Mülheim. Erzieher-Verband warnt: Durch den Personalmangel ist in Kitas die Aufsichtspflicht gefährdet. Gilt das auch für Mülheim? Wir haben nachgehakt.
Der Verband für Kitafachkräfte NRW schlägt Alarm. Laut der Vorsitzenden Maren Kremer geht der Personalmangel in den Kitas inzwischen so weit, dass die Fürsorgepflicht nicht gewährleistet werden kann. „Die Fachkräfte sind seelisch und körperlich an ihrer Belastungsgrenze“, warnt die Verbandschefin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.
Wie weit der Fachkräftemangel führen kann, erleben derzeit Familien in Tübingen. Nur drei der 43 städtischen Einrichtungen erfüllen dort noch den Mindestpersonalschlüssel. Konsequenz: Die Stadt Tübingen kündigt eine generelle Kürzung der Kitazeiten an. Grund genug für unsere Redaktion, bei den Mülheimer Kitas nachzufragen, wie ernst die Lage hier ist.
Wo fehlt Personal in den Mülheimer Kitas?
90 Kitas gibt es in Mülheim, darunter 36 städtische Einrichtungen. Der Fachkräftemangel macht sich laut Marc Heiderhoff vom Amt für Kinder, Jugend und Schule besonders dann bemerkbar, wenn Personal für neu gegründete Einrichtungen gesucht werde.
Das Deutsche Rote Kreuz betreibt aktuell zwei Kitas in Mülheim und plant eine dritte im Forum. Auch die zwei bestehenden Kitas haben mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. An der Kita am Wenderfeld konnte eine Gruppe bislang noch nicht eröffnet werden, weil 2,5 Erzieherstellen unbesetzt sind. Die Kita „Die Rettungszwerge“ an der Löhstraße hat derzeit 60 offene Fachkraftstunden, was in etwa 1,5 Erzieherstellen entspricht.
Die neun evangelischen Kitas in Mülheim haben im Moment keine unbesetzten Stellen. Zwei Vollzeitkräfte werden über einen Personaldienstleister beschäftigt. Beim Kita-Zweckverband des Bistums Essen, das für die 15 katholischen Kitas in Mülheim zuständig ist, heißt es etwas schwammig: „Offene Stellen können nicht immer umgehend besetzt werden. Die Mindestbesetzung kann jedoch in der Regel sichergestellt werden.“
Was passiert im Fall eines Personalmangels?
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Wenn die Personaldecke vielerorts nur für die Mindestbesetzung reicht, dann kommt es bei Krankheitsausfällen im Erzieherteam schnell zu Engpässen. Emine Bektas, stellvertretende Leiterin der Kita „Die Rettungszwerge“, sagt: „Dann kommt es vor, dass wir Betreuungszeiten kürzen und Eltern bitten müssen, ihre Kinder früher abzuholen.“
Zum Hintergrund: Kitas wird genau vorgeschrieben, wie viele Erzieherinnen wie viele Kinder betreuen dürfen. Fehlende Fachkräfte können nicht durch Kinderpfleger oder andere verwandte Berufe aufgefangen werden. Wenn eine Kita ihren vorgeschriebenen Personalschlüssel dauerhaft nicht erfüllt, muss sie eine entsprechende Meldung an die Stadt sowie an das Landesjugendamt beim LVR machen.
Gibt es in Mülheim Kitas mit extremem Personalmangel?
Aktuell gibt es eine Kita, die eine entsprechende Meldung bei Stadt und LVR machen musste. Dabei handelt es sich um die sechsgruppige Kita KiKuKinderland am Siepmanns Hof. Der Träger „Kinderzentren Kunterbunt“ aus Nürnberg musste die Betreuungszeiten verkürzen und zeitweise Gruppen schließen (wir berichteten). Aktuell befinden sich alle Beteiligten in Gesprächen, die Personalsituation in der Kita ist unter anderem Thema im Jugendhilfeausschuss am Freitag, 3. Februar.
Bei der betroffenen Kita handelt es sich um eine Einrichtung, die mit besonders arbeitnehmerfreundlichen Arbeitszeiten wirbt und zum Beispiel nicht in den Ferien schließt. Diese Einrichtungen bieten berufstätigen Eltern im Idealfall viele Möglichkeiten, sind aber auch besonders personalintensiv.
Wie schwierig ist die Situation für Erzieherinnen und Erzieher wirklich?
Diese Frage ist von Einrichtung zu Einrichtung ganz unterschiedlich zu beantworten, manchmal sogar von Gruppe zu Gruppe. Unsere Redaktion hat sich bei Erzieherinnen aus verschiedenen Kitas umgehört und festgestellt, dass die Zufriedenheit schwankt. „Wenn man zu zweit zwanzig Kinder betreut, geht es nur darum, dass alle versorgt sind“, sagt eine Erzieherin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist inzwischen in eine deutlich kleinere Einrichtung mit stärkerer Personaldecke gewechselt. Dort hat sie die Möglichkeit, auch mal kleine Projekte mit den Kindern umzusetzen und Schwerpunkte zu setzen. „Das wäre in der alten Kita gar nicht möglich gewesen.“
Eine andere Erzieherin, die bereits zwei Mal die Einrichtung gewechselt hat, sagt: „Ein Riesenunterschied ist auch der Papierkram. Wenn ich jedes winzige Bisschen für das hausinterne Qualitätsmanagement dokumentieren muss, verliere ich enorm viel wertvolle Zeit, die ich sonst für die Kinder einsetzen könnte.“
Kann zusätzliches Personal die Fachkräfte entlasten?
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Der Deutsche Kita-Bund schlägt vor, das Fachpersonal durch Hausmeister und Hauswirtschafter zu entlasten. Marc Heiderhoff ist skeptisch: „Menschen, die vor Ort Aufgaben übernehmen, sorgen natürlich für Entlastung. Aber sie tragen nicht dazu bei, das Fachkräfteproblem zu lösen. Der Personalschlüssel muss trotzdem erfüllt werden.“ Generell arbeite man in den städtischen Kitas gern mit zusätzlichem Personal zusammen. „In 26 städtischen Einrichtungen wird frisch gekocht“, sagt Heiderhoff.
Außerdem gebe es etwa noch das Kita-Helfer-Programm. Diese Helferinnen und Helfer entlasten die Fachkräfte bei einfachen, nicht pädagogischen Tätigkeiten. „Die Entlastung der Fachkräfte ist spürbar und einige Alltagshelfer und -helferinnen konnten für eine Weiterbildung zur Fach- oder Ergänzungskraft gewonnen werden“, resümiert Barbara Wagner vom Kita-Zweckverband des Bistums Essen. Bei den Rettungszwergen vom DRK tragen aktuell mehrere Praktikanten dazu bei, dass die Kinder trotz personeller Mindestbesetzung nicht auf Ausflüge ins Grüne verzichten müssen.
Warum gibt es zu wenig Erzieherinnen und Erzieher?
Fest steht: Der U3-Ausbau, zunehmender Förderbedarf, längere Arbeitszeiten der Eltern haben den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers drastisch verändert. Möglicherweise lockt der Job auch deshalb seit einigen Jahren weniger Nachwuchs an. So fordert der Kita-Zweckverband des Bistums Essen, „das Image des Berufsstandes öffentlichkeitswirksam zu verbessern, die Kita als Bildungseinrichtung zu präsentieren und seine gesellschaftliche Relevanz zu betonen“.