Mülheim. In den Vorjahren waren Kurzarbeit und Stellenabbau bedrohliche Themen bei Mülheims Rohrhersteller Europipe. Wie der Betrieb heute aufgestellt ist.

Großrohr-Produzent Europipe in Mülheim sieht sich derzeit gut aufgestellt. Dem Werk komme die gestiegene Nachfrage nach Flüssiggas zugute, für das Europipe-Rohre als Transportmittel infrage kommen. Und auch Vallourec-Mitarbeiter profitieren von der günstigen Auftragslage.

Eine gute Auslastung verzeichnet man nach Angaben eines Unternehmenssprechers aktuell im Mülheimer Europipe-Werk. Schreckensszenarien wie Kurzarbeit oder Stellenabbau, die die Belegschaft in den Vorjahren aufgrund von Auslastungsproblemen umtrieben, sind derzeit kein Thema.

Bei Europipe in Mülheim ist weiteres Fachpersonal neu eingestellt worden

Um dem Auftragseingang gerecht zu werden, fährt man laut Firmensprecher seit Oktober vergangenen Jahres im Zwei-Schicht-Betrieb und hat in einigen Bereichen Personal neu eingestellt. Angesichts des Fachkräftemangels kein leichtes Unterfangen, räumt man auch im Rohrwerk ein.

Dass derzeit Hunderte Vallourec-Beschäftigte, deren Arbeitsstätte wegfällt, wenn das Werk Ende des Jahres geschlossen wird, händeringend nach neuen Jobs suchen, kommt Europipe zugute. Eine Reihe an ehemals bei Vallourec Beschäftigten sei inzwischen bei dem Großrohr-Produzenten angestellt, bestätigt der Unternehmenssprecher, ohne eine konkrete Anzahl nennen zu wollen.

Vallourec-Mitarbeiter finden neue Jobs bei Europipe in Mülheim

Zur Qualifikation der Vallourec-Belegschaft sagt der Europipe-Vertreter: „Die Herstellungsprozesse sind zwar recht unterschiedlich – Vallourec macht kleine Rohre und wir große – aber die Grundvoraussetzungen sind da.“ Insgesamt zähle man bei Europipe aktuell knapp 590 Mitarbeitende, inklusive eines nicht näher bezifferten Anteils an Leihkräften.

Riesige Rohre fertigt die Belegschaft des Europipe-Werkes in Mülheim. Derzeit wird für Großaufträge in Mexiko und Australien produziert.
Riesige Rohre fertigt die Belegschaft des Europipe-Werkes in Mülheim. Derzeit wird für Großaufträge in Mexiko und Australien produziert. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Aktuell arbeite die Europipe-Belegschaft an Großaufträgen aus Mexiko und Australien. In Mexiko wird in Zusammenarbeit mit dem dortigen staatlichen Stromversorger eine neue Offshore-Gasleitung zur Sicherung der Stromversorgung im Südosten des Landes realisiert. Hinter der 715 Kilometer langen Tiefseeleitung steckt eine Investition in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar zur Versorgung von Millionen Mexikanern mit Energie. Rund die Hälfte der Dickwand-Pipelinerohre kommt aus Mülheim. Der Auftrag beinhaltet die Lieferung von 265.000 Tonnen Rohre. Die Europipe-Tochtergesellschaft Mülheim Pipecoatings übernimmt Außenbeschichtung und Innenauskleidung.

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Nach Australien liefert Europipe 300.000 Tonnen Großrohre für die Scarborough Gas Pipeline im Westen des Landes. Eine neue 430 Kilometer lange Pipeline soll eine Offshore-Anlage mit einer neuen Flüssiggasanlage auf der Burrup-Halbinsel verbinden. In der zweiten Jahreshälfte 2023 sind zudem Produktion und Lieferung von 44.000 Tonnen Rohre nach Norwegen für das Yggdrasil-Feld, das sich in einer Wassertiefe von rund 110 Metern und 135 Kilometer westlich der Hafenstadt Bergen befindet, geplant.

Durch den Ukraine-Krieg steigt Bedarf an Flüssiggas – davon profitiert auch Europipe

Generell seien am Markt deutlich mehr Projekte zu verzeichnen, die auf den gestiegenen Bedarf an Flüssiggas reagierten, so der Unternehmenssprecher. Auslöser dafür sei der Krieg in der Ukraine, der „veränderte Infrastrukturplanungen im Gasbereich notwendig mache, die sich für Europipe in einem stark verbesserten Marktumfeld auswirken“. Der Europipe-Vertreter verdeutlicht: „Es werden verstärkt Terminals gebaut, für die Verbindungen zum Land aus Rohren nötig werden.“ Man erhoffe sich, durch derartige Projekte weitere Aufträge akquirieren zu können.

Europipe gilt als Weltmarktführer in der Herstellung von geschweißten Großrohren aus Stahl. Gesellschafter der Europipe GmbH sind zu je 50 Prozent die Salzgitter Mannesmann GmbH und die AG der Dillinger Hüttenwerke.