Mülheim. Der Gin-Markt boomt. Auch in Mülheim gibt es mittlerweile zwei Hersteller. Warum der Begriff Schnapsidee in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist.
Ist von einer Schnapsidee die Rede, steckt dahinter meist nichts Gutes. Bei Florian Scheffler und Tim Droste ist das anders. Denn in ihrem Fall ist der Begriff wörtlich zu nehmen. Mit jeweils einem Mitstreiter sind sie die einzigen Mülheimer Gin-Produzenten.
Beim Tauschen der Visitenkarten fällt sofort Tim Drostes Doktortitel auf. „Nein, ich bin kein Arzt. Ich bin der Experte für Alkohole“, scherzt der Mülheimer, der sich als Geschäftsführer der Essener Weinzeche bereits auf diesem Gebiet verdient gemacht hat.
Mülheimer spielen beim Namen mit ihren Doktortiteln
Gemeinsam mit Michael Neidhart hat er nun auch einen eigenen Gin auf den Markt gebracht. Die Idee entstand bei einem gemeinsamen Wochenendurlaub in Holland, als aufgrund der Pandemie sonst sehr wenig passierte. Neidhart hatte einige Flaschen Gin dabei. „Warum machen wir sowas nicht mal selbst?“ Eine kurze Totenstille – aber dann: „Ja, warum eigentlich nicht.“
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Am 11. November gründete das Duo eine GmbH – die „Destilling Doctors“. Denn auch Neidhart hat promoviert. „Da Gin ganz früher mal als Medizin genutzt wurde, verkaufen wir unseren quasi als Rezept – mit einem Augenzwinkern natürlich“, schmunzelt Droste.
Wie aus einer Schnapsidee am Ende Ernst wurde
Auch der Name der Marke – Calla 16 – ist kein Zufall. Denn der Gin enthält 16 Inhaltsstoffe. „Die Calla-Blüte schenkt man einer Person, wenn man sie schön findet. Deswegen wollten wir auch eine besonders schöne Flasche haben“, erläutert Droste.
Fast gleichzeitig feilten auch Florian Scheffler und sein bester Freund an einer ganz ähnlichen Idee. „Wir trinken super gerne Gin und haben immer schon verschiedene Sorten ausprobiert“, berichtet er. An einem Gin-Abend reifte das Vorhaben. „Das war tatsächlich eine Schnapsidee, fast schon kitschig“, muss Scheffler selbst darüber lachen.
Spannende Experimente in der heimischen Küche
Über Monate wurden in der heimischen Küche verschiedene Ansätze kreiert. „Wir wollten nicht einfach zu einer Brennerei gehen und ein Produkt bestellen, sondern selbst das Gespür bekommen, wie sich verschiedene Zutaten im Alkohol verhalten“, betont Scheffler.
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Zu den Kopfnoten des „BOHO Gin“ gehören die vier bekanntesten Zitrusfrüchte Grapefruit, Orange, Zitrone und Limette. Insgesamt besteht eine Flasche aus 13 sogenannten „Botenicals“. Die Abkürzung BOHO bezieht sich auf die Lebensweise der Bohemians, die sich etwas abseits des Mainstreams bewegten. „Deswegen haben wir auch zwei, drei Dinge aufgebrochen und absichtlich ein bisschen anders gemacht“, erläutert Scheffler.
Mülheimer starteten das Gin-Projekt als „absolute Greenhorns“
Beide Hersteller sind Award-Sieger
Der BOHO Gin kostet im eigenen Webshop 34,90 Euro, die 100-Milliliter-Version gibt es schon für 9,90 Euro.
Calla 16 ist mittlerweile sogar bio-zertifiziert und kostet 50 Euro. Der Gin hat einen eher unüblichen hohen Wacholderanteil von 25 Prozent. „Er sollte nicht zu bitter, aber auch nicht zu zitrisch sein“, erklärt Tim Droste.
Beide Gin-Sorten haben schon verschiedene Awards gewonnen.
Die Mülheimer seien an die Entwicklung als „absolute Greenhorns“ herangegangen. „Es war eine Idee, die uns beide gepackt hat, und es muss ja auch einfach Spaß machen, wenn man es neben dem Beruf macht“, sagt Scheffler, der eigentlich als Mediengestalter arbeitet.
Der Beginn der „Gin-Karriere“ besteht hauptsächlich aus Klinkenputzen. „Man muss die Leute überzeugen und ans Probieren bekommen“, sagt Scheffler. Passenderweise gibt es den BOHO-Gin auch in kleinen Probierflaschen. Mittlerweile ist er bei verschiedenen Gastronomen und Spirituosengeschäften ebenso vertreten wie in Edeka- und Rewe-Märkten. „Durch einen Zufall haben wir sogar einen Verkäufer in Lilienthal bei Bremen“, staunt Scheffler selbst.
„Wir möchten auf ein Level kommen, wo es sich selbst trägt“
Tim Droste und Michael Neidhart wissen, dass sich ihr Produkt vor allem an Kenner richten wird. „Ein Anfänger wird in der Regel nicht zu einer 50-Euro-Flasche greifen“, weiß Droste. Preislich hat sich „Calla 16“ an anderen Premiumherstellern orientiert. „Wir setzen auf Händler, die eine gewisse Varianz anbieten wollen“, erklärt Droste.
„Natürlich funktioniert so ein Preis nur, wenn wir einen größeren Absatz haben“, sagt Droste und hat damit praktisch schon die Zielsetzung für die nähere Zukunft verraten. „Wir möchten auf ein Level kommen, wo es sich selbst trägt“, so der Mülheimer. Er weiß: „Es gibt Marken, die sind ähnlich klein gestartet und ziemlich groß geworden.“
Mülheimer sehen sich nicht als Konkurrenten auf dem Gin-Markt
Dass die beiden Mülheimer Hersteller für den Fototermin Seite an Seite stehen, ist wieder einem Zufall zu verdanken. Über einen Aufruf im Radio haben sie vom jeweils anderen erfahren. Als Konkurrenz sehen sie sich nicht. Künftig wollen sie auf Messen sogar gemeinsam den „Gin-Standort Mülheim“ vertreten. „Die Händler freuen sich ja auch darüber, wenn sie ein Mülheimer Produkt in ihrem Regal stehen haben“, sagt Florian Scheffler.