Mülheim. Raketen, Böller, Pyrotechnik – feuerspeiender Spaß zu Silvester und zugleich brandgefährlich. Was Mülheimer Ärzte in der Silvesternacht erwarten.
In der Silvesternacht und am Neujahrsmorgen sind die Mülheimer Mediziner Dr. Christian Soimaru und Prof. Dr. Johannes Schneppendahl mit ihrer Kunst gefragt, wenn Menschen zuvor leichtsinnig mit Feuerwerk hantiert haben. Was sie rund um den Jahreswechsel im Krankenhaus erleben.
In manchen Fällen bleibt nur noch die Amputation: Dr. Christian Soimaru ist Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie am Evangelischen Krankenhaus, Prof. Dr. Johannes Schneppendahl ist Chefarzt der dortigen Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Beide können auf zahlreiche Fälle zurückblicken, in denen sie sich mit Verbrennungen oder auch abgetrennten Fingern rund um Silvester beschäftigen mussten.
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„In den beiden letzten Jahren war es wegen Corona ein wenig ruhiger“, konstatiert Christian Soimaru. „Wir müssen aber davon ausgehen, dass es dieses Jahr wieder schlimmer werden wird.“ Die Bandbreite der in der Silvesternacht auftretenden Verletzungen sei sehr groß. „Das reicht von Leuten, die mit einem Schrecken davonkommen bis hin zu abgetrennten Fingern oder sogar Händen.“
Mülheimer Mediziner sehen Brandverletzungen als großes Risiko
Die beiden Fachleute lassen keinen Zweifel daran, dass es rund um Knaller und Raketen einen bunten Strauß an Möglichkeiten gibt, sich zu verletzen. Dabei seien Verbrennungen der häufigste Grund für fachärztliche Versorgung. „Wenn Sie eine Silvester-Rakete aus der Hand steigen lassen, dann ist die Rakete nicht das eigentliche Problem“, so Soimaru. „Das Problem ist der Feuerstrahl, der hinten aus der Rakete entweicht und den Auftrieb erzeugt.“ Lasse man eine solche Rakete aus der Hand aufsteigen, dann könne das Verbrennungen bis zum dritten Grad verursachen.
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Bei Verbrennungen werden vier Grade unterschieden. Der klassische Sonnenbrand ist das Parade-Beispiel für den ersten Grad. „Sowas heilt komplett ab, ohne dass man etwas davon zurückbehält“, so Soimaru. Bei Verbrennungen zweiten Grades unterscheidet man wiederum in A und B. Bei beiden Graden bilden sich Brandblasen, die in der A-Variante aber ebenfalls verheilen, ohne Narben zu hinterlassen. Bei einer Verbrennung zweiten Grades in der Stufe B bleiben dann aber sehr wohl Narben zurück.
„Eine Verbrennung dritten Grades ist so folgenschwer, dass sie in der Regel operiert werden muss“, erläutert Johannes Schneppendahl die nächste Stufe. Dabei ist überraschend, wie relativ einfach es zu solchen Verbrennungen kommen kann. So sei bereits eine Person, die das Bewusstsein verliert und dabei mit einem ungeschützten Körperteil dauerhaft einen eingeschalteten Heizkörper berührt, gefährdet.
Ärzte des EKM warnen vor Leichtsinn
„Es gibt auch noch Verbrennungen vierten Grades“, ergänzt Christian Soimaru. Das seien aber Verletzungen, die nahezu ausschlich in Kriegszusammenhängen oder in Verbindung mit Starkstrom auftreten – also eher nichts für Silvester. Neben Verbrennungen durch Raketen komme es auch häufig zu Verletzungen der Hände durch explodierende Knaller, die nicht ordnungsgemäß verwendet werden oder durch Experimentierfreudige, die sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, was den Eigenbau von Feuerwerkskörpern betrifft, entscheidend überschätzen.
Bei Verletzungen der Hand wird es schnell kompliziert. Das liegt am komplizierten Aufbau der Hand und dem vielschichtigen Zusammenspiel ihrer Einzelteile. „Die Hand-Anatomie ist sehr komplex“, erklärt Johannes Schneppendahl. Nicht ohne Grund erfordert die Ausbildung zum Hand-Chirurgen eine mehrjährige Spezialausbildung. „Es gibt zahlreiche Muskeln, Sehnen und Bänder, die die Hand im Zusammenspiel funktionieren lassen.“
Mülheimer Mediziner sehen Frauen als das klügere Geschlecht
Neben all den Raketen und Knallern sorge speziell zu Silvester aber auch ausufernder Alkoholkonsum mit einhergehender Aggressivität für diverse Verletzungen. Zu den bereits Genannten kommen dann noch die Opfer körperlicher Auseinandersetzungen hinzu. Sowohl bei Verletzungen durch Raketen und Knaller als auch bei Verwundungen durch Prügeleien sehen die Ärzte in ihren Behandlungsräumen weniger Frauen – nach Meinung der Mediziner offenbaren die sich als das klügere Geschlecht. „Die Betroffenen sind überwiegend Männer“, bestätigt Schneppendahl, „vom Teenager bis zu einem Alter von rund 30 Jahren“, ergänzt Soimaru.
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Er gibt abschließend noch einen wichtigen Hinweis in Sachen Finger- und Handverletzungen mit: „Glatt abreißen oder abschneiden ist besser als skalpieren“, wie es immer mal wieder passiere, wenn Menschen bei Überklettern eines Zaunes mit einem Ring hängenbleiben. Wenn die Finger glatt abgetrennt sind, dann sei das Annähen sehr oft möglich. Wenn das Fleisch hingegen weggerissen werde und nur noch der Knochen übrig bleibe, dann bleibe oft nur noch die Amputation.