Mülheim. Verlernt unsere Gesellschaft das Debattieren? Mülheimer Schüler gingen nun in den Wettstreit um Argumente: Sollten Feuerwerke verboten werden?
Verlieren wir die Fähigkeit, mit gegenseitigem Respekt zu diskutieren? Nicht erst der unversöhnliche Streit um die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen, zuvor auch schon die gesellschaftliche Spaltung nach dem Aufkommen der AfD haben einen Trend beschleunigt: Bei gegensätzlichen Meinungen reden wir überwiegend nur noch übereinander, aber nicht mehr miteinander. Dem Trend entgegenwirken will ein Debattierprojekt an der Willy-Brandt-Schule.
Die Mülheimer Gesamtschule bewies in ihrem Debattierwettbewerb dieser Tage das Gegenteil. In diesem Jahr konnte die Gesamtschule sich erstmalig mit dem Label „Jugend debattiert-Schule“ auszeichnen. Mit der Unterrichtsreihe „WBS (er)lebt Demokratie“ will sie aktiv zur Demokratiebildung der Schülerinnen und Schüler beitragen.
Mülheimer Gesamtschüler sprechen sich gegen Feuerwerks-Verbot aus
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Vier Jugendliche der 10. Klasse sind nun gegeneinander angetreten. Lennart, Bilal, Zoe und Hana hatten sich zuvor bereits im Klassen-Wettbewerb gegen ihre Mitschüler durchgesetzt. Die Debattierfrage: Sollte privates Feuerwerk verboten werden? Ein vieldiskutiertes Thema besonders in Zeiten, in denen der Umweltschutz einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Entgegen des Klischees übernahmen die beiden Jungen die Pro-Seite, sprachen sich also für ein Verbot von Feuerwerk aus, während die Mädchen die Contra-Position darstellten.
Zu Beginn fragt Schulkoordinatorin Kathleen Pralle die Zuschauerinnen und Zuschauer nach ihrer Meinung. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Mehrheit der überwiegend jugendlichen Besucher hält ein rotes Kärtchen hoch, spricht sich also gegen ein Verbot aus. Die grünen Kärtchen sind in der Minderheit.
„Wer zu Fridays for Future geht, sollte kein Feuerwerk zünden“
Lennart startet die Diskussion. Er begründet seine Meinung damit, dass viele Menschen durch das Feuern von Silvesterraketen und Böllern leiden, zum Beispiel durch Gehörschäden. Hana hingegen betont, dass Silvesterfeuerwerk eine Tradition für viele Menschen ist. „Soll man wirklich ein bisschen Freude nach Corona verbieten?“ Bilal erinnert an die hohe CO2-Belastung durch Silvesterfeuerwerk.
Die Schüler hören einander zu und greifen die Argumente ihres Gegenübers geschickt auf. Nachdem sie sich an die ungewohnte Situation, auf der Bühne und vor einem größeren Publikum zu sprechen, gewöhnt haben, finden sie immer besser in die Diskussion. Zweimal ertönt das Glöckchen als Zeichen, dass sie nun zum Ende kommen sollten mit ihrer Argumentationsrede. So wird sichergestellt, dass jeder einen ungefähr gleich hohen Redeanteil hat.
Zum Thema:Silvester ohne Feuerwerk: So denken die Mülheimer darüber
Die Verbots-Befürworter führen das Leiden von Tieren, das Verletzungsrisiko, den CO2-Ausstoß, den Anfall von etlichen Tonnen Müll und die damit einhergehende Überlastung der Müllabfuhr als Argumente an. Die Gegenseite hingegen betont, dass Verletzungen selten vorkommen und die meisten Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Böllern hätten, bis auf wenige Ausnahmen. „Das sind einfach Kriminelle und die wird es immer überall geben“, findet Hana. Und: „Silvester ohne Feuerwerk ist kein Silvester.“ Die Umweltbelastung durch Autos und andere Verkehrsmittel sei entschieden höher.
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Am Schluss greift jeder Kandidat noch einmal ein Gegenargument auf und bekräftigt seine Meinung in einem Fazit. Die Pro-Seite appelliert noch einmal speziell an ihre Altersgenossen und deren Verantwortung: „Wer zu Fridays for Future geht, sollte kein Feuerwerk zünden“, finden sie. Jetzt sind noch einmal die Zuschauer gefragt. Hat sich ihre Meinung durch die Debatte verändert? Genau das ist der Fall. Nun gibt es eine knappe Mehrheit für ein Verbot. Debattier-Kandidat Bilal rundet die Veranstaltung mit einem langen, stimmungsvollen Klavierspiel ab.
Styrumer Bezirksbürgermeister: „Das, was ihr grade gemacht habt, ist Politik“
Auch Bezirksbürgermeister Heinz-Werner Czeczatka-Simon (SPD) stattet der Schule zu diesem besonderen Anlass einen Besuch ab. „Das, was ihr grade gemacht habt, ist Politik“, erklärt er den Jugendlichen. Er kommt bei seiner Rede auch auf Persönliches zu sprechen. So züchte er schon sein ganzes Leben lang Tiere und bekomme daher hautnah mit, wie diese unter dem Feuerwerk leiden. Er erinnert sich aber auch an frühere eigene Erfahrungen mit Silvesterraketen. Als Kompromiss schlägt er ein Lichter-„Feuerwerk“ oder eine Laser-Show vor, die nur von professionellen Pyrotechnikern durchgeführt werden.
Nun verkündet die Jury das mit Spannung erwartete Ergebnis. Durchsetzen kann sich die Vertreterin der Contra-Seite: Hana hat nach Ansicht der Jury am besten ihre Meinung gegen ein Feuerwerks-Verbot vertreten. Sie habe die meisten Argumente und Fakten genannt, sei gut auf ihre Mitschüler eingegangen und habe durch das beste Ausdrucksvermögen überzeugt. Hana darf ebenso wie der Zweitplatzierte Bilal als ihr Stellvertreter zum Regionalwettbewerb reisen.