Mülheim. Ach Stunden Training pro Woche und Vorfreude ohne Ende. Funkemariechen Janina lebt für die Session. Was sie allen Karnevalsmuffeln rät.
Karneval macht nicht nur Spaß, sondern auch Arbeit. Das begreift man sofort, wenn man im Bürgergarten sieht, was vor dem Auftritt bei der 76. Prunksitzung der KG Blau Weiß am Samstag, 18. Februar, auf die singenden, tanzenden und musizierenden Aktiven der mehr als 250 Mitglieder starken Gesellschaft zukommt. Zwischen Soundcheck, Tischdekoration, Probe und Training ist für alle reichlich zu tun.
Bevor sich Tanzmariechen Janina Cervino-Santarelli (23) dem Gespräch mit der Lokalredaktion widmen kann, geht sie mit Kindertanzmariechen Leara Lersch (10) auf der sechs-mal-vier-Meter-großen Bühne die Grundschritte ihrer Choreografie durch. Man sieht dem kleinen und dem großen Tanzmariechen an, dass ihnen ihre Tanzshow Freude macht. „Natürlich kommt es darauf an, dass man jeden Schritt richtig austanzt. Aber die Ausstrahlung ist das A und O“, sagt Janina, die sich nach 14 Jahren als Tanzmariechen inzwischen selbst trainiert.
Mülheimer Funkemariechen ließ sich vor 14 Jahren von der Cousine anstecken
Gardeuniformen und Showkostüme sucht man beim Probetraining auf der bereits von Scheinwerfern beschienen und mit dem beleuchteten Wappen der KG Blau Weiß geschmückten Bühne vergeblich. Stattdessen wird in eng anliegenden Jogginghosen, T-Shirts und Gymnastikschuhen getanzt. „Ein Auftritt in dieser Trainingskleidung ist natürlich bequemer, aber für die Show am Samstagabend müssen es nun einmal die blauen Gardeuniformen mit weißen Stiefeln und die Zirkuskostüme mit Artistenstock sein“, sagt Janina Cervino-Santarelli.
Sie ließ sich damals von der Tanzbegeisterung ihrer Cousine Jacqueline begeistern und zu den blau-weißen Karnevalsfreunden verführen. Inzwischen hat sie selbst ihre jüngeren Schwestern Joana (21) und Jaymee (10) in die Tanzgarde der KG Blau Weiß geholt, die vor Corona im Herz-Jesu-Pfarrheim an der Ulmenallee und im Altenhof an der Kaiserstraße trainiert haben und aufgetreten sind. Auf die Evangelische Kirche, die den Altenhof für Karnevalsveranstaltungen kurzfristig gesperrt hat, ist man bei den Blau Weißen im Bürgergarten gar nicht gut zu sprechen.
Mülheimerin bezeichnet sich selbst als „Rampensau“ mit Lampenfieber
„Die Bühne im Altenhof war für unsere Tanzshow perfekt. Aber wir sind dem Gastronomen Jörg Thon dankbar dafür, dass er den Roten Funken und uns seinen Saal für unsere Prunksitzung kurzfristig zur Verfügung gestellt hat“, sagt Cervino-Santarelli. Dass sie im kleineren Saal des Bürgergartens nur vor 200 statt wie im Altenhof vor 350 Jecken tanzen wird, mindert ihre Motivation nicht im Geringsten. „Ich bin ein Energiebündel und trotz meines Lampenfiebers eine Rampensau. Tanzen ist für mich alles. Und ich liebe es, meine Energie in eine coole Tanzshow hineinfließen zu lassen, die das Publikum begeistert. Wenn man fünf bis sechs Minuten im Rampenlicht steht, alles gibt und das Publikum am Ende begeistert Standing Ovations gibt, ist das einfach ein geiles Gefühl“, sagt Janina Cervino-Santarelli.
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Doch vor diesem „geilen Gefühl“ kommen acht Stunden Training pro Woche. Außerdem trainiert die gelernte Automobilkauffrau, die zurzeit noch im Leitungsteam des kommunalen Impfmanagements arbeitet, mit regelmäßigem Jogging ihre Kondition, um, wie sie sagt: „auf mehreren Hochzeiten tanzen zu können.“ Denn Janina Cervino-Santarelli, die künftig im Vertrieb oder im Marketing und irgendwann einmal im Eventmanagement arbeiten will, hat nicht nur als Solo-Mariechen, sondern auch als Tanzgardistin und als Showgirl der Blue Sensations ihren Auftritt.
Auf der Mülheimer Rennbahn hat sie ihr Trainingsdomizil
Ihr Trainingsquartier, ein 50 Quadratmeter großer Raum in einem ehemaligen Wettpavillon der Rennbahn Raffelberg, ist der so gar nicht glamouröse Ort, an dem vor, während und nach der Session ihre Tanzfiguren mit Spitzen-Tanz, Radschlägen und Spagat entstehen. Doch vor jeder noch so anspruchsvollen Choreographie kommen im Training und vor dem Auftritt 25 Minuten Aufwärmen und Dehnen. „Als ich einmal geglaubt habe, dass zehn Minuten Aufwärmen und Dehnen vor dem Auftritt reichen, habe ich mich mit einem Bänderriss eines Besseren belehren lassen müssen“, erinnert sich Janina Cervino-Santarelli.
Sie wird nicht nur am Samstag auf der Bühne des Bürgergartens tanzen, sondern hat bereits tags zuvor an gleicher Stelle als Matrosin den Kinderkarneval moderiert. Man möchte ihr sofort glauben, wenn sie mit ihrem jugendlichen Schwung sagt: „Auch wenn die Coronapandemie unsere Reihen dezimiert hat, kann der Mülheimer Karneval wieder das starke Niveau erreichen, das er vor drei und vier Jahren hatte, wenn einige Mülheimer, die dem Karneval jetzt noch skeptisch gegenüberstehen, zu einer coolen Veranstaltung gehen. Am besten zu einer der KG Blau Weiß. Dann können sie sich ihre eigene Meinung über die Fünfte Jahreszeit bilden, in der man gemeinsam mit anderen frei und fröhlich sein kann.“