Mülheim. Das frühere Hotel Noy in Mülheim soll bald als „Tante Alma’s“ neu durchstarten. Einzigartig erscheint das Haus voller Trödel und Überraschungen.
Vor dem ehemaligen Hotel Noy an Mülheims Schloßstraße ist der Baucontainer verschwunden, der dort Monate lang das Bild beherrschte. An der Eingangstür klebt ein hellgelbes, handgeschriebenes Schild: „Tante Alma’s Mülheimer Hotel“. Wer Pakete oder Post bringt, möge klingeln. Tatsächlich sind im Inneren des Gebäudes Menschen zugange, und beim Betreten erlebt man eine Überraschung. Die lange angekündigte Design-Herberge ist schon weitgehend eingerichtet.
Wer große, moderne Hotelbetriebe schätzt, in denen jedes Zimmer dem anderen gleicht, wo alles abwaschbar und steril wirkt, wird bei „Tante Alma“ nicht an der richtigen Adresse sein. Das Haus wurde komplett mit gebrauchtem Inventar aus Großmutters Zeiten ausgestattet. „Wir arbeiten mit einer Agentur für Innendesign zusammen“, erklärt Marc J. Schlieper, Geschäftsführer des Betreibers, der bereits „Tante Alma’s“-Häuser in Köln, Bonn und Mannheim führt. Die Sachen würden auf Trödelmärkten oder bei Antiquitätenhändlern besorgt.
„Tante Alma’s“ auf der Schloßstraße in Mülheim: Kein Standardhotel
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Bewusst soll sich das Konzept von Standardhotels abheben, soll ein „Nischenprodukt“ mit erhöhtem Wohlfühlfaktor angeboten werden, wie Schlieper erläutert. „Hier geht es auch um Emotionen“, um Erinnerungen an Dinge, die es vielleicht bei der eigenen Oma zu Hause gab. „Wir wollen gute Gastgeber sein“, verspricht das Team.
Auch der Einsamkeit in fremden Städten, die gerade Geschäftsreisende gelegentlich verspüren, will „Tante Alma’s“ begegnen. So wurde aus dem schlichten Frühstücksraum im Mülheimer Hotel ein geräumiges Wohnzimmer mit zahlreichen Polsterstühlen, Couchen und Tischen, offen für alle, die Gemeinschaft suchen. Morgens steht hier das Frühstücksbuffet, tagsüber kann man abhängen oder arbeiten (das Gebäude hat neues WLAN bekommen), nachmittags um 16 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen (bereits inklusive), sonntagabends pünktlich um 20.15 Uhr treffen sich interessierte Gäste zum „Tatort“, der per Beamer auf einer großen Leinwand gezeigt werden soll.
Ab 13. Februar 2023 kann man bereits Zimmer reservieren
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Übernachtet wird in insgesamt 50 Zimmern, davon 24 Einzelzimmer, die ebenfalls nostalgisch-plüschig eingerichtet sind. „Wir hoffen, dass wir zum 1. Februar 2023 übernehmen können“, so der Geschäftsführer. Über die Website des Mülheimer Hotels kann man ab 13. Februar buchen. Die ersten Reservierungen seien schon eingegangen, heißt es. „Die Zimmerpreise starten im Schnitt bei 79 Euro pro Zimmer und Nacht“, erklärt Marc J. Schlieper.
Für Gäste, die länger bleiben, beispielsweise Studierende, soll es Sondertarife geben: „Ein Monatsaufenthalt beginnt bei 899 Euro für Studierende.“ Zielgruppe seien jedoch vorrangig Geschäftsreisende, erklärt Schlieper, etwa Messegäste, die in Essen oder Düsseldorf zu tun haben. Außerdem hofft man auf Touristen, die im Ruhrgebiet Station machen.
Der Zeitplan bis zur Eröffnung von „Tante Alma’s“ musste schon deutlich gestreckt werden. Anfang 2020 wurde das Mülheimer Traditionshotel Noy verkauft an den Bremer Immobilienunternehmer Christian Schlemm. Er setzte einen aufwendigen Umbau in Gang und verpachtete das Gebäude an die Tante Alma Hangout GmbH. Ursprünglich sollte deren Hotel im Retro-Look bereits im Spätsommer 2022 eröffnen, aber die notwendige Kernsanierung verzögerte sich. Baufima und Handwerker waren zwar zur Stelle, doch es gab erhebliche Lieferschwierigkeiten bei Material und Technik. Was aktuell noch fehlt, ist eine zusätzliche Brandschutztreppe, von der man hofft, dass sie bis Mitte Januar eintrifft.
Fenster, Rezeption und Teppichboden vom Hotel Noy bleiben
Wer das Hotel Noy kannte, wird einiges wiederentdecken. So bleibt der rote, gepunktete Teppichboden liegen, der sich vom Eingangsbereich durch das schön geschwungene Treppenhaus zieht. Der Rezeptionstresen steht in bekannter Optik am angestammten Platz, künftig sollen eincheckende Gäste dort mit einem Eierlikörchen begrüßt werden. Und auch die Fenster haben die neuen Betreiber erhalten, „weil sie unfassbar gut isolieren“, wie Marc J. Schlieper erklärt.
Die steigenden Energiekosten seien in der Hotelbranche, wie überall, „ein ganz großes Thema“. Um sie im Griff zu halten und sich nachhaltiger aufzustellen, wurden an der Schloßstraße 28-30 alle Heizkörper erneuert und die frühere Ölheizung durch einen Fernwärmeanschluss ersetzt.
„Es wird kein Haus, das jedem gefällt“
Das „Tante Alma“-Konzept dreht sich um eine fiktive ältere Dame, deren Herz unter anderem für Sauberkeit und Pünktlichkeit schlägt, schrille Farben, verkitschte Deko-Stücke, Sammeltassen, morgendliches Yoga, nachbarschaftliches Engagement oder den „Tatort“. In jedem ihrer Hotels pflegt die Gastgeberin ein spezielles Steckenpferd. So tritt sie in Mülheim als verrückte Erfinderin auf, bekommt auch eine „Tüftlerwerkstatt“ im früheren, fensterlosen Tagungsraum, in der die Gäste allerlei Schnickschnack entdecken können.
Im Wohnzimmer gibt es, neben unzähligen Lampenschirmen, Porzellanfiguren, Etageren, Wandtellern und anderen Staubfängern, auch das „Radio Gaga“ – einen Apparat aus der Urzeit des Rundfunks, der angeblich nur gute Nachrichten durchlässt. „Wir wollen uns mit lustigen Geschichten abheben“, sagt der Chef von „Tante Alma’s“. Und fügt hinzu: „Es wird kein Haus, das jedem gefällt. Aber dafür haben wir auch nur 50 Zimmer, keine 300.“