Mülheim/Moshi. Maria Dhonau aus Mülheim ist nach Tansania gereist, um den Kilimandscharo zu besteigen. An ihrer Seite: Enkelin Kaya Ullrich. Ein Reisebericht.

Seltsam leicht, fast schon schwindelig ist das Gefühl im Kopf, während sich der Körper – gerade die Beine – schwerfällig und erschöpft anfühlen. „Wie betrunken“, erinnert sich Maria Dhonau an den vierten Tag ihres Kilimandscharo-Aufstiegs, den die 85-Jährige gemeinsam mit ihrer Enkeltochter Kaya Ullrich (23) antritt. Zu diesem Zeitpunkt hat das Oma-Enkelin-Gespann bereits knapp 5000 Höhenmeter und damit den Großteil des Aufstiegs hinter sich. Heute, rund anderthalb Monate später, beschreiben die beiden ihre Reise nach Tansania als eines der wohl prägendsten Erlebnisse ihrer Leben – ganz ungeachtet des Alters.

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Maria Dhonau schwärmt bis heute von ihrer Reise nach Tansania, die sie mit ihrer Enkelin Kaya unternommen hat.
Maria Dhonau schwärmt bis heute von ihrer Reise nach Tansania, die sie mit ihrer Enkelin Kaya unternommen hat. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Was die beiden in Tansania erwarten würde, darauf konnte sie kein Reiseführer, kein Erfahrungsbericht und keine noch so lebhafte Erzählung vorbereiten; da sind sich die beiden einig. „Auf dem Flug habe ich ein Buch gelesen von jemandem, der den Kilimandscharo bestiegen und ganz viele Tipps gegeben hat“, erzählt Kaya Ulrich, die in Düsseldorf Psychologie studiert. Zeit zum Lesen hatte sie auf dem rund zehnstündigen Flug jedenfalls genug. „Aber am Ende war es dann alles irgendwie so wie beschrieben und doch ganz anders.“

Mülheimerin und ihre Enkelin reisten über zehn Stunden nach Tansania

Zunächst sind es Horrorgeschichten über die Bergkrankheit, die den beiden Frauen Respekt, wenn nicht sogar ein wenig Angst kurz vor Beginn ihres Aufstiegs machen. In ihrem Hotel in Moshi, am Südhang des Kilimandscharo gelegen, sprechen sie mit Rückkehrern. Menschen, die den Marsch aus gesundheitlichen Gründen abbrechen mussten. „Da hatte ich dann schon etwas Muffensausen“, gesteht Kaya Ullrich. „Oma wirkte aber richtig entspannt, das fand ich krass.“ Das Motto der in Mülheim und auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannten „Lady Caravan“, die als Unternehmerin seit Jahrzehnten erfolgreich Wohnwagen und Reisemobile verkauft und von der Kölner Straße aus ein Imperium aufgebaut hat, war schon seit jeher: „Ich kann alles schaffen, was ich will.“

Die herzliche Art der Einheimischen hat Maria Dhonau und Kaya Ullrich sehr imponiert. „Das unterscheidet sich komplett von der Mentalität hier in Europa.“
Die herzliche Art der Einheimischen hat Maria Dhonau und Kaya Ullrich sehr imponiert. „Das unterscheidet sich komplett von der Mentalität hier in Europa.“ © Privat | Ullrich

Trotz guter Vorbereitung: Mülheimerin ist kurz vor Aufstieg aufgeregt

Kurz vor Start packt dann aber auch sie die Aufregung, „aber nicht aus Angst“, sagt Maria Dhonau und schmunzelt. Die ersten Tage des Aufstiegs verlaufen noch vergleichsweise entspannt. Aber mit den Höhenmetern steigen die Erschöpfung und auch die Anstrengung. Die Luft wird dünner, die Nächte kürzer. „Irgendwann wusste man gar nicht mehr, ob man richtig schläft oder nur döst“, erinnert sich Kaya Ullrich zurück. Die täglichen Märsche sind von Stationen fürs Essen und Schlafen unterbrochen, eine willkommene Chance zur Erholung. „Wie wir umsorgt worden sind, war einfach unglaublich“, schwärmt Maria Dhonau. „Diese herzliche Art und ehrliche Gastfreundschaft habe ich so noch nie erlebt.“

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In Zelten übernachteten und rasteten Maria Dhonau und Kaya Ullrich während des Aufstiegs.
In Zelten übernachteten und rasteten Maria Dhonau und Kaya Ullrich während des Aufstiegs. © Privat | Dhonau

Aller guten Stimmung zum Trotz: „Irgendwann wurde es richtig anstrengend“, sagt Kaya Ullrich. „Nachts war es so kalt, dass man nicht gut schlafen konnte, und der Sauerstoffmangel hat uns ausgelaugt.“ Auf knapp 5000 Höhenmetern zieht Oma Maria dann die Reißleine. „Es war eine Entscheidung aus Vernunft“, sagt die 85-Jährige. „Mein Sohn hat mir vorher gesagt: Zurück kommst du immer, zur Not auch in einer Kiste. Das ist hängen geblieben.“ Dass Enkeltochter Kaya den letzten Abschnitt auch ohne sie gehen soll, steht für Maria Dhonau außer Frage. „Kaya ist stark, ich wusste, dass sie das schafft.“

Mülheimerin (85) bricht Aufstieg ab, Enkeltochter läuft weiter

Der letzte Abschnitt bis zum Gipfel ist von eisigen Temperaturen geprägt, nachts geht es los, um möglichst am Morgen den Gipfel zu erklimmen. „Ich hatte sieben Pullis und drei Jacken an. Der Wind war so kalt, dass ich dachte, mir friert die Birne weg“, erzählt Kaya Ullrich. Die Sauerstoffsättigung liegt auf diese Höhe bei etwa 50 Prozent. „Ich hatte das Gefühl, ich bin wie in Trance und hangel mich durch Sekundenschlaf.“ Mit Tunnelblick schreitet die 23-Jährige voran, vor sich nur die eigenen Füße und den Guide im Blick. Nach mehreren Stunden beschwerlichen Aufstiegs dann um 6.30 Uhr die Ankunft am Gipfel. „Es war überwältigend, ich habe geweint wie ein Baby.“ Durch eine dichte Nebeldecke am Horizont schiebt sich die Sonne als glühend-warmer orangefarbener Ball den Himmel hinauf. „Diesen Anblick werde ich nie vergessen.“

Kaya Ullrich hat es bis auf den Gipfel des Kilimandscharo geschafft. Dort konnte sie den Sonnenaufgang beobachten.
Kaya Ullrich hat es bis auf den Gipfel des Kilimandscharo geschafft. Dort konnte sie den Sonnenaufgang beobachten. © Privat | Ullrich

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Nach zehn Minuten auf dem Gipfel des Kilimandscharos folgt der Abstieg auf knapp 4000 Meter. Dort nimmt Maria Dhonau ihre Enkelin in Empfang, beide brechen in Tränen aus. „Ich war so wahnsinnig stolz auf sie und bin es immer noch“, sagt die 85-Jährige. „Oma zu sehen war so ein befreiendes Gefühl, ich war so glücklich, aber auch so so so kaputt“, sagt Kaya Ullrich. Für die beiden geht es den restlichen Weg zurück nach Moshi im Auto, über unbefestigte Wege und durch den Regenwald – „die Fahrt unseres Lebens.“

Dass sie den Aufstieg nicht ganz bis nach oben geschafft hat, ärgert Maria Dhonau nicht, es spornt sie an: „Ich bin mir sicher, dass ich nicht zum letzten Mal dort war.“ Eigentlich, erzählt sie mit einer Kaffeetasse in der Hand und längst wieder im heimischen Mülheim angekommen, habe sie die Reise nach Tansania und den Aufstieg zum Kilimandscharo ganz alleine machen wollen. Bei einem Restaurant-Besuch kommt es anders. „Als ich meinem Sohn und Kaya davon erzählt habe, wollte sie unbedingt mit“, sagt die 85-Jährige und lächelt, fast schon ein bisschen stolz ob des Eifers ihrer Enkelin. „’Oma, nimm mich mit’, hat sie gesagt und ich habe keinen Moment gezögert.“ Unter ihren fünf Enkelkindern ist Kaya das älteste – „eine besondere Bindung“, sagt Maria Dhonau. „Diese Reise hat uns noch mehr zusammengeschweißt“, sagt Kaya Ullrich.