Mülheim. Mit einer Immobilie in Mülheim ließe sich gutes Geld verdienen – haben sich Betrüger aus dem Ausland gedacht. Wie sie entlarvt wurden.

„Exklusive zentral gelegene Dachgeschoss-Loft-Wohnung mit großem Balkon zu verkaufen“: Schön gelegen in der Adolfstraße, 100 Quadratmeter, zwei Zimmer mit Balkon, Erstbezug im Neubau. Kaufpreis: 180.000 Euro – ein mehr als gutes Angebot.

Das dachte sich auch Uwe Nehrig, der für sich und seine Frau Heike Tholen gerade auf der Suche nach einer Eigentumswohnung war. Altersgerecht sollte sie sein und zentral gelegen. Das Angebot auf einer bekannten Immobilienplattform schien ziemlich gut zu sein – wie sich später herausstellen sollte: zu gut, um wahr zu sein.

Betrüger geben sich gegenüber Mülheimer Paar als Pilot und Stewardess aus

Unserer Redaktion liegt der E-Mail-Verkehr mit den vermeintlichen Verkäufern vor. Eine erste Nachricht von Nehrig wird noch auf Deutsch beantwortet: „Sehr geehrte Damen und Herren, Vielen Dank für Ihr Interesse und schön, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Maria Steiger und Ich besitze die Immobilie in Adolfstraße 79, 45468 Mülheim an der Ruhr. Ich habe zusammen mit meinem Mann einen Verkaufspreis von 180.000,00 € festgelegt.“

Wie man sieht, ist die Nachricht nicht ganz fehlerfrei. Aber dafür hat Maria Steiger eine plausible Erklärung: „Wir arbeiten beide im Luftverkehr, ich bin Flugbegleiterin und mein Mann ist Pilot bei Fly Emirates. Wenn Sie immer noch interessiert sind, bitte kontaktieren Sie mich um Ihnen weitere Informationen darüber zu geben, Besuch planen, etc. Sprechen Sie Englisch? Es wäre einfacher für mich.“

Eine schöne Geschichte: Pilot verliebt sich in Stewardess – oder umgekehrt. Passend zur Story kommen die E-Mails von einer Adresse, die auf „@emirates-group-careers.com“ endet.

Stewardess kommt nach Mülheim nur zum Urlaub machen

Kein Problem, denkt sich der Vertriebsingenieur Nehrig. Mit Hilfe seiner Frau, die als Grundschullehrerin arbeitet, geht die Kommunikation dann also auf Englisch weiter. „Viele Grüße und ein schönes Wochenende!“, schreibt Maria Steiger dann noch – ganz so, wie es sich gehört.

Früher, so heißt es in der nächsten Nachricht, habe Frau Steiger für die Lufthansa gearbeitet und die vollständig abbezahlte Wohnung gehöre ihr ganz allein. Für die Liebe (siehe oben) sei sie dann aber vor einem Jahr nach England zu ihrem Mann gezogen. Jetzt brauche sie die Wohnung nicht mehr. Mülheim würde sie allenfalls noch besuchen, um Urlaub zu machen. (Immer schön zu hören, wenn Menschen von außerhalb Mülheim als Urlaubsort entdecken.)

Ominöse Agentur fordert Vorauszahlung: Mülheimer schöpft Verdacht

Frau Steiger ist aber eine vielbeschäftigte Frau. Deswegen hat sie die Abwicklung der Geschäfte einer Agentur übergeben. Für eine Stewardess scheint sie überdies nicht schlecht zu verdienen oder reich geerbt zu haben. Denn weiter lesen wir, dies sei schon die zweite Wohnung, die sie mit Hilfe dieser Agentur verkaufe. (Eigentlich könnte Frau Steiger ihren Beruf wohl an den Nagel hängen – aber Fliegen ist wahrscheinlich einfach ihre Leidenschaft.)

Die Agentur benötige nun eine Ausweiskopie des Interessenten Nehrig, um dann im nächsten Schritt einen Besichtigungstermin vereinbaren zu können – als Vertrauensvorschuss hat sie ihren gleich der E-Mail angehängt. Demnach ist Frau Steiger gebürtige Portugiesin. Mit Mitte vierzig dürfte ihre Karriere als Stewardess bald zu Ende sein – gut, dass sie für ihren Ruhestand schon vorgesorgt hat.

Das Angebot war verlockend: Nur leider steht die Immobilie in der Mülheimer Adolfstraße 79 gar nicht zum Verkauf.
Das Angebot war verlockend: Nur leider steht die Immobilie in der Mülheimer Adolfstraße 79 gar nicht zum Verkauf. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Uwe Nehrig macht nun den Fehler – sein einziger –, die geforderte Ausweiskopie abzuschicken. Daraufhin meldet sich der vermeintliche Immobilienmakler. Auf dessen protziger Fake-Homepage ist zu lesen, dass man über Büros in ganz Europa verfüge: London, Paris, Budapest, Mailand. Spezialisiert hat man sich offenbar auf das Geschäft mit Luxusimmobilien in den entsprechenden Ländern: Alle aber schon verkauft. Nicht schlecht. Dagegen wirkt die Mülheimer Loftwohnung geradezu wie eine Schrottimmobilie.

An diesem Punkt wird Nehrig endgültig stutzig. Der Makler verlangt nämlich nun in einer detaillierten und realistisch-verklausulierten E-Mail 3,5 Prozent (6300 Euro) des Kaufpreises als Anzahlung. Damit könne sich Herr Nehrig das Vorkaufsrecht sichern. Im Anschluss fände dann die Besichtigung statt (mit Maklern aus London?). Uwe Nehrig überweist das Geld nicht.

Mülheimer ergreift die Eigeninitiative

Stattdessen verschafft er sich selbst Zutritt zum Objekt – Handwerker öffnen ihm die Tür. Sodann ermittelt er den Bauherrn und schließlich auch das Mülheimer Unternehmen, das die Loftwohnung in der Adolfstraße 79 tatsächlich inseriert hat – allerdings als Mietwohnung. Die Betrüger haben also einfach die frei verfügbaren Daten aus dem Originalinserat kopiert und daraus ihre eigene gefälschte Anzeige gebastelt. Damit war der Betrugsfall endgültig entlarvt.

Uwe Nehring und seine Frau Heike Tholen sind also noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Ihr Glück war, dass sie selbst in der Adolfstraße wohnen. Damit haben die Betrüger wahrscheinlich nicht gerechnet.

Mülheimer Falschinserat leider kein Einzelfall

Die betreffende Immobilienplattform kennt die Masche und macht auf ihrer Homepage auch darauf aufmerksam. Dass sie leider trotzdem verfängt, bestätigt die für den Fall zuständige Polizei Essen. Wie im vorliegenden Fall verlangen die Betrüger meist Vorauszahlungen, die ins Ausland gehen sollen.

Der Mülheimer Uwe Nehrig, der selbst in der Adolfstraße wohnt, will mit seinem Fall auch andere warnen.
Der Mülheimer Uwe Nehrig, der selbst in der Adolfstraße wohnt, will mit seinem Fall auch andere warnen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Uwe Nehrig hofft, dass durch das Publikmachen seines Falls andere potenzielle Betrugsopfer gewarnt werden. Ihm sei die Masche jedenfalls nicht bekannt gewesen. Beeindruckt und etwas erschrocken zeigt er sich von der kriminellen Energie und dem Erfindungsreichtum der Betrüger.

Hat der Preis ihn denn nicht stutzig gemacht? „Na klar“, sagt Nehrig, „aber ich wollte es wenigstens versucht haben. Es hätte ja auch ein Riesenglücksfall sein können.“