Mülheim. Bilanz zum Ruhrtalradweg zeigt, wie millionenstark der Wirtschaftsfaktor Rad ist – und wie er an Mülheim vorbeifährt. Wo Potenzial zu heben ist.

Wenn spätestens jetzt im März wieder die Fahrradsaison beginnt, füllen sich auch die Mülheimer „Pisten“ mit Zweirädern. Mitten durch die Ruhrstadt führt jedoch nicht nur der RS1 für Alltagspendler, sondern auch der Ruhrtalradweg. Doch bisher wird die „Touri-Route“ in Mülheim unterschätzt. Die Bilanz zum Wirtschaftsfaktor Ruhrtalradweg zeigt deutlich, wie groß die Unterschiede auf den verschiedenen Abschnitten sind – und was der Stadt von der Kette springt.

Denn der Bilanz zufolge nutzen zwar durchschnittlich gut 60 Prozent der befragten Nutzer die 240 Kilometer lange Strecke als Weg in ihrem Alltag und nur etwas mehr als ein Viertel für touristische Radreisen. Im Mülheimer Abschnitt – das heißt von Kettwig bis Oberhausen – ist der Alltagsnutzen sogar deutlich höher: 76 Prozent.

Wo Mülheim ein riesiges Einnahmepotenzial verpasst

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Doch dieser durchaus positive Mülheimer „Nutzen“ hat eine Kehrseite: 16.055 Radfahrende hat man im Zeitraum Juni bis Oktober 2022 in diesem Abschnitt gezählt. Die letzte Etappe des beliebten Radwegs hat damit jedoch vergleichsweise die geringste Zahl an Nutzern. Dagegen platzt die Strecke um Schwerte förmlich aus den Nähten: 150.083 Menschen in fünf Monaten. Da ist noch viel Potenzial für den Mülheimer Tourismus und die Alltagspendler zu heben. Insgesamt waren in dieser Zeit übrigens 403.962 Radfahrende auf der gesamten Strecke.

Ein Blick auf die Details verrät: 19,2 Prozent der Befragten nutzen den Ruhrtalradweg zum Regioradeln, 46,2 zum Radwandern, 34,5 Prozent für Tagesausflüge. Den Radtourismus zu stärken, würde sich für Mülheim also lohnen. Immerhin ist der Ruhrtalradweg kein kleiner Wirtschaftsfaktor auf der gesamten Strecke. Wenn er auch mit 39,4 Millionen Euro Bruttoumsatz hinter vergleichbaren Strecken in Niedersachsen und dem Allgäu zurückstehen muss. Doch in den vergangenen sechs Jahren hat er noch einmal rund zehn Millionen Euro aufgesattelt. Läuft also, nur eben weniger in Mülheim.

Am stärksten mit rund 55 Prozent Anteil an den Radtouristen profitiert insgesamt das Gastgewerbe, also Beherbergung und Restaurants, rund 32 Prozent gehen in die Dienstleistungen wie den Nahverkehr oder Eintrittsgebühren. Und das spürt man sogar auch auf der Mülheimer Strecke, wo es gute Vorbilder gibt.

Das Franky’s am Mintarder Wasserbahnhof profitiert nicht nur von den Freizeit-Radlern, sondern auch von Übernachtungen der radreisenden Touristen.
Das Franky’s am Mintarder Wasserbahnhof profitiert nicht nur von den Freizeit-Radlern, sondern auch von Übernachtungen der radreisenden Touristen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Franky’s: Radtourismus macht im Sommer rund 60 Prozent aus

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„Wir merken den Radtourismus durch den Ruhrtalradweg absolut“, bestätigt Richard Reichenbach von Franky’s Wasserbahnhof in Mintard. Der liegt ein paar Meter abseits von der Route, doch schätzungsweise 60 Prozent sollen die Buchungen in den Sommermonaten von Mai bis September hier ausmachen: „Es ist ein planbarer Tourismus“, verzeichnet Reichenbach. Das Franky’s sei eine der letztmöglichen, radwegnahen Unterkünfte, bevor die Radreisenden dann in Duisburg oft wieder mit der Bahn zum Heimatort zurückfahren. Und: Die überwiegende Mehrheit komme inzwischen mit dem E-Bike, sieht Reichenbach mit Blick auf den Hof.

„Es sind viele Best-Ager, gut situiert, kommunikativ“, bestätigt Miriam Schmalhaus vom Wassermuseum Aquarius. Das liegt sehr günstig direkt an der Route und freut sich über die überregionale Beachtung. Denn Radler strampeln als Pärchen oder in Gruppen vorbei aus Stuttgart, dem Frankfurter Raum, dem Osten und aus den Niederlanden.

Die Sehenswürdigkeiten schätzen Radreisende entlang des Ruhrtalradweges am meisten. Auch Mülheim hat davon jede Menge zu bieten, wie der Blick von der „Blauen Brücke“ zeigt.
Die Sehenswürdigkeiten schätzen Radreisende entlang des Ruhrtalradweges am meisten. Auch Mülheim hat davon jede Menge zu bieten, wie der Blick von der „Blauen Brücke“ zeigt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Auf der Suche nach Natur und Industriekultur in Mülheim

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Es seien Individualreisende oder Vereine auf der Suche nach Natur, Entdeckungen und dem Charme der Industriekultur. Von allem hätte auch Mülheim satt zu bieten.

Das Schloss und der Wasserturm fallen auf, und so wollen viele direkt rauf: den sagenhaften Blick auf die Ruhr genießen, ein Selfie schießen, berichtet Schmalhaus. Dafür hat das Aquarius sogar clever einen eigenen Tarif angesetzt: halber Preis – natürlich ohne Ausstellung. Dann füllt man die Flasche mit Ruhrwasser auf, mancher trinkt im Sommer noch ein Radler am Stand der Pia, nutzt die kostenfreie Toilette als freundlichen Service vor der Mündung in den Rhein.

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Profitieren von den entdeckungsfreudigen Touristen könnten allerdings viel mehr Mülheimer Einrichtungen, wenn der Radweg in Teilen einen anderen Weg nähme: Zum Beispiel vorbei an der Tomate, dem Haus Ruhrnatur und dem Wasserbahnhof – wenn er denn wieder mit einer Gastro eröffnen würde. Doch statt über das Kahlenbergwehr und den Ruhrinselweg zu führen, biegt dieser bereits in den Ruhrauen ab über den Kassenberg. Und lässt somit interessante Einrichtungen in der Stadt sowie die Innenstadt selbst rechts liegen.

Ruhrtalradweg genießt guten Ruf

Der Ruhrtalradweg genießt insgesamt einen guten Ruf: Radler schätzen in erster Linie das Landschaftserlebnis (4,1 von 5 Punkten). Die Unterkünfte an der Route werden als noch gut bewertet (3,8 Punkte), die Beschilderung mit 3,5 und auch die Sehenswürdigkeiten gehen in Ordnung (3,2 Punkte).

Sehr zufrieden sind die Nutzer mit der Anbindung an den Nahverkehr (4,1) und auch die Beschaffenheit des Radweges schnitt mit 3,9 sehr gut ab. Eher mittelmäßig (2,8) wurden dagegen die Abstellmöglichkeiten sowie die Lademöglichkeiten für E-Bikes (2,3) bewertet. Und auch die Qualität der Rastplätze könnte besser sein (3,1).