Mülheim. Verbotene Bilder von Kriegszerstörungen in Mülheim: Auf Fotografieren stand die Todesstrafe. Familie rettete nur ihre Schlafanzüge und Mäntel.
Häufig gibt es Nachzügler bei den alten Bildern. Das ist verständlich, weil die eigenen Erinnerungsfotos nicht sofort griffbereit sind und erst gesucht werden müssen. Das war auch beim Goetheplatz der Fall. Es haben sich so viele Mülheimer gemeldet, dass nicht alle mitgeschickten Fotos und Erinnerungen auf eine Zeitungsseite für die Folge 92 unserer Serie passten.
Daher gibt es jetzt weitere Fotos, teilweise aus privaten Schubladen, die bisher kein Fremder so gesehen hat. Dazu schildern Leser, was sie noch zum Mittelpunkt des Dichterviertels wissen.
Lederfabrik im Viertel
Einige Ergänzungen zu den Häusern und Bewohnern am Goetheplatz kann Walter Neuhoff beisteuern: „Die große Villa gehörte Julius Kleinert. Er hatte eine Lederfabrik nebenan. Die Produktionshalle und sein Haus wurden beim großen Luftangriff im Juni 1943 zerstört. Karl Elger war Prokurist der Lederfabrik. Er wohnte im Haus Schillerstraße 10. Nach dem Tod von Julius Kleinert hat er die Fabrik geerbt. Auch er lebt nicht mehr“, erinnert sich Walter Neuhoff.
Mehrere Bilder vom Goetheplatz und den Kriegszerstörungen hat Hans-Jürgen Koch aufbewahrt. „Die hat meine Mutter mit einer kleinen Agfa-Box gemacht. Das Fotografieren von Trümmern war damals streng untersagt. Wer erwischt wurde, bekam dafür die Todesstrafe. Wenn meine Mutter Aufnahmen machte, hat sich mein Vater immer darüber aufgeregt, weil das bösen Ärger geben konnte“, erinnert sich Koch. Papierabzüge gab es früher nur im Miniformat.Er wohnte einst mit seinen Eltern im Haus Klopstockstraße 1.
Als Dreijähriger aus dem Schutt gegraben
Die Bilder stammen aus den 1940er Jahren. Sie zeigen den Goetheplatz nach dem Luftangriff vom 23. Juni 1943. „Damals muss eine große Bombe mitten auf den Platz gefallen sein. Die Häuser hatten alle Holzdecken und stürzten ein. Ich lag unter dem Schutt und wurde wieder ausgegraben“, berichtet Hans-Jürgen Koch. Damals war er gerade drei Jahre jung. „Aber diese Kriegserlebnisse bleiben im Gedächtnis.“ Auch sein Elternhaus lag in Trümmern. „Wir hatten nichts mehr als unsere Schlafanzüge am Leib und darüber einen Mantel. Alles andere war verschollen. Wir wurden bei einem Lehrer in einem Haus an der Uhlandstraße einquartiert. Auf dem einen engen Zimmer wollte er uns aber nicht behalten.“
Wenig später bekam die Familie eine beschlagnahmte Wohnung an der Buggenbeck zugewiesen. „Damit war auch meine Zeit am Goetheplatz vorbei“, sagt Koch. Er und seine Freunde waren nach dem Krieg regelmäßig neben den Bahngleisen unterwegs. „Den Berg nach Heißen hinauf fuhren die schweren Kohlezüge nur langsam. Wir kletterten auf die Wagen und warfen die Kohlebrocken ab. Wenn der Zug schneller wurde, sprangen wieder ab und sammelten in einem Sack die Kohlen ein und schleppten sie nach Hause“, schildert Hans-Jürgen Koch ein Erlebnis aus seiner Kindheit.
„Den Teich im Vordergrund habe ich auf einer alten Postkarte von 1913 erkennen können.“, schreibt Franz-Josef Hüls. In diesem Jahr wurde sie laut Stempel verschickt. Der Zeitpunkt der Fotografie wird nicht erwähnt. „Auf den Luftbildern auf Geoportal Ruhr von 1925 bis 2017 ist kein Teich mehr eindeutig zu erkennen“, fügt der WAZ-Leser hinzu.
Treffpunkt für die Nachbarn
„Das war eine schöne Grünanlage mitten auf dem Goetheplatz. Wir haben dort als Kinder gespielt. Es gab einen Spielplatz mit Sandkasten“, erinnert sich Anneliese Grube. Sie wohnte mit ihren Eltern an der Heißener Straße. „Der kleine Park hatte zwei Teiche, die miteinander verbunden waren. In einer Nische stand eine Bank. Dort trafen sich viele Nachbarn. Im Haus Ecke Lessingstraße hatte der Bäcker Hoffmann seinen Laden. Ein Brötchen kostete zwei Pfennige. Das Goethehaus stand an der Ecke Bürgerstraße“, erinnert sich die WAZ-Leserin an ihre Kindheit. Ob in diesem Haus einmal eine Gaststätte war, daran kann sie sich nicht erinnern.
Ihre Erinnerungen und alten Fotos sind gefragt
Wer Erinnerungen oder Hinweise zu den gezeigten Bildern hat, schickt diese bitte an die WAZ-Lokalredaktion, Eppinghofer Straße 1-3, 45468 Mülheim, redaktion.muelheim@waz.de.
Ihre alten Fotoschätze schicken Sie per E-Mail im JPG-Format an die Redaktion oder bringen diese vorbei. Ihre Bilder werden in der WAZ veröffentlicht. Vielleicht können andere Leser bei der Einordnung helfen.