Mülheim. . Ein Drittel der Mülheimer Kinder unter sechs Jahren lebt in Armut. SPD-Forum will Lösungen liefern – mit Betreuungsangeboten und Bildungshilfen.

Ein Drittel der Mülheimer Kinder unter sechs Jahren lebt in Armut. Wenigstens 3179 Kinder, wenn man allein die Familien zugrunde legt, die Hartz IV beziehen. Ihre Zahl wächst deutlich, schaut man auf die prekäre Situation von Alleinerziehenden in der Ruhrstadt – zu 94 Prozent Frauen –, die in Teilzeit arbeiten müssen, weil die Kinderbetreuung fehlt oder sie diese nicht bezahlen können. Und weil Arbeitgeber oft noch immer keine Bedingungen bieten, die Familie und Beruf vereinbaren lassen.

Längst liegen die Fakten auf dem Tisch – „wir haben kein Erkenntnisproblem, alle Studien sind gemacht. Wir haben ein Handlungsproblem“, zeigt der ehemalige Sozialamtsleiter Klaus Konietzka zum SPD-Forum Soziales im Medienhaus auf. Das Forum hat Vertreter der Verwaltung, Bildungs- und soziale Träger, des Jobcenters und der Politik am Donnerstag zum dritten Mal zur Diskussion in der Sache „Kinderarmut“ eingeladen.

Eine weitere Gesamtschule kommt ins Gespräch

Handlungsansätze will es liefern. Vorab: Um zwei Dinge aber ist man an diesem Abend weitgehend herumgeschlichen; die oftmals prekären Löhne und die selten ausreichende Höhe der Hartz IV-Leistungen. Zugegeben sind das nicht unbedingt lokalpolitische Themen, doch: „Ich habe meine Kinder früher als alleinerziehende Mutter groß ziehen können – weil mein Arbeitgeber ein gutes Gehalt gezahlt hat“, merkt eine ältere Frau am Rande der Diskussion an.

Konkret wird es aber schon, ansetzen will man bei den Alleinerziehenden mit Betreuungsangeboten (Randzeiten) und Bildungshilfen – sogar eine weitere Gesamtschule wollen die Grünen ins Spiel bringen. Und mit Nachdruck will man bei den Unternehmen familientaugliche Arbeitsbedingungen einfordern. Denn schnell stellt sich heraus, dass in der Ruhrstadt wie auch in Land und Bund die Alleinerziehenden am häufigsten das Armutslos ziehen. Anke Schürmann-Rupp, Leiterin der Mülheimer Sozialagentur, zeigt das Dilemma auf. 29,5 Prozent der Alleinerziehenden haben keinen Hauptschulabschluss, mehr als 80 Prozent keine Berufsausbildung. In Folge arbeiten sie überwiegend im Niedriglohnsektor, müssen Transferleistungen beziehen.

Hilfe bietet das Jobcenter bei der Betreuung, die allerdings oft nicht genutzt wird, weil Mütter ihre Kinder in ihrer Wohngegend betreut sehen wollen.

Betreuung in begehrten Randzeiten

Einen möglichen Kompromiss wirft ein Mitarbeiter eines Dümptener Jugendzentrums in den Ring: Hier ist bereits die Betreuung in den begehrten Randzeiten möglich. Auch andere Jugendzentren haben solche Angebote. Häufig sind diese offenbar nicht bekannt, das gilt auch für Maßnahmen des Jobcenters und anderer Träger: „Hier hört man oft: Wir kooperieren.“ Hier mahnt Ex-Sozialamtsleiter Konietzka Nachbesserungen bei den Kooperationen von Verwaltung und Sozialträgern an. Noch sehr wenig funktioniere dies zielgerichtet und verbindlich.

Deutlich übt Anke Schürmann-Rupp Kritik an den Arbeitgebern. „Unternehmen müssen sich öffnen, sonst funktionieren auch unsere Maßnahmen nicht“, mahnt die Jobcenter-Leiterin, selbst alleinerziehend, mehr mobiles Arbeiten, Homeworking und so genannte Familienzimmer an, die einen Arbeitsplatz mit Spielmöglichkeiten für Kinder bieten. „Kann man das Thema an die Wirtschaftsförderung herantragen?“, bringt Konietzka ein.

Im nächsten Forum will man Anträge an Land, Bund und die Kommune formulieren, um Kinderarmut in der Stadt zu bekämpfen.