Mülheim. Patricia Eickelmann wollte nie mit Kindern arbeiten und fand als Kitahelferin eine neue Berufung. Warum sie trotzdem um ihren Job bangen muss.
Im Foyer des Familienzentrums Sonnenschein ist noch Morgenkreis, in der Küche nebenan wird schon das Mittagessen vorbereitet. Heute gibt es als Nachtisch bunte Obstteller mit Äpfeln und Pflaumen. Zum Frühstück gab es ein Buffet mit Brot, Aufstrich und Gemüsestiften zum Knabbern. Das alles braucht Zeit. Früher haben die Erzieherinnen der evangelischen Kita Sonnenschein diese Arbeiten erledigt, haben Zutaten für das Frühstück eingekauft, alle Mahlzeiten angerichtet, haben Tische gedeckt und die Küche in Schuss gehalten. Seit September 2020 gibt es dafür Patricia Eickelmann. Mit bunter Schürze mit großem P darauf steht sie in der Küche und verbreitet selbst beim Obstschneiden gute Laune.
Sie ist eine sogenannte Kitahelferin. Das Programm ist eine Reaktion des Landes NRW auf den zunehmenden Fachkräftemangel in den Kitas und soll die Erzieherinnen entlasten. Die 30 Arbeitsstunden, die die Mülheimerin in der Kita arbeitet, werden vom Land übernommen. Viele Hoffnungen sind an das Programm geknüpft – unter anderem auch die, dass sich die Kitahelfer per Quereinstieg für einen pädagogischen Beruf entscheiden und langfristig selbst zu Fachkräften in den Kitas werden. Geht diese Rechnung auf?
Von der Seniorenhilfe in die Kita
Im Falle von Patricia Eickelmann hat der Job als Kitahelferin einiges in Bewegung gebracht. Denn tatsächlich hätte sich die 49-Jährige niemals einen Job in der Kita vorstellen können. „Mit Kindern arbeiten? Nichts für mich“, sagt sie und lacht herzhaft. Eigentlich war die Mutter eines 17-jährigen Sohns in der Seniorenhilfe tätig. Doch dann setzte sie ein Unfall beim Kampfsport außer Gefecht. „Ich war ein Jahr lang mit kaputtem Knie zu Hause. Viel Zeit, um zu überlegen, was ich in Zukunft machen möchte.“
Kita in Mülheim – lesen Sie auch:
- Neues Anmeldeverfahren in Mülheimer Kitas
- Essen in Mülheims Kitas und Schulen: So viel zahlen Eltern
- Neue Standorte ermöglichen Mülheim ab 22/23 neue Kitaplätze
Durch die evangelische Gemeinde sei sie auf das Kitahelfer-Programm aufmerksam geworden und die Frau, die eigentlich nicht mit Kindern arbeiten wollte, dachte: „Küchendienst in der Kita? Das kann man mal machen.“ Hinzu kamen umfassende Hygienemaßnahmen, die die Pandemie mit sich brachte. So kümmerte sich die Mülheimerin etwa auch darum, in regelmäßigen Abständen Waschplätze und Türklinken zu desinfizieren.
Mülheimerin weiß noch nicht, ob es weitergeht
Natürlich kam alles ganz anders. Die Landesförderung wurde immer weiter verlängert und Patricia Eickelmann kannte ruckzuck alle 39 Kinder beim Namen. „Die Kinder geben einem so viel zurück und ich gebe auch mein Herzblut rein“, sagt sie. Auch wenn sie es selbst nicht gedacht hätte, aber eigentlich will sie gar nicht mehr aus der Kita weg. Doch aktuell ist noch nicht klar, ob das Kitahelfer-Programm nach dem Sommer fortgesetzt wird. „Ich erfahre vermutlich erst im Juli, ob es im August weitergeht“, sagt sie.
Mit ihr zittert Karin Rüdiger. Sie leitet parallel zwei evangelische Kitas in Mülheim, darunter auch das Familienzentrum Sonnenschein. Vier Vollzeit-Erzieherinnen und zwei Teilzeitkräfte kümmern sich dort um die 39 Kinder. Sie sagt: „Unsere Kitahelfer sind unsere Schätze. Es bleibt wirklich effektiv mehr Zeit für die pädagogische Arbeit.“ Die Kita-Leiterin schätzt Patricia Eickelmann auch deshalb für ihren Einsatz, weil sie trotz des jährlichen Zitterns erhalten bleibt. „Es ist nicht leicht, zuverlässige Kräfte zu finden, wenn nicht klar ist, wie lange das Programm fortgesetzt wird.“ Auch die Erzieherin und stellvertretende Leiterin Christa Zinßer sagt: „Das ist eine ganz große Unterstützung. Ich weiß heute manchmal gar nicht mehr, wie wir das früher alles hingekriegt haben.“
Von der Kitahelferin zur Erzieherin – ist das möglich?
Gefragt ist die Kitahelferin auch bei Ausflügen, als Essensbegleitung und als Unterstützung in den Gruppen, wenn mal eine Erzieherin krank ist. Nur pädagogische Arbeit darf Patricia Eickelmann ohne Ausbildung nicht leisten. Noch nicht, denn die Mülheimerin überlegt tatsächlich, den Quereinstieg in den Erzieherinnen-Beruf zu wagen. Eine berufsbegleitende Schulung zur Assistenzkraft im nichtpädagogischen Bereich hat sie bereits gemacht. Dazu gehörte etwa ein Erste-Hilfe-Kurs am Kind. Mehr Geld oder bessere Chancen bekommt sie durch die freiwillige Fortbildung allerdings nicht.
Nun denkt Patricia Eickelmann darüber nach, berufsbegleitend eine pädagogische Ausbildung draufzusatteln. Drei Jahre müsste sie dann noch einmal büffeln und – wie sie sagt – „mit den jungen Mädchen in der Schule sitzen“. Soll sie das wirklich wagen? Wenn man ihr so zuhört, kann man den Eindruck gewinnen, dass es ein großer Schritt wäre – aber auch eine echte Herzensangelegenheit.