Mülheim. Der Ringlokschuppen wird ab Frühjahr von zwei Frauen geführt: Daniele Daude und Leonie Arnold. Ein erstes Interview - in der Einarbeitungszeit.

Der Startschuss ist noch nicht gefallen. Noch werden Dr. Dr. Daniele Daude und Leonie Arnold von ihren Vorgängern Matthias Frense und Andrea Friedrich in die Geheimnisse des Ringlokschuppens eingeführt. Im Frühjahr aber werden sie dort das Steuer übernehmen. Im Interview mit unserer Zeitung verrieten sie schon mal ein wenig von sich und von ihren Plänen.

Frau Daude, Sie sind in Frankreich aufgewachsen und haben dort zunächst Musik studiert...

Daude: Ja, ich wurde im Norden von Paris groß, habe dort das regionale Konservatorium besucht. Eigentlich wollte ich Orgel spielen, bin dann aber doch Geigerin geworden.

Frau Arnold, sie stammen aus Mülheim - und sind nach ersten Berufsjahren nun auch wieder hier gelandet...

Arnold: Das stimmt. Ich habe Kulturwirtschaft an der Uni Essen/Duisburg studiert, war in Mülheim Kulturbotschafterin des CBE, habe bei der Stiftung Zollverein und zuletzt beim Regionalverband Ruhr gearbeitet, wo ich viereinhalb Jahre Kulturprojekte mit eingestielt und durchgeführt habe - zum Beispiel die „Wissensnacht Ruhr“ oder die „Interkultur Ruhr“.

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Das heißt, Sie werden auch im Ringlokschuppen Anträge für Projekt-Gelder formulieren und sich um das Finanzielle kümmern...

Arnold: Ja, ganz sicher. Ich habe eine Leidenschaft für Zahlen und fürs Rechnen - und sehr großes Interesse an Kultur. Ich freue mich also sehr auf den neuen Job.

Ihre berufliche Laufbahn ist äußerst vielfältig, Frau Daude. Und Sie scheinen vieles gleichzeitig machen zu können….

Daude: Zunächst habe ich als Musikerin in Orchestern und Kammermusikensembles gespielt. Parallel dazu habe ich Musikwissenschaft in Paris und dann Theaterwissenschaft in Berlin studiert. Ich wollte mich mehr aufs Theoretische konzentrieren. Mein Schwerpunkt war die Oper beziehungsweise die Opernanalyse. Ich habe dieses Genre aus theater- und musikwissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Am Ende habe ich in beiden Fächern promoviert. Das ist möglich, wenn man nicht schläft und ohne Freunde auskommt (scherzhaft gemeint, lacht).

Ein toller Veranstaltungsort in der Müga in Mülheim: Der Ringlokschuppen von oben.
Ein toller Veranstaltungsort in der Müga in Mülheim: Der Ringlokschuppen von oben. © Unbekannt | Hans Blossey

Sie lieben also die Oper?

Daude: Ich mag Opern sehr. Ich interessiere mich vor allem auch für die Barockoper, die in der letzten Zeit zum Objekt der Forschung und der Theaterpraxis geworden ist.

Was gefällt es Ihnen besser - Paris oder Berlin?

Daude: Ich mag beide Städte. In Paris sind die Menschen ein wenig arroganter – aber die Essenskultur ist toll. 80 Prozent der Gespräche drehen sich ums Essen. Berlin hat viele kleine künstlerische Inseln. Es gibt eine große freie Szene, eine Opernszene, eine Szene für Neue Musik und eine Performance-Szene.

Sie haben auch in der Karibik gearbeitet?

Daude: Ich bin 2013 für eine einjährige Gastprofessur an die Kunstuniversität Campus des Arts auf Martinique berufen worden und bin dann sogar zwei Jahre dort geblieben. Meine Arbeit bestand unter anderem darin, den Fachbereich Darstellende Künste für Musik, Tanz und Theater aufzubauen. Ich habe so viel gearbeitet, dass ich vom Leben dort leider nur wenig mitgekriegt habe.

Und nach diesem Auslandsaufenthalt?

Daude: Da habe ich als Dramaturgin für Musik und Theater gearbeitet, unter anderem am Konzerthaus in Berlin und dann am Theater Oberhausen.

In Oberhausen haben Sie eine feministische Reihe kuratiert...

Daude: Ja, die Reihe ist von meiner geschätzten Kollegin, der Regisseurin Miriam Ibrahim, ins Leben gerufen worden. Es ging darum, intersektionellen feministischen Perspektiven eine Bühne zu geben. Es gab viele Formate, zum Beispiel Lesungen Gespräche, Stücke und Performances.

Das passt zum Konzept des Ringlokschuppens, der sich dem Multikulturellen und Multiperspektivischen verschrieben hat. Wird das auch weiterhin der Fokus sein?

Daude: Ich muss mit dem Team erst noch genauer sprechen. Inhaltlich sind wir zwei Neuen erst in 2024 zuständig. Über den Spielplan, die Schwerpunkte, mögliche Reihen werden wir gemeinsam reden. Für meine Bewerbung musste ich ein Programmkonzept vorlegen, das sicher auch einfließen wird in die Gespräche. In der freien Szene gibt es mehr Möglichkeiten, etwas zu bewegen und zu verändern. Das reizt mich, ich habe viele Ideen. Wir werden aber nicht alles neu machen und beispielsweise langfristige Kooperationen mit Künstlerkollektiven weiterführen.

Arbeiten sich gerade ein in ihren neuen Job: Daniele Daude (li.) und Leonie Arnold im Foyer des Mülheimer Ringlokschuppens.
Arbeiten sich gerade ein in ihren neuen Job: Daniele Daude (li.) und Leonie Arnold im Foyer des Mülheimer Ringlokschuppens. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Warum haben Sie sich beim Ringlokschuppen beworben, Frau Arnold?

Arnold: Ich kenne den Ringlokschuppen ja schon seit meiner Kindheit als tolles und vielseitiges Haus und eine Einrichtung, die den Diversitätsgedanken in den Mittelpunkt stellt. Nach fast fünf Jahren in der öffentlichen Verwaltung habe ich total Lust, die freie Szene kennenzulernen und das Haus weiterzuentwickeln. Die Wege sind hier kürzer als in der Verwaltung, man kann leichter und schneller etwas Innovatives realisieren, denke ich. Aber wir werden auch an Bewährtem festhalten, zum Beispiel am popkulturellen Angebot (Kabarett- und Comedyreihe), das ist auch finanziell ein wichtiges Standbein.

Diversität und Diskriminierung sind zwei ihrer Themen, Frau Daude. Sie haben 2013 den Com Chor, einen Community Chor für Schwarze Menschen, Indigene und Persons of Colour (kurz BIPoC) gegründet und 2016 The String Archestra, ein Ensemble, das ungespielte Werke von BIPoC-Komponistinnen und Komponisten präsentiert...

Daude: Komponistinnen und Komponisten, die nicht weiß und männlich sind, werden nicht archiviert in der Klassischen Musik. Durch jahrzehntelange Arbeit von Aktivist*innen und kritischen Musikwissen-schaftler*innen steigt jetzt aber der Druck, den bisherigen Kanon (Anm.: die Liste mustergültiger Werke) zu erweitern und die übliche Musikpraxis zu verändern.

Verraten Sie uns zum Schluss auch etwas zu ihrer familiären Situation oder ihren Hobbys?

Daude: Ich war mal Leistungssportlerin im Hürdenlauf und im Sprint und würde auch gerne mal wieder Romane lesen können, wenn ich mehr Zeit hätte.

Arnold: Ich lese gerne Gedichte oder auch Sachbücher. Und ich bin Mitglied im Verein für solidarische Landwirtschaft und bearbeite zusammen mit meinem Vater ein kleines Selbsterntefeld in Mintard. Das, was ich ernte, koche ich auch gerne.