Mülheim. Busse und Bahnen stehen am Dienstag in Mülheim aufgrund eines Warnstreiks bei der Ruhrbahn still. Wie die Stimmung unter den Beschäftigen ist.
Die zentrale Haltestelle in der Mülheimer Stadtmitte ist am Dienstagmorgen völlig ausgestorben. Nur vereinzelt schauen sich Menschen verwundert um. Sie haben offenbar nicht mitbekommen, dass an diesem Tag weder Bus noch Bahn fährt. Bei der Ruhrbahn wird gestreikt.
Auch auf deren Betriebsgelände an der Duisburger Straße ist es ruhig. Keine Bahn rollt in Richtung Ausfahrt, die Busse sind vor der Halle geparkt. Die Beschäftigten haben sich zur Streikerfassung in der Kantine an der Duisburger Straße versammelt.
Ruhrbahn-Betriebsrat verzichtet vorerst auf Kundgebungen
„Heute konzentrieren wir uns erst mal auf den Betriebshof und machen noch keine Kundgebung“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Ahmet Avsar. Weitere Schritte sind aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. „Die ersten Gespräche mit dem Arbeitgeberverband haben ja gezeigt, dass man uns noch nicht so ganz ernst nimmt. Um zu signalisieren, dass mit uns zu rechnen ist, ist es der erste Schritt, einen Warnstreik durchzuführen“, so Avsar.
Der Betriebsratschef ist optimistisch, dass die Warnsignale aus Mülheim und den anderen Städten – am Dienstag wurde auch in Essen sowie in Oberhausen bei der Stoag gestreikt – nun auch an den entscheidenden Stellen wahrgenommen werden. „Die Erwartungshaltung der Beschäftigten ist sehr hoch“, sagt Avsar.
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Die Gewerkschaft Verdi fordert in den laufenden Tarifverhandlungen eine Steigerung der monatlichen Tabellenentgelte um 10,5 Prozent – mindestens jedoch um 500 Euro im Monat. Auszubildende, Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten sollen 200 Euro mehr pro Monat erhalten, die Azubis unbefristet übernommen werden.
„Die 500 Euro sind nötig, um die Schere weiter zu schließen. Die ist immer weiter auseinandergegangen, wenn man sich die Lohntabellen anguckt“, sagt Avsar. Prozentuale Anhebungen seien „schön und gut“, dadurch würden aber die höheren Lohngruppen verhältnismäßig weiter steigen. „Deswegen die 500 Euro, damit die unteren Lohngruppen auch etwas davon haben“, so der Betriebsratschef.
Ruhrbahn: Warum sich die Beschäftigten benachteiligt fühlen
„Wir wurden ja in der Vergangenheit schon benachteiligt gegenüber anderen Tariferhöhungen wie zum Beispiel im Bereich Metall“, sagt Vertrauensmann Uwe Bothe, der bei der Ruhrbahn in der Werkstatt arbeitet. Daher herrsche in der Belegschaft durchaus eine große Unzufriedenheit. „Wir ziehen das jetzt hier schön durch und gucken, dass wir das Bestmögliche erreichen.“
Seine Kollegin Jacqueline Weirich würde am liebsten über den Warnstreik hinausgehen. „Hier wollen alle Gas geben, dass auch mal richtig gestreikt wird. Nicht nur ein kleiner Warnstreik, bei dem man dann vielleicht die Hälfte von dem erreicht, was man will.“
Wo sich der Fachkräftemangel bei der Mülheimer Ruhrbahn am stärksten bemerkbar macht
Dass Streiks im öffentlichen Nahverkehr immer ein sensibles Thema in der Öffentlichkeit sind, dessen ist sich die Werkstatt-Mitarbeiterin bewusst. „Aber wenn man den Leuten erklärt, was hier teilweise für Arbeitsbedingungen herrschen, dann haben die Leute natürlich Verständnis“, so Weirich.
„Fachkräftemangel ist bei der Ruhrbahn genauso ein Begriff wie in vielen anderen Bereichen auch“, sagt Ahmet Avsar. Insbesondere im Fahrbetrieb gibt es Probleme. Und damit genau in dem Bereich, der für die Öffentlichkeit als Erstes zu spüren ist. „Da sind die Arbeitsbedingungen auch dementsprechend, dass man nicht sofort erwarten kann, dass jeder diesen Beruf für diese Bezahlung ausüben will.“
Kurze Pausenzeiten machen Fahrerinnen und Fahrern zu schaffen
Cemil Ates kann das bestätigen. Seit 17 Jahren ist er Busfahrer bei der Ruhrbahn. Die Personallage hat den Alltag seiner Kolleginnen und Kollegen weiter verschärft. Dabei sind etwa die Pausenzeiten von 40 Minuten kaum ausreichend. „Man kommt vom Bus runter, geht zur Toilette, muss was essen, sich kurz frisch machen und dann muss man schon wieder weiter“, sagt Ates. „Das ist schon heftig und das macht die Leute auch krank.“
Vor allem in Zeiten der Inflation hofft er nun auch auf mehr Geld. „Alles ist teurer geworden und viele haben ja auch Kinder“, sagt Ates, der selbst erwachsene Kinder hat. Auch er wäre bereit für weitere Schritte. Ob die notwendig werden, sollen die weiteren Verhandlungen zeigen.