuhause.
Mülheimerin leidet mit, wenn sie das Elend der Straßentauben sieht
Umso mehr leidet die 39-Jährige mit, wenn sie das Elend der gefiederten Freunde sieht, wenn sie geschwächte Tiere aufsammelt, solche, die als Brieftaube weite Distanzen überwinden sollen und zwischendurch auf der Strecke bleiben. Oder wenn sie Vögel findet, deren Füße mit Fäden oder Haaren eingeschnürt sind, weil die Tiere sich im Müll verfangen haben und sich nicht selbst davon befreien können – Zehen schwellen dann an, entzünden sich, sterben teils ab. „Die Tiere machen viel Leid durch“, bedauert die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin.
Um die Flut des Vogel-Nachwuchses einzudämmen, ziehen Ehrenamtliche der Initiative Ruhrpotttauben, der die Mülheimerin angehört und die zudem den Essener Stadttauben-Verein ehrenamtlich unterstützt, los und tauschen in Nestern Taubeneier gegen Attrappen.
Im vergangenen Jahr kamen so insgesamt 1056 Eier zusammen, in den ersten Monaten des laufenden Jahres waren es bereits 460. „Daraus wären sonst wieder neue Tauben entstanden, die nun ein trauriges Leben auf der Straße führen müssten.“ Jedes Wochenende ziehen die Taubenretter, ausgerüstet mit langen Leitern, durch die Stadt und steuern Standorte an, an denen sie die Gelege von Tauben erreichen können – wie etwa an den Pfeilern der A 40 an der Mühlenstraße in Dümpten.
Initiative will Konzept mit Partnern in Mülheim umsetzen, um Tauben zu helfen
Teils aber würden Nistplätze verschlossen, an denen die Ehrenamtlichen zuvor Eier ausgetauscht haben – etwa unter der Schloßbrücke. Nicola Brinkmann hat dafür kein Verständnis: „Das ist bedauerlich, denn das verlagert das Problem nur.“ Die Tauben ließen sich woanders nieder und legten ihre Eier dann im Zweifel so ab, dass die Taubenfreunde die Gelege nicht erreichen können. Gleiches gelte für Vergrämungsmethoden wie spitze Spikes auf Fassadenvorsprüngen oder Netze, die die Tauben abhalten sollen. Letztlich aber suchten die Vögel sich andere Plätze. Wirklich wirksam ist aus Sicht der Taubenschützerin nur der Eiertausch, um die Population in den Griff zu bekommen.
Die Initiative sucht inzwischen vermehrt das Gespräch mit der Stadt. Denn Ziel müsse es sein, betont Nicola Brinkmann, ein Konzept aufzustellen, an dem viele verschiedene Partner mitwirkten. „Auch die Händler in der Innenstadt müssten doch ein Interesse daran haben, dass die Tauben sich woanders aufhalten als vor ihren Läden“, nennt die Tierschützerin ein Beispiel für eine mögliche Kooperation.
Ziel: Ein Taubenhaus in Mülheim installieren, um die Tiere dort zu versorgen
Ein betreuter Taubenschlag, wie es ihn etwa in Essen gibt, in dem die Tiere mit artgerechtem Futter versorgt und medizinisch betreut werden, ist ein erklärtes Ziel. Dort könnten die Tauben auch ihre Eier legen, die dann – leicht zugänglich für die Ehrenamtlichen – einfach gegen Attrappen ausgetauscht werden können. Solch ein Taubenhaus hätte auch den Vorteil, dass der Kot sich dort sammle, entsorgt werden könne und die Stadt so sauberer bleibe. Denn auch das gehöre dazu, macht Nicola Brinkmann deutlich: „Ich kratze in Volieren regelmäßig die Kacke ab.“
Die Gruppe der Helfer sei inzwischen etwas gewachsen, rund 15 bis 20 Ehrenamtliche sorgten sich derzeit um Mülheims Tauben, weitere seien sehr willkommen, wirbt Brinkmann. Sie organisieren sich über Social Media und teilen dort auch mit, wie ihr Engagement aussieht und was sie bewirken wollen.
Mülheimerin klärt auf Festen über das Leben der Tauben auf, um Vorurteile abzubauen
„Wenn wir draußen unterwegs sind und uns um die Tauben kümmern, werden wir nicht selten beschimpft“, schildert die Mülheimerin. Dabei hätten viele Menschen doch ein inniges Verhältnis zu ihren Haustieren. Bei den Tauben handele es sich um eben solche, die nicht nach Hause zurückgefunden haben und draußen gestrandet sind. „In anderen Ländern kennt man Hunde und Katzen als Straßentiere – die Tauben sind die Straßentiere von Deutschland“, meint die 39-Jährige und fragt, ob nicht der Mensch, der die Tiere züchtet, ihnen gegenüber auch Verantwortung übernehmen müsse, sobald sie auf der Straße leben.
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Sie selbst fühlt sich den Lebewesen gegenüber zur Hilfe verpflichtet, setzt sich unermüdlich ein und bezieht schon die Kleinsten ein: Auf Festen klärt Nicola Brinkmann – nicht nur Kinder – über Stadttauben auf, etwa am 27. Mai am Haus Ruhrnatur, beim Sommerabschlussfest im Witthausbusch und am Weltkindertag in der Müga. Denn sie ist überzeugt: Wenn Vorurteile abgebaut werden, kann das Zusammenleben von Mensch und Taube gelingen.