Mülheim. Welche Folgen die neuen elektronischen AU für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Krankenkassen und Ärzte in Mülheim bedeuten: eine Umfrage vor Ort.
Seit Anfang des Jahres gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Änderung bei Krankmeldungen: Sie wird nicht mehr wie zuvor in Papierform eingereicht, sondern muss vom Arbeitgeber elektronisch bei der jeweiligen Krankenkasse des Arbeitnehmers abgerufen werden. Noch hat das neue sogenannte eAU-Verfahren Startschwierigkeiten – auch in Mülheim.
Arztpraxen sind bereits seit dem 1. Juli 2022 verpflichtet, den Krankenschein elektronisch zu übermitteln. Der Austausch der AU zwischen dem Arbeitgeber und der Krankenkasse des Arbeitnehmers ist jedoch erst seit dem 1. Januar 2023 obligatorisch. Die eAU wurde übrigens schon 2019 beschlossen, es gab aber viele technische Probleme.
Mülheimer Unternehmen: Neues eAU-Verfahren kostet Zeit und Geld
Birgitt Farenski, Geschäftsführerin der FP Verpackung & Logistik GmbH in Mülheim-Heißen hat zwar noch nicht viele Krankheitsfälle dieses Jahr gehabt, verzeichnet aber bereits einen deutlichen Mehraufwand. Ihre Steuerberaterin muss regelmäßig prüfen, ob die AU schon bei der jeweiligen Krankenkasse abrufbar ist. Das kostet natürlich Zeit und Geld. Es sei schon vorgekommen, dass die Krankmeldung erst drei Tage später abrufbar gewesen sei. Eigentlich muss dies innerhalb von 24 Stunden geschehen. Insgesamt ist sie aber optimistisch: „Klar braucht so etwas eine gewisse Anlaufzeit.“
„In der Startphase ist der Arbeitsaufwand aktuell noch etwas höher, da einige Arztpraxen noch Papier-AUs ausstellen. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, ist der Aufwand identisch zum vorherigen analogen Verfahren“, berichtet das Personalamt der Stadt Mülheim. Größere Schwierigkeiten gebe es nicht: „Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten funktioniert gut.“
Mülheimer Ärztesprecher: „Keine Lösung in Sicht“
Die AOK begrüßt die Einführung der eAU. „Mit der Digitalisierung des Verfahrens gehen eine Reihe von Vorteilen einher. Der Verwaltungsaufwand wird reduziert“, sagt eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg. „So kann die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung sicherer und schneller zugestellt werden als die bisherige Bescheinigung auf Papier. Des Weiteren werden Erstellungs- und Übermittlungskosten reduziert.“ Aus Sicht der AOK habe sich das neue Verfahren bereits etabliert. Die Sprecherin gibt jedoch zu, dass nicht alle Arztpraxen in der Region mit einer fehlerfreien Software ausgestattet seien.
„Es läuft bisher sehr schlecht“, klagt Uwe Brock, Allgemeinmediziner und Vertreter der Ärztekammer Mülheim. Das Problem sei vor allem die Software, mit der die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstellt werde. Regelmäßig komme es zu Systemabstürzen. „Schon der erste Schritt hakt und es ist keine Lösung in Sicht.“ Manche Krankenkassen hätten wiederum das Problem, dass Firewalls die Annahme der eAU verhinderten.
eAU: Durch technische Probleme geht Behandlungszeit verloren
„Man hätte nicht in den Regelbetrieb übergehen sollen ohne eine funktionierende Software“, mahnt er. „Es ärgert einen.“ Durch die technischen Probleme gehe auch Behandlungszeit verloren, zeigt er sich besorgt. Die Konsequenz: Momentan druckt die Praxis zusätzlich alles wie zuvor aus, damit die Bescheinigungen auch rechtzeitig ankommen. Sie macht sich also die doppelte Arbeit.
Für die Erstellung einer eAU ist ein sogenannter Elektronischer Heilberufsausweis, kurz eHBA notwendig. Er kostet jede Arztpraxis 500 Euro und wird von der Bundesdruckerei ausgegeben. Nach fünf Jahren läuft er wieder ab. Ein finanzieller und bürokratischer Aufwand für jede Arztpraxis.
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Wer haftet für die Folgen?
Uwe Brock fragt sich auch, wer für die Folgen der Problematik haftet. Er habe schon Fälle erlebt, in denen Arbeitnehmer eine Abmahnung erhalten hätten, da sie nicht innerhalb von drei Tagen einen gelben Schein vorlegen konnten, so wie es der Arbeitsvertrag fordert. Er vermutet, dass die Krankenkassen zukünftig mit Schadenersatzforderungen rechnen müssten.
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Was bedeutet das eAU-Verfahren für Arbeitnehmer?
Für Arztpraxen ist der elektronische Krankenschein bereits seit dem 1. Juli Pflicht. Arbeitnehmer bekamen jedoch nach wie vor den Krankenschein in Papierform dreifach ausgefertigt und mussten diesen nach wie vor innerhalb von drei Tagen an den Arbeitgeber weiterleiten. Nun übermittelt die Praxis die Krankmeldung elektronisch an die Krankenkasse des Patienten. Der Arbeitgeber muss diese dann digital abrufen. Dies soll innerhalb von 24 Stunden möglich sein. Die Krankmeldung per Mail, SMS oder telefonisch ist unabhängig davon natürlich nach wie vor verpflichtend. Die Bescheinigung muss der Arbeitnehmer dann aber nicht mehr vorlegen.
Von der Regelung betroffen sind alle gesetzlich versicherten Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte wie Werkstudenten oder Minijobber. Ausgenommen sind Privatversicherte und Beihilfeberechtigte. Auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Eltern kranker Kinder wird weiterhin auf Papier erstellt.
Telefonische Krankschreibung vorerst wieder möglich
Die telefonische Krankschreibung, kurz tAU, die zu Beginn der Corona-Pandemie eingeführt und zwischenzeitlich wieder abgeschafft wurde, ist zunächst bis Ende März wieder möglich. Versicherte, die aufgrund einer leichten Atemwegserkrankung arbeitsunfähig sind, können bis zu sieben Tage von einem niedergelassenen Arzt telefonisch krankgeschrieben werden.
Und wie sieht es mit Datenschutz aus? Kassenärztliche Bundesvereinigung und die AOK versichern, dass die persönlichen Daten geschützt bleiben. Die Krankschreibung werde besonders verschlüsselt.