Mülheim. Eine neue Gebührenordnung für Tierärzte tritt im November in Kraft. Manches könnte teurer werden. Was Veterinäre, Tierschutz und Tierhalter sagen.
Es ist selbstverständlich: Auch Tiere müssen zum Arzt – im Krankheitsfall sowie zur Prophylaxe. Und der Besuch beim Veterinär wird jetzt vermutlich teurer. Denn am 22. November tritt eine neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) in Kraft. Muss das den Tierhaltern Sorgen bereiten oder nicht?
Neue Geräte, höhere Personal- und Energiekosten, mehr Bürokratie – die Kosten sind für viele Tierärztinnen und Tierärzte in den letzten Jahren gestiegen. Deshalb hat die Bundestierärztekammer die Gebührenordnung umfassend geändert – erstmals seit 1999. „Die bisherige Gebührenordnung war ein Uraltschuh“, sagt Dr. Christoph Höptner, Veterinär in Mülheim und bestätigt das, was Dr. Uwe Tiedemann, Präsident der Bundestierärztekammer, kürzlich erklärte: „Die Anpassung war längst überfällig, um sicherzustellen, dass eine Tierarztpraxis wirtschaftlich geführt werden kann. Nur so kann eine flächendeckende Versorgung der Tiere gewährleistet werden.“
Mülheimer Veterinärin weiß: „Viele Tierarztbetriebe arbeiten unwirtschaftlich“
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„Die meisten Tierarztbetriebe arbeiten unwirtschaftlich“, weiß auch Dr. Martina Merkt, Tierärztin in Mülheim. Sie findet aber auch, dass jeder Veterinär an seinem Unternehmen „arbeiten könne“: „Man muss nicht jedes neue Gerät besitzen, nicht unzählige Mitarbeiter haben. Wir können nicht alles auf die Kunden abwälzen.“ Gerade in der jetzigen Situation, wo höhere Lebenserhaltungskosten auf die Menschen zukämen, sei es „sehr ungeschickt“ auch die Tierarztgebühren zu erhöhen. „Es ist zu befürchten, dass manche Tierhalter dann nicht mehr kommen“, sagt sie.
Marina Merkt nimmt den Tierhaltern aber auch die Angst vor horrenden Preiserhöhungen. „Es ist bei manchen Leistungen zwar möglich, den drei- bis vierfachen Satz zu nehmen, aber das kann ja keiner mehr bezahlen. Wer wird für eine Katzenkastration 400 statt 100 Euro auf den Tisch legen? Es liegt bei den meisten Leistungen im vorgegebenen Rahmen im Ermessen jedes einzelnen Tierarztes, wie sehr er die Preise erhöht.“ Tatsächlich ist es für Laien schwierig, die neue Gebührenordnung zu durchblicken. „Es gibt auch Posten, die laut Verordnung nicht mehr kosten sollen“, weiß man im Mülheimer Veterinäramt.
Tierärztin aus Mülheim: Nur ein Viertel der vierbeinigen Patienten sind versichert
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Wer ein Tier besitzt, weiß, wie teuer das werden kann. Regelmäßig stehen beispielsweise Impfungen, Entflohung, Entwurmung oder Zeckenschutz an. Mancher Vierbeiner braucht auch ein Dauer-Medikament. „Unsere Emmi muss regelmäßig ein Mittel gegen einen Augenvirus bekommen. Für unsere beiden Katzen müssen wir pro Monat zusammen sicher 100 Euro zahlen. Seit der Anschaffung haben sie uns an die 3000 Euro gekostet“, schätzt Jens Rickhoff aus Heißen. Nicht eingerechnet sind die Operationskosten, die nach einem Unfall für eine der zwei Samtpfoten fällig wurden. Die Rechnung für den Eingriff war vierstellig.
Familie Bohn aus der Stadtmitte hat daher gleich bei der Anschaffung eine Krankenversicherung für ihren Hund abgeschlossen. „Das hat sich schon gelohnt, die Tierarztkosten waren bisher höher als der Versicherungsbeitrag“, berichten die Tierhalter. Statt der umfassenden Tierkrankenversicherung bieten Versicherungen auch nur den OP-Schutz an. „Eine größere Operation kostet schnell mal 1000 Euro“, wissen die Hundeeltern. Tierärztin Dr. Martina Merkt gibt ein Beispiel: „Bei einem Kreuzbandriss kann man mit bis zu 3000 Euro rechnen.“ Sie schätzt, dass bislang nur ein Viertel ihrer tierischen Patienten versichert ist.
Mülheimer Tierschutzverein fürchtet: Es könnte bitter werden
Werden die Tierarztkosten dazu führen, dass mehr Tiere im Tierheim landen? „In unserem städtischen Tierheim können Tiere nicht einfach abgegeben werden. Wir nehmen nur Fundtiere oder amtlich beschlagnahmte Tiere auf“, sagt Amtsveterinärin Dr. Carolin Richter. Sie verweist darauf, dass manche Tierschutzvereine ärmere Tierhalter unterstützen, weiß aber auch: „Tierheime, die von Tierschutzvereinen getragen werden, nehmen oft eine Abgabegebühr, wenn Leute ihre Tiere dort einfach abgeben wollen.“
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Beim Mülheimer Tierschutzverein glaubt man: „Es wird bitter, es wird Menschen geben, die keine Möglichkeit haben werden, die Tierarztkosten zu bezahlen. Wir befürchten auch, dass Tierarztbesuche aufgeschoben und so Krankheiten verschleppt werden“, sagt Heidrun Schultchen. Leistungsempfänger könnten beim Tierschutzverein gewisse Zuschüsse erhalten. Ob künftig mehr Tiere ausgesetzt oder abgegeben werden, darüber könne man nur spekulieren. „Die meisten Leute hängen ja an ihren Tieren und würden ihr letztes Hemd dafür geben“, so Schultchen.
Der Tierschutzbund verweist auf seine kostenlose Tier-Sprechstunde an jedem 1. Mittwoch im Monat im Café Light der Awo an der Gerichtsstraße 11 (nur mit Bedürftigkeitsnachweis).