Ruhrgebiet. Steigende Preise und Gebühren erschweren immer mehr Menschen die Haltung ihrer Haustiere. Tiertafeln klagen über deutlichen Zulauf.
Sie sind zusammen unterwegs, die alte Dame und der kleine Hund mit Namen „Tiffy“. Morgens, mittags, abends. „Runde drehen“, sagt die alte Dame. Der kleine Yorkshire ist ihr ein und alles. „Ich habe ja sonst keinen mehr.“ Aber „Tiffy“ wird 14. „Hoffentlich hält sie noch durch“, sagt ihr Frauchen. „Den Tierarzt kann ich mir nicht leisten. Manchmal weiß ich ja nicht mal, wie ich das Futter bezahlen soll.“
Kein Einzelfall, wie Nils Bettinger, 1. Vorsitzender des Vereins „Team für Tiere“ in Castrop-Rauxel, weiß. Der Verein betreibt auch eine sogenannte Tiertafel, auf der Futter für derzeit 75 Hunde und Katzen verschenkt wird. „Und da“, sagt Bettinger, „wird der Andrang immer stärker“. Eigentlich ist er schon zu groß. „Wir stehen haarscharf vor einem Aufnahmestopp.“
Den meisten Tiertafeln im Ruhrgebiet geht es ähnlich. „Die Spenden gehen seit einiger Zeit zurück“, bestätigt Ilona Pusch von der Tiertafel des Tierschutzverein Groß-Dortmund. Und sie ahnt auch warum. „Die Leute wissen ja nicht, was in Zukunft auf sie wartet und halten ihr Geld zusammen.“
160 Katzen und 60 Hunde
Die Besitzer von 160 Katzen und 60 Hunden versorgt die Dortmunder Tiertafel bisher. Und Mitarbeiterin Karola Gaidis, die immer wieder mit Frauchen und Herrchen ins Gespräch kommt, hat festgestellt. „Die Sorgen werden immer größer.“
Denn es geht nicht nur um das Futter für die Tiere. Am 22. November tritt die Änderung der sogenannten Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) in Kraft – mit teilweise kräftigen Erhöhungen. „Es ist aber auch die erste vollständige neue GOT seit mehr als 20 Jahren und die erste Preisanpassung nach fünf Jahren“, sagt Ralf Unna, Tierarzt in Köln und Vizepräsident des Landestierschutzverbandes NRW.
Neue Geräte, höhere Personal- und Heizkosten, immer aufwendigere Bürokratie – „auch in den Tierarztpraxen sind die Kosten seit Jahren gestiegen“, betont der Kölner. Und Harri Schmitt, Präsident des Tierarzt Verbandes Westfalen Lippe, hat ausgerechnet, dass die neuen Gebühren nicht mal die Inflation ausgleichen.
Untersuchung von Katzen wird um 163 Prozent teurer
Laut Gebührenordnung wird die allgemeine Untersuchung beim Hund um 75 Prozent teurer, bei Katzen steigen die Kosten für eine allgemeine Untersuchung um 163 Prozent. Die Impfung für Hund oder Katze kostet nun 11,50 Euro statt bislang 5,77 Euro. Das ist auf den ersten Blick nicht viel, ist aber nur der Tarif für den eigentlichen Impfvorgang. Weil die Impfung aber nur nach einer Allgemeinuntersuchung verabreicht werden darf und Dinge wie der Impfstoff selbst und andere Materialien hinzukommen, liegt der Preis tatsächlich deutlich höher.
„Das ist für manche Menschen schon eine knackige Erhöhung“, weiß auch Unna. Schmitt rät Besitzern von jüngeren Katzen und Hunden deshalb auch, sich über die Kosten und Bedingungen einer Tierkrankenversicherung zu informieren. „Aber Tierhaltung wird kein Luxus werden“, ist Unna trotz der Preissteigerungen überzeugt. Zumindest nicht für die Menschen, die man „Mittelschicht“ nenne. Wenn in diesen Haushalten nichts Ungewöhnliches passiere – Arbeitslosigkeit oder schwere Krankheit etwa – werde man sich nicht vom Haustier trennen, sagt Unna. Je geringer das Einkommen, desto schwieriger aber werde die Situation. „Dann kann es eng werden.“
Wird es schon, sagen sie bei den Tiertafeln und in den Tierheimen. Vor allem bei Senioren mit kleiner Rente. Bei fast jeder Tafel kennen sie Menschen, die für ihre eigenen Bedürfnisse immer weniger ausgeben, damit „Bello“ oder „Mieze“ zu fressen haben. Und bei denen es dennoch manchmal für den überfälligen Tierarztbesuch nicht mehr reicht. Es gibt aber auch das andere Extrem. „Viele Tiere, die während Corona angeschafft wurden, werden ihren Besitzern jetzt endgültig lästig“, hat Bettinger festgestellt. Karola Gaidis rechnet deshalb mit immer mehr Hunden, die an Laternenmasten zurückgelassen werden.
Schon jetzt platzen die Heime aus allen Nähten
Wenn man sie nicht gleich über den Zaun des örtlichen Tierheims wirft, so wie jüngst in Castrop Rauxel. Dabei platzen die Heime schon seit längerem aus allen Nähten und ächzen ebenfalls unter den steigenden Kosten. „Es ist zu befürchten, dass viele Tierheime den Winter nicht überstehen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
Nicht zuletzt wegen der steigenden Zahl von Fundtieren. „Wir brauchen landesweit einen einheitlichen Tagessatz für die Betreuung dieser Tiere“, fordert Unna in Richtung Politik. „Es kann nicht sein, dass es vom Verhandlungsgeschick der Betreiber abhängt, ob die Kommune ihnen 3,50 Euro oder 14,50 Euro erstattet.“