Mülheim. Aus bescheidenen Verhältnissen in Styrum stammend, wird die Mülheimerin Käthe Guss zu einem der Bühnenstars ihrer Zeit. Wie gelang ihr das?
Vom Styrumer Arbeiterkind zum Bühnenstar. Das klingt wie ein Roman. Es ist die Lebensgeschichte der Käthe Guss. Geboren am 7. Dezember 1906, wuchs Katharina Apollina Guss als ältestes Kind mit sieben Geschwistern in einer Arbeiterfamilie auf. Ihr Elternhaus steht an der Schützenstraße. Vater Johann verdient bei Thyssen den Lebensunterhalt seiner Familie, die von Mutter Gertrud gemanagt wird.
Als Kind, so lässt es die kleine Käthe ihre Eltern wissen, will sie als Seiltänzerin zum Zirkus. Daraus wird nichts. Aber von einem Lehrer wird sie in ihren Berufswünschen bestärkt. Sie nimmt privaten Gesangsunterricht und steht 1924 als Chorsängerin in Duisburg erstmals auf der Operntheater-Bühne. Einer ihrer Chorkollegen war der spätere Star-Tenor Rudolf Schock.
Durchbruch der Mülheimerin gelingt in einer Nachbarstadt
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Mitten in der Weltwirtschaftskrise gelingt Käthe Guss dann der Durchbruch. Sie springt als Solistin für eine erkrankte Kollegin ein, spielt mit Bravour die Gräfin Mariza und avanciert damit zum festen Ensemblemitglied des Duisburger Stadttheaters. „Nach ihrer ersten Hauptrolle war meine Großmutter euphorisiert und vergoss Freudentränen, während mein Großvater nur sagte: Ich habe von meiner Tochter nichts anderes erwartet“, erinnert sich die 1954 geborene Guss-Nichte Inge Merz an die Erzählungen ihrer Großeltern.
Ab 1931 kann Käthe Guss von ihrem Beruf leben. Am Duisburger Stadttheater gehören Operetten wie die „Csardasfürstin“, der „Vetter aus Dingsda“ und das „Weißen Rössl am Wolfgangsee“ zu ihrem Repertoire. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges kommen die alliierten Luftangriffe auf das Ruhrgebiet, das als Hitlers Waffenschmiede zu den Hauptangriffszielen der Royal- und der US-Air-Force gilt. 1942 zerstören alliierte Bomben auch das Duisburger Stadttheater.
Wie die Mülheimerin „zum Schwarm einer ganzen Generation“ wird
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Käthe Guss macht aus der Not des Krieges eine Tugend. Sie überlebt den Krieg als Sängerin in der Truppenbetreuung der deutschen Wehrmacht. Kurz nach Kriegsende gründet sie 1946 in Speldorf und Broich ihr eigenes Theater. Doch das Mülheimer Theater-Intermezzo zahlt sich nicht aus. 1948 schließt Guss deshalb wieder und eröffnet am Dellplatz in Duisburg ein neues Theater.
1953 gibt sie jedoch ihre Selbstständigkeit auf und wechselt als Ensemblemitglied zum Stadttheater Rheydt (heute Mönchengladbach). Das Beste kommt für die Operettensängerin, Schauspielerin und Gesangssolistin aus Styrum aber zum Schluss. Die letzte Etappe ihres Berufslebens beginnt 1953 als Ensemblemitglied im Stadttheater Oberhausen. Dort wird sie noch einmal 14 Jahre auf der Bühne stehen, die für sie und ihr Publikum die Welt bedeuten. In Oberhausen wird sie, wie es in der Presse heißt, „zum Schwarm einer ganzen Generation“!
Und in Oberhausen erweitert Käthe Guss auch ihr Repertoire. Hier lässt sie nicht nur in Operetten, wie „Maske in Blau“ und „Der Vogelhändler“, von sich hören. Als Schauspielerin in Goethes „Faust“, als Mutter Wolfen in Gerhart Hauptmanns Sozialkomödie „Der Biberpelz“ oder in Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama „Draußen vor der Türe“ erwirbt sich Guss bei der Kritik und beim Publikum den Ruf einer „Charakterdarstellerin“ und einer „Erzkomödiantin“.
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1967 fällt für Käthe Guss aus Mülheim-Styrum der letzte Vorhang
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Ihre Nichte Inge Merz, die das Lebenswerk ihrer Tante mit Ausstellungen in Mülheim und Duisburg gewürdigt hat, erinnert sich vor allem „an die rot leuchtenden Haare“ und daran, „dass ich als Fünf- oder Sechsjährige meine Tante als Frau Holle auf der Oberhausener Theaterbühne gesehen habe. Und während des Stücks kam sie plötzlich an den Rand der Bühne und fragte: ‚Ist denn auch die Inge da?‘, worauf ich dann aufgestanden bin und ganz laut und aufgeregt gerufen habe: ,Ja, Tante Käthe. Hier bin ich!’“
Doch am 3. Juni 1967 fällt für Käthe Guss der letzte Vorhang, nachdem sie ihr Publikum im Stadttheater Oberhausen als Opal Kromke in John Patricks Gaunerkomödie „Lumpen“ noch einmal zum Lachen und Applaudieren gebracht hat. „Niemand kann glauben, dass sie jetzt nur noch privat zu Ende spielen wird“, schreibt die Presse nach ihrem letzten Bühnenauftritt. Doch ihre Rückenprobleme zwingen Käthe Guss damals zum Abschied von der geliebten Bühne.
Ihr Oberhausener Intendant Klaus Mettin sagt nach ihrem letzten Theaterauftritt: „Die Lebensgeschichte dieser im Schauspiel wie in der Operette erfolgreichen Schauspielerin, müsste in allen Schulbüchern des Ruhrgebiets zu lesen sein.“ Nur noch einmal ist Käthe Guss danach als Schauspielerin zu sehen. In dem 1972 gedrehten Film „Der Umschüler“ spielt sie an der Seite von Marius Müller-Westernhagen. 22 Jahre nach diesem letzten Auftritt als Schauspielerin ist Käthe Guss am 12. Juli 1994 in ihrer Heimatstadt Mülheim gestorben.