Mülheim. . Geschäftsleute der Caravanmeile an der B 1 in Mülheim berichten von fortlaufend guten Geschäften. Maria Dhonau ist das Urgestein der Händler.
Freiheit?! Für Maria Dhonau ist der Caravan und das Reisemobil immer noch der Inbegriff für unabhängiges Weltenbummeln. Kein Wunder, die Mülheimer Geschäftsfrau hat den Urknall der Bewegung in den 60er Jahren selbst miterlebt und seitdem mitgestaltet. Bis heute hat die 80-Jährige das wohl dienstälteste Caravan-Geschäft am Ort. Doch gilt der Drang nach Unabhängigkeit offenbar mehr denn je.
Denn nicht nur ihr Familienbetrieb an der Kölner Straße boomt derzeit, auch der Styrumer Ramazan Sönmez hat expandiert und zog auf die Caravan-Meile zwischen Saarn und Selbeck. 250 Fahrzeuge stehen auf 15 000 Quadratmetern – früher auf seiner Fläche in Styrum war es ein Zehntel davon. „Es brummt jedes Jahr mehr, wie eine Sucht“, sagt der 33-Jährige im schnittigen Anzug. Und schon klingelt sein Handy wieder – eine Anfrage.
Hersteller kommen der Nachfrage kaum noch hinterher
Die „Einstiegsdroge“ ist häufig der Verleih. Zwischen 79 Euro in der Nebensaison und 159 zur Hauptsaison kann man rechnen. Danach möchten viele einen eigenen Wagen haben. Von den Wachstumsraten der fahrenden Wohnzimmer können manche Branchen wohl nur träumen. 56 Prozent an Neukunden kann Maria Dhonau verzeichnen, „der Trend hält ungebrochen“. Und von anderen Händlern auf der Meile hört man: „Die Hersteller kommen der Nachfrage kaum noch hinterher.“
Dabei sind die Kaufpreise nicht einmal günstig. Gut 50 000 Euro muss man für ein neues Einsteigermodell hinblättern, wer weniger in die Hand nimmt, spart oft am Material oder muss ein zehn bis 20 Jahre altes Modell in Kauf nehmen. Ende der 70er Jahre kostete ein einfacher Wohnwagen-Anhänger noch unter 10 000 D-Mark, weiß Dhonau. Im Jeansanzug hat die Geschäftsfrau damals ihre Wohnwagen verkauft – bar auf die Hand, „abends hatte ich 275 000 D-Mark aus allen Taschen herausgeholt.“ 1979 verkaufte sie 997 Wagen in nur einem Jahr.
200 000 kostet das Luxusmodell von Ramazan Sönmez
Für gute Reisemobile legt man heute im Durchschnitt 80 000 Euro und mehr hin. 200 000 kostet das Luxusmodell von Ramazan Sönmez, ein Liner von Le Voyageur mit vielem, wenn nicht allem Schnickschnack auf allerkleinstem Raum: vom handgenähten Ledersitz bis zum Sonnenkollektor und zur Konvektionsheizung. 50 Prozent macht er mit neuen, die andere Umsatzhälfte mit gebrauchten Fahrzeugen. Den meisten Käufern ist aber anderes als Luxus wichtiger: „Sie wollen wissen, ob das Mobil auch die Euro-Norm 6 erfüllt.“ Denn sonst ist an der Umweltzone und in Innenstädten demnächst vielleicht Endstation.
Warum die Deutschen angesichts von Billigflügen und günstigem Pauschaltourismus so spitz auf das komprimierte Leben im Bettenbrummer sind? „Man hat einen erhabenen Blick auf die Straße, ist unabhängig, nah an der Natur, kann halten, wo man will – und hat immer sein eigenes Bett dabei“, klappt Dhonau dabei ein zweites Doppelbett über dem Fahrersitz des Hymer Exsis I 594 herunter – „falls der Partner mal lauter schläft“.
Reisebus oder eine Ferienwohnung?
Günter Weiand und seine Frau stehen just vor der Gretchenfrage: „Reisebus oder eine Ferienwohnung? Wir überlegen noch“, sagt der Rentner. Denn Bekannte schwärmen vom Urlaub auf der Straße. Auf der einen Seite steht für ihn die Freiheit des Reisemobils, „aber wenn ich nicht gerade einen Sprinter habe, muss ich auch planen, wo ich den abstellen kann“. Vor vielen Jahren hatten die Weiands einen Wohnwagen, „das war schön mit den Kindern, aber ob das heute noch so wäre oder nur eine schöne Erinnerung?“
Für Dhonau ist das keine Frage. „Maria im Cara-wahn“ hängt als Auszeichnung neben vielen Ehrungen an ihrer Bürowand, alle 57 Caravan-Salons – das ist die Weltmesse in Düsseldorf – hat sie mitgemacht. Seit also die Betten laufen lernten.
Sie könnte ein Buch über die Branche schreiben – wenn sie es nicht längst vor Jahren gemacht hätte: „Mein Leben fürs Caravaning.“
Städten fehlt es oft an Caravan-Infrastruktur
Ganz unbeschwert ist das Leben für Caravan-Freunde nicht immer, obwohl hier ein zu hebender Tourismus-Schatz liegt: Die Campingplätze haben sich auf Familien mit Kindern eingeschossen, sagt die Expertin. Wer aber mit dem Reisemobil unterwegs ist, besuche meist die Städte. 100 bis 150 Euro gebe er dort an einem Tag für Essen, Museumsbesuche und mehr aus. Und doch mangelt es in vielen Städten an ausgewiesenen Stellplätzen und Entsorgungsstationen – gerade auch Mülheim vernachlässige diesen Faktor, kritisiert Dhonau. Auf ihrem Grundstück hat sie eine Entsorgungsstelle einrichten können.
Nur eine Entsorgungsstelle in Mülheim
Dhonaus Entsorgungsstelle an der Kölner Straße 35 ist die einzige in der Stadt, bestätigt eine Mitarbeiterin der MST. Fünf Stellplätze gibt es an der Mintarder Straße, wobei es sich hierbei nicht um vollwertige Stellplätze handelt, hier können Caravan-Mobilisten nur kostenlos parken.
Darüber hinaus gibt es noch zwei kostenpflichtige Stellplätze am Haus Kron an der Mintarder Straße 210 sowie am Freizeitdomizil Entenfangsee am Entenfang 7. Dhonau: „Wir haben uns seit Jahren um mehr Flächen und Entsorgungsstellen bei der Stadt bemüht. Leider werden wir nicht gehört oder es wird sogar abgelehnt.“