Mülheim. Der Eigentümer des Handelshofes zieht nach drei Hotel-Generationen in Mülheim den Schlussstrich. Was kommt nach dem Aus des Traditionshauses?

Der Handelshof – das wohl bekannteste und traditionsreichste Hotel in Mülheim – ist Geschichte. Wie der Eigentümer Martin Hesse nun öffentlich bekannt gibt, zieht sich seine Familie nach 88 Jahren aus dem Hotelgeschäft zurück. Hinter den ehrwürdigen Fassaden des Hotels in der Innenstadt soll etwas Neues entstehen.

Und zwar ein Senioren-Wohnprojekt. Hinter vorgehaltener Hand war dies schon einige Wochen bekannt und auch auf der Tagesordnung politischer Gremien – freilich im nicht-öffentlichen Teil. Denn sowohl für den Tourismus und die Idee, die Kongressstätte „Mülheim“ zu stärken, wie auch die Stadtentwicklung ist der Verlust eines weiteren renommierten Hotels an der Ruhr ein Schlag.

MST-Chefin bedauert Schließung: „Es war eine Institution mit Charakter“

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Noch vor wenigen Jahren hatte MST-Chefin Inge Kammerichs vor den Folgen fehlender Betten für den Tagungsort Stadthalle und den Standort Mülheim gewarnt. 1000 Übernachtungen allein im Sommer gingen verloren. Denn große Tagungsgruppen brauchen große Hotels, in denen sie gemeinsam untergebracht werden können. Sonst, so die Tourismus-Expertin, sagten sie ab.

Doch auch Kammerichs sieht heute mit anderen Augen auf den Tourismus und die Lage der Hotels: „Es sind andere Zeiten. Durch Corona ist die Branche in einer schweren Situation.“ Veranstalter und Hoteliers erholten sich auch in Mülheim nur langsam, die Stadthalle – für die das Stadtmarketing verantwortlich ist – verzeichne jetzt wieder mehr Veranstaltungen und Kongresse. Von Normalität sei man aber noch weit entfernt. „Ich bedaure aber, dass der Handelshof schließt – es war eine Mülheimer Institution mit Charakter.“

Oberbürgermeister Marc Buchholz bedauert, „dass nun ein weiteres Traditionshotel in Mülheim den Gästen nicht mehr zur Verfügung steht“. Auch für Veranstaltungen wie Karnevalssitzungen und Lesungen könne die Stätte nun nicht mehr genutzt werden, bedauert der OB. „Zum Glück aber bleibt die markante Fassade im Stadtbild Mülheims erhalten.“

Neuer Eigentümer sichert zu, die denkmalgeschützte Fassade zu erhalten

Das wiederum sichert der neue Eigentümer – der Immobilienentwickler Blankbau aus Duisburg – auch zu: „Die denkmalgeschützte Fassade bleibt erhalten und wird in das neue Quartier integriert“, heißt es in einer Presseerklärung. „Das benachbarte Gebäude an der Friedrichstraße wird ersetzt und der zum Hotel gehörige Parkplatz überbaut. Damit erhält der Handelshof links und rechts jeweils einen neuen Anbau, die das historische Gebäude einrahmen.“ Die architektonischen Details seien bereits mit dem Gestaltungsbeirat der Stadt vorabgestimmt.

Anstelle eines Hotels aber baut Blankbau den Handelshof nun zum Seniorenwohnsitz aus. Geplant sind ca. 100 barrierefreie Wohnungen für ältere Menschen sowie eine Tagespflege mit angeschlossenen Gastronomie- und Gemeinschaftsflächen. Zusammen mit Häusern an der Teinerstraße werde man „ein modernes Wohnungsbauprojekt für Senioren realisieren“.

Karnevalsvereine nutzten den Saal des Hotels. Hier fand zum Beispiel die Prunksitzung der Roten Funken statt.
Karnevalsvereine nutzten den Saal des Hotels. Hier fand zum Beispiel die Prunksitzung der Roten Funken statt. © WAZFotoPool | Roy Glisson

Zeit für ein neues Kapitel in der Geschichte des Mülheimer Handelshofes

„Es ist Zeit, ein neues Kapitel in der Geschichte des Handelshofs aufzuschlagen“, teilt der ehemalige Hotelchef Martin Hesse knapp mit. Er hatte die bedeutsame Stätte, die seit rund 90 Jahren im Familienbesitz war, in dritter Generation geführt.

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Das schmucke Hotel an prominenter Stelle in der Innenstadt und mit fußläufiger Nähe zur Stadthalle galt lange Zeit als erste Adresse. Lesungen gab es in seinem Saal, Mülheimer Karnevalsvereine hielten hier Prunk- und Gala-Sitzungen ab. Der Handelshof war ebenso langjähriger Partner der Mülheimer „Stücke“. Seine Gastronomie wurde nicht nur von Hotelgästen genutzt.

Noch 2012 – lange vor der Corona-Pandemie – hatte Hesse große Pläne in Aussicht gestellt. Das alte Haus rechts neben dem Hotel ließ er abreißen, um einen modernen Anbau mit zusätzlichen Zimmern zu schaffen. Damit hätte Hesse mit den Wettbewerbern mithalten können, die teilweise mehr Betten anboten. Doch bis heute wurde daraus nur ein Parkplatz.

Das Problem bahnte sich schon 2016 an, als das neue „Stadtquartier“ im Ruhrbania-Bereich die Hotel-Kette „Holiday Inn“ ankündigte. Die Mülheimer Branche befürchtete einen hausgemachten Verdrängungskampf. Hesse kommentierte damals mit Sorge: „Auch das spüren wir bei unseren Buchungszahlen deutlich. Denn trotz unserer treuen Stammkunden sind wir auch auf Laufkundschaft angewiesen.“

Nach dem Abriss des Hauses neben dem Handelshof im Juni 2012 sollte das Hotel um Betten und Verwaltungsräume erweitert werden. Doch dazu kam es nicht.
Nach dem Abriss des Hauses neben dem Handelshof im Juni 2012 sollte das Hotel um Betten und Verwaltungsräume erweitert werden. Doch dazu kam es nicht. © WAZ FotoPool | Fabian Strauch

Was hat zum Aus des Handelshofes als Hotel geführt?

Über die Gründe seiner Aufgabe will Hesse heute nicht viel sagen. Durchblicken lässt er, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Erhöhungen bei den Lebensmittelpreisen und andere „große Herausforderungen an die Gastronomie“ mit einen Ausschlag gegeben haben.

Doch nach rund 90 Jahren hatte der Handelshof jenseits seiner schönen Fassade ebenso mit hohen Sanierungsnotwendigkeiten im Inneren zu ringen. Nun also ist mit der Aufgabe auch der Weg frei für eine Modernisierung des Gebäudes.

Thomas Kieß, Geschäftsführer der Nido Verwaltung GmbH, die Teil der Blankbau-Gruppe ist, klingt zuversichtlich: „Wir freuen uns, die traditionsreiche Geschichte des Handelshofs weiter in die Zukunft zu schreiben und auf diesem schönen Areal ein modernes und gleichzeitig altersgerechtes Wohnprojekt umzusetzen.“

Der Handelshof gehört zur Stadtgeschichte

„Seit über 100 Jahren ist das Hotel Handelshof Teil der Stadtgeschichte“, heißt es auf der Website des Hotels. Das Haus wurde 1904 gebaut und sollte den Gemeindemitgliedern und deren Vereinen als Versammlungsstätte dienen – so auch dem späteren CVJM. Es war aber auch ein Hospiz, das sowohl Reisenden als auch ansässigen Junggesellen Verpflegung und Unterkunft gewährte. Am 1.7.1934 übernahmen Heinrich und Anna Hesse das bereits 1930 zum Hotel umgebaute evangelische Vereinshaus und gründeten so das Hotel Handelshof.