Mülheim. Der Apotheken-Lieferdienst „Aporando“ aus Mülheim liefert verschreibungspflichtige Medikamente bis zur Haustür. So funktioniert die Bestellung.

Schmerztabletten und Antibiotika statt Pizza und Bier: Mülheimerinnen und Mülheimer können sich nicht mehr nur ihr Abendessen oder ihren Einkauf im Supermarkt an die Haustür liefern lassen. Auch Medikamente können Bürgerinnen und Bürger nun per Smartphone bestellen. Der Mülheimer Arznei-Bringdienst Aporando ist Anfang des Jahres in Mülheim und Essen gestartet – und plant eine großflächige Expansion in der Region.

Über die Aporando-App können Patientinnen und Patienten Medikamente bei ihrer Apotheke vor Ort bestellen. Ein Fahrer oder eine Fahrerin des Start-ups liefert diese dann nach eigenen Angaben für 1,80 Euro und binnen 15 Minuten nach Hause. „Die Menschen werden immer internetaffiner und bequemer. Es gibt einen Trend zu nachhaltigen und schnellen Lieferungen“, sagt der Mülheimer Bünyamin Kirlak, einer der Mitgründer des Start-ups.

„Die Belieferung mit Arzneimitteln nicht vergleichbar mit der Auslieferung von Pizza“

Bei der Bestellung von verschreibungspflichtigen Arzneien müssen die Kundinnen und Kunden zunächst ihr Rezept abfotografieren oder einscannen und in der App hochladen. Um eine schnelle Lieferung zu garantieren, überprüfen Kirlak und sein Team dann, welche der Apotheken, mit denen sie zusammenarbeiten, das Medikament auf Vorrat hat. Anschließend holt ein Fahrrad-Kurier das Rezept an der Haustür ab, reicht es in der Apotheke ein – und fährt dann samt Medikament zurück zum Kunden oder zur Kundin.

Dabei muss die Apotheke sicherstellen, dass die Patientinnen oder Patienten trotzdem über die Arznei aufgeklärt werden – ob verschreibungspflichtig oder nicht. Das schreibt das Gesetz vor. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, zeigt sich daher skeptisch gegenüber den neuen Dienstleistern: „Die Belieferung mit Arzneimitteln ist überhaupt nicht vergleichbar mit der Auslieferung von Pizza oder Nudeln. Ohne persönliche Beratung geht da nichts.“

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Neue Apotheken-Lieferdienste setzen auf E-Rezept

Viele Start-ups sehen im Lieferangebot für Apotheken jedoch Potenzial. „First-A“, „Kurando“ und „Mayd“ liefern etwa bereits in Nordrhein-Westfalen. Ihr Geld verdienen sie entweder mit Gebühren pro Lieferung oder lassen sich wie Mayd ihre Dienste von den Apotheken bezahlen.

Die Lieferdienste bringen bisher nur rezeptfreie Arzneien – im Gegensatz zu Aporando. Das Mülheimer Start-up ist nach eigenen Angaben deutschlandweit der einzige Anbieter, der auch verschreibungspflichtige Medikamente liefert. Die anderen Anbieter setzen auf eine geplante Neuerung im deutschen Gesundheitssystem: die Einführung des E-Rezeptes, das den Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten erleichtert.

Mit dem E-Rezept soll die Rezeptübergabe zwischen Arzt und Apotheke künftig automatisch online ablaufen. Die Patientinnen und Patienten müssten ihre Rezepte nicht mehr in die Apotheke tragen oder per Post an einen Apothekenversand schicken.

Der Mülheimer Aporando-Gründer Bünyamin Kirlak ist sich sicher, dass lokale Apotheken in Zukunft zunehmend auf externe Lieferdienste setzen werden.
Der Mülheimer Aporando-Gründer Bünyamin Kirlak ist sich sicher, dass lokale Apotheken in Zukunft zunehmend auf externe Lieferdienste setzen werden. © Aporando | Julius Gnoth

Digitalisierung: Einführung des E-Rezepts verzögert sich

Den ursprünglich für den 1. Januar 2022 geplanten Start des E-Rezepts hat das zuständige Bundesgesundheitsministerium allerdings „auf unbestimmte Zeit“ verschoben. Geräte und Software sind laut Ministerium noch nicht flächendeckend verfügbar. Zudem müsse in vielen Arztpraxen und Apotheken noch das Personal geschult werden.

„Aufgrund der schlechten Erfahrungen, was Digitalisierung in Deutschland angeht, haben wir schon damit gerechnet, dass die Einführung des E-Rezepts länger dauern wird als geplant“, sagt Kirlak. Mit der Einführung des E-Rezepts müssten seine Kuriere in Zukunft nicht mehr erst das Rezept vom Kunden abholen, sondern könnten direkt zur Apotheke fahren. „Die Lieferung wird dann noch einfacher.“

Apotheken-Lieferdienste als „Überlebensmodell der lokalen Apotheke“

Aporando & Co. stehen allerdings noch vor weiteren Herausforderungen: So haben laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände bisher nur rund 3000 der 18.000 Apotheken eine Versanderlaubnis, dürfen also mit Hilfe externer Dienstleister Medikamente verschicken.

Die meisten Apotheken setzen hingegen ausschließlich auf interne Botendienste. Laut Thomas Preis finden deutschlandweit rund 300.000 Botendienste pro Tag statt, „in der ersten Welle der Pandemie im März 2020 sogar 450.000“. Er ist dennoch sicher, dass die persönliche Beratung in der Apotheke vor allem für Ältere „nicht zu ersetzen“ sei.

Doch mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Trend zum Online-Handel bieten Lieferdienste für Apotheken auch eine Chance, ist Kirlak überzeugt. „Für die Apotheken vor Ort wird die Situation immer schwieriger. Die großen Online-Apotheken machen ihnen schon seit Jahren Probleme.“ Auch David Matusiewicz, der an der Hochschule für Ökonomie und Management in Essen lehrt, sieht die Lieferdienste als „Überlebensmodell der lokalen Apotheken“ und „als Erweiterung ihres Geschäftsmodells“.