Mülheim. Sechs Jahre nach dem Brand kann die Gesamtschule Saarn ihr Hauptgebäude wieder beziehen. Warum die Sanierung zur unendlichen Geschichte wurde.
„Dieses Gebäude hat viel mitgemacht“, sagt Edin Gracic und es liegt eine Ergriffenheit in seiner Stimme wie nach einem dieser Schockmomente, wenn man realisiert, dass eine Sache auch anders hätte ausgehen können. Es geht nicht nur dem Planungsteamleiter der Stadt so. Als am Freitag das sanierte Hauptgebäude der Gesamtschule Saarn eingeweiht wurde, war diese Stimmung bei allen Beteiligten zu spüren. Bei der Vertreterin der Bezirksregierung, die mit Nachdruck sagte: „Das haben die Schüler jetzt aber auch wirklich verdient.“ Bei Schulleiterin Claudia Büllesbach, die festhielt: „Das ist der lang ersehnte Neustart.“
Sechs Jahre ist es her, seit ein Feuer zwei Klassenräume zerstört und 16 weitere unbenutzbar gemacht hat. Die Ursache des Brandes ist bis heute ungeklärt. Doch damit änderte sich alles. Aus einer geplanten Brandschutzsanierung wurde eine Kernsanierung. Eine, die mehrfach drohte, in den Wendungen der Weltereignisse aus der Kurve zu fliegen.
Mülheimer Schüler wünschen sich „auf jeden Fall Deko“
Drei Mal mussten die Sanitärdienstleistungen ausgeschrieben werden, bis eine Firma gefunden war. „Dann verzögerten sich die Arbeiten um ein weiteres Jahr, weil die Handwerker der Reihe nach an Corona erkrankten. Danach sorgte der Ukraine-Krieg für unterbrochene Lieferketten. Vor allem Elektroteile waren nicht zu kriegen“, erinnert sich Projektleiter Marcel Udovtsch. Und das – so merkt man allen an – war nur die Spitze des Eisbergs. Ganz zum Schluss, als das Gebäude bereits so gut wie einzugsfertig war, ging die Firma für Messtechnik in die Insolvenz. Die aber war nötig, um die hochmoderne Lüftungsanlage in Betrieb zu nehmen. „Das kostete noch mal ein halbes Jahr“, sagt Susanne Ehmanns, Leiterin des Immobilienservice.
An diesem Freitag wird das alles zur Vergangenheit. Aus der vermeintlichen Dauerbaustelle ist ein hochmodernes Schulgebäude entstanden, mit LED-Beleuchtung, breiten Gängen, viel Tageslicht, Barrierefreiheit und Klassenräumen auf dem neuesten Stand der Technik. Dazu gehören digitale Smart Boards statt Tafeln, neue Möbel und Farbakzente in beruhigendem Japanisch-Grün und aktivierendem Rot. „Die Container waren übel, aber das hier ist richtig gut“, sagt Austin aus der zehnten Klasse. Eine Sache allerdings fehlt dem Schüler noch. „Hier müssen unbedingt Bilder an die Wände“, sagt er im großen Eingangsbereich. „Vielleicht auch Sitzecken, auf jeden Fall Deko“, pflichtet ihm Jeffrey aus der achten Klasse bei.
Digitalisierung an der Mülheimer Schule hat sich stark beschleunigt
„Ist das ein Hotel?“, ist Schulleiterin Claudia Büllesbach am ersten Unterrichtstag von einem ihrer Schüler gefragt worden. Für sie war das die schönste Reaktion, denn aus ihrer Sicht ist das sanierte Gebäude vor allem eins: „Eine große Wertschätzung für unsere Schüler und der Beweis, dass Schulentwicklung möglich ist.“ So schwerwiegend die Folgen des Brandes damals waren: „Einen derartigen Sprung nach vorne in Sachen Ausstattung und Digitalisierung hätte es sonst nicht gegeben“, sagt Susanne Ehmanns. Jahrelang mussten die Schüler auf Projekträume verzichten. Nun gibt es neben top ausgestatteten Physik- und Chemieräumen auch einen Video-, einen Computerraum und eine Bibliothek.
„Wenn jetzt noch die Medl das Glasfaserkabel verlegt ...“, sagt ein schelmisch grinsender Michael Rölver. Der stellvertretende Schulleiter macht keinen Hehl daraus, dass er sich in diesen Tagen durch die Gänge bewegt wie ein Kind an Weihnachten. „Früher konnte man sich nicht mal zu zweit auf den Fluren unterhalten wegen des Schalls. Jetzt kann sich eine ganze Schulklasse hier aufhalten und es ist immer noch nicht zu laut.“
Die Sanierung ist nur der Auftakt in Mülheims größtem Schulsanierungsprojekt
13,6 Millionen Euro sind geflossen, um aus einem Siebzigerjahre-Klotz ein energetisches Gebäude auf Neubau-Niveau zu machen. Es ist ein Meilenstein für die Gesamtschule Saarn, aber nur ein Stein von mehreren. Denn auf dem Schulgelände sind viele weitere Gebäude (auch des Berufskollegs), wo Putz bröckelt, Jalousien schief hängen und kaum noch Licht durch blinde Fenster fällt. Das Hauptgebäude war deshalb nur der Auftakt zum größten Schulsanierungsprojekt, das die Stadt Mülheim derzeit vor der Brust hat. Rund 50 Millionen Euro werden hier insgesamt investiert. In der kommenden Woche wird Richtfest am Neubau gefeiert, der langfristig das Gebäude an der Ernst-Tommes-Straße ersetzen soll. Auch die Sporthalle wird aktuell noch saniert.
Und dann wäre da noch ein weiteres Zukunftsthema, das auch auf größere Baustellen schließen lässt: Die Frage danach, ob der Platz reicht. Wie Michael Rölver sagt: „Es werden immer mehr Schüler. Wir könnten hier eine Sekretariatskraft beschäftigen, die nur die Anfragen für einen Schulplatz bearbeitet.“