Mülheim. Die Sorgen werden größer, das Geld knapper – eine Entwicklung, die Mülheimer Gewerkschaften aufhalten wollen. Wo sie die größten Probleme sehen.
Solidarität in Zeiten der Krise – was für viele nur eine einfache Floskel sein mag, ist für Gewerkschafter eine Selbstverständlichkeit. Ihre Arbeit beginnt dort, wo Fairness aufhört und sich Spaltung abzeichnet. Der 1. Mai ist als Tag der Arbeit traditionell der Tag, an dem der Stadtverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Öffentlichkeit für seine Belange wirbt, „sich der breiten Masse öffnet“, wie DGB-Stadtverbandsvorsitzender FIlip Fischer es formuliert.
Bedeutender denn je – so beobachte Fischer „eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die Leute werden zurückhaltender in Konsum und Teilhabe“. Krieg und Inflation schlagen aufs Gemüt, „bei den Leuten ist teilweise die nackte Not ausgebrochen“, sagt Bernt Kamin-Seggewies, stellvertretender Verdi-Geschäftsführer Ruhr-West. Die Gewerkschaft, so Kamin-Seggewies, habe seit dem aktuellen Tarifstreit im öffentlichen Dienst 70.000 neue Mitglieder verzeichnet, viele davon „Frauen, die in Teilzeit arbeiten“. Auf Umstände wie diese müsse man aufmerksam machen, nicht selten meldeten sich Angestellte „spritkrank“, weil das Geld zum Tanken nicht mehr reicht oder verzichteten auf ihren Urlaub, weil die Miete noch mal erhöht wurde.
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„Alles schon gehört“, bestätigt Peter Müller, Vorsitzender der IG Bau Mülheim-Essen-Oberhausen. „Wir müssen das Geld da holen, wo es das auch gibt und nicht denen nehmen, die ohnehin schon wenig haben.“ Zwar boome die Baubrache weiter, das allerdings zulasten der „kleinen Leute“. Aufträge gebe es zur Genüge, lange Bewilligungszeiten und steigende Kosten sorgten für immense Verzögerungen im Bau. Für die Unternehmen folge daraus vielfach eine Gewinnmaximierung, denn wo wenig Angebot herrsche, gewinne das Bestehende an Wert. „Voraussichtlich entstehen bis 2024 nur halb so viele Wohnungen wie geplant“, sagt Müller. Gerade mit Blick auf den sozialen Wohnungsbau fatal: „Die Leute verarmen und müssen große Abstriche machen.“
Am 1. Mai soll es um diese und andere Entwicklungen gehen. Dazu lädt der Gewerkschaftsbund in und um den Ringlokschuppen ein – ein vielfältiges Programm soll Jung und Alt gleichermaßen anlocken und abholen. Unter dem Motto „ungebrochen solidarisch“ ist zunächst eine Fahrrad-„Demo“ vom Kurt-Schumacher-Platz, vorbei an den Industriestätten der Stadt, zum Ringlokschuppen geplant. In der Kulturstätte zeigt um 12 Uhr das Wodo Puppenspiel „Pippi Langstrumpf“ und für die etwas älteren Besucher steht Kabarettist Florian Hacke auf der Bühne.
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Für die inhaltliche Auseinandersetzung konnte der DGB seinen ehemaligen Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann und Götz Lemler, Betriebsrat der Friedrich-Wilhelms-Hütte gewinnen. „Wir werden auf der Bühne ein moderiertes Gespräch führen“, kündigt Filip Fischer an. Anders als man es traditionell vielleicht kenne und erwarte, soll es keine Mairede geben, „denn wir wollen ins Gespräch kommen, statt nur zu reden.“ Allerhöchste Zeit, so der DGB-Stadtverbandsvorsitzende weiter: „Wir sind in einem Teufelskreis, die Leute fühlen sich ohnmächtig.“ Das mache diejenigen, die sich am Rande der Gesellschaft wähnen für populistische und rassistische Strömungen empfänglicher. „Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern.“