Mülheim. Das Theaterkollektiv KGI zeigt im Mülheimer Ringlokschuppen seine neue Produktion „Die Spitze des Fleischbergs“. Premiere ist am Freitag.
Drei Frauen mit langen blonden Zöpfen – Großmutter, Mutter, Tochter – erinnern sich: „Meine Oma hat vor jeder Prüfung eine Kerze für mich angezündet“, heißt es. Oder: „Als ich klein war, hat meine Mutter sich mit mir auf die Couch gesetzt und mir AC/DC vorgespielt.“ Und schließlich: „Meine Oma war beim Bund Deutscher Mädel.“ Mit einer Textcollage aus Erinnerungen beginnt das neue Stück der Theatergruppe „KGI: Büro für nicht übertragbare Angelegenheiten“, das am Freitag, 28. Oktober, um 20 Uhr im Ringlokschuppen Premiere hat.
Die Produktion heißt „Die Spitze des Fleischbergs“ und ist eigentlich der zweite Teil einer Trilogie. Zuletzt hatten KGI mit der „Ur-Heidi“ ein Stück über Großväter und ihre NS-Vergangenheit auf die Bühne gebracht, diesmal geht es um die Großmütter und um die Fragen: Wie übertragen sich Gefühlswelten und Selbstwertschätzung von der Oma auf die Mutter und die Tochter? Wirken sich NS-Biografien noch auf die folgenden Generationen aus? „Ganz sicher. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Ängste oder Traumata sozusagen vererbt werden können“, erklärt Dramaturgin Anna Bründl.
KGI-Team recherchierte in Erziehungsratgebern aus der Nazi-Zeit
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Auch die Erziehungsmethoden der Großmütter wirken unter Umständen noch bei den Enkelinnen nach. In ihrer Recherche widmeten sich die Theaterleute daher Erziehungsratgebern aus der Nazi-Zeit – vor allem dem damals weit verbreiteten Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Johanna Haarer. „Darin wird aufgezeigt, wie eine deutsche Mutter ihre Kinder zu erziehen hat“, berichtet Anna Bündl. „Wir haben festgestellt, dass die darin gegebenen Ratschläge eine Beziehungs- und Bindungslosigkeit förderten, statt Nähe zu schaffen. Es wurde empfohlen, nicht auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und sogar gegen die eigene mütterliche Intuition zu arbeiten“, berichtet Anna Bründl.
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Eigenes biografisches Material ist ebenfalls in die Theaterperformance eingeflossen. Die Darstellerinnen haben Interviews mit ihren Müttern und Großmüttern zum Thema geführt. Die Produktion stützt sich zudem auf das brutale Märchen „Das eigensinnige Kind“ der Gebrüder Grimm. Es geht darin um ein Kind, das – weil es nicht gehorcht – stirbt. Noch im Grab streckt es das Ärmchen nach der Mutter aus, die mit einer Rute darauf schlägt.
Bildgewaltiges Theater im Mülheimer Ringlokschuppen
Das KGI-Ensemble versucht, das Thema Frau-Sein und Mutterschaft in drei Generationen in einer theatralen, bildgewaltigen Art und Weise zu beschreiben. „Wir geben dem Unterbewussten eine theatrale Übersetzung“, nennt es die Dramaturgin. Am Ende komme „ein Verdacht“ auf: Wenn Kinder solche Erfahrungen machen in ihrer Erziehung wie die Kinder der Kriegsmütter und Kriegskinder, sind sie vielleicht anfälliger für Ideologien und Autorität.
Eine zweite Vorstellung ist am Samstag, 29. Oktober, um 20 Uhr. Karten (15/8 Euro) und Informationen auf www.ringlokschuppen.ruhr