Mülheim. Die Kompetenzteamleiterin des „Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaften der Stadt Mülheim an der Ruhr“ für die französische Stadt Tours, Brigitte Mangen, berichtet über ihre langjährigen Erfahrungen mit dem Bürgeraustausch.

„Mein Lieblingsgebäude in Tours ist der Bahnhof“, muss Brigitte Mangen gleich loswerden. „Keinem Mülheimer, der meine Reisen begleitet hat, ist der Besuch dieses gigantischen und schönen Gebäudes von Victor Laloux erspart geblieben“, strahlt die Kompetenzteam-Leiterin. Seit 1977 hat sie mit der Partnerstadt zu tun, die bereits seit 1962 mit Mülheim verbunden ist.

Ganz zufällig habe sich alles entwickelt. „In meinem Wohnhaus lebte einmal eine Karnevalsprinzessin“, beginnt sie zu erzählen. Sie bat sie zu einem Treffen der französischen Delegation hinzu zu kommen: „Wir können uns nicht unterhalten und Sie können doch gut Französisch“, heiß es. Später sei eine formvollendete ­Anfrage des Karneval-Hauptausschusses erfolgt, dann bat die Sparkasse um Unterstützung. „Das hat mir großen Spaß gemacht und so wurde es von Jahr zu Jahr immer mehr“, sagt die aktive Frau. Der Kontakt zur Deutsch-Französischen Gesellschaft in Tours entstand ganz zufällig an einem Abend im Weinkeller und bildet bis heute gemeinsam mit dem Förderverein die Säule dieses Bürgeraustausches.

„Wir fahren nicht zu den Erzfeinden“

„Es geht uns um Begegnungen. Und in dieser Hinsicht liegen mir die Seniorenreisen der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände besonders am Herzen.“ Alte Menschen kämen nach Mülheim, und Mülheimer Senioren führen regelmäßig nach Tours. Früher habe man schon mal gehört: „Wir fahren doch nicht nach Frankreich zu unseren Erzfeinden!“ und umgekehrt genauso. Über die Jahre hätten sich, trotz Verständigungsproblemen, gerade unter diesen Menschen herzliche und enge Freundschaften entwickelt.

Brigitte Mangen, stellvertretende Vorsitzende des „Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaften der Stadt Mülheim an der Ruhr“, beklagt die geringen Mittel, um die Städtepartnerschaften am Leben zu erhalten. „Wir erhalten nur rund 7000 € für die Aktivitäten mit allen sechs Partnerstädten, das reicht nicht.“ Kosten kämen nicht nur auf die Mülheimer zu, wenn sie in die Städte reisen, sondern auch, wenn das jeweilige Kompetenzteam das Programm für Besucher organisiert.

Es bleibt kaum Zeit für Verabredungen

Aktuell sei das Team dabei, die Einladung der Tourainer an den Mülheimer Förderverein zur Teilnahme am lokalen Weihnachtsmarkt zu organisieren, was umgekehrt schon einige Jahre gut funktioniere. „Wir wissen zwar, was wir anbieten wollen, haben aber noch keine Ahnung, wie wir die Mengen an Stollen, Lebkuchen und Plätzchen nach Frankreich bekommen“, so Mangen.

Sie hängt sehr an der Loire-Stadt, die sie unbedingt bald privat besuchen möchte, um langjährige Freunde zu treffen. Wenn sie mit Gruppen dort sei, träfe sie zwar an jeder Ecke Bekannte, habe dann aber kaum Zeit für Verabredungen. „Wenn ich mit dem Zug ankomme, hole ich tief Luft und fühle mich sofort wohl. Das ist wie ein Lebenselixier“

Gedanken zur Städtepartnerschaft vom französischen Partnerverein 

Von Eliane Lebret

„Die Französisch-Deutschen Gesellschaft, deren Geschäftsführerin ich bin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die deutsche Kultur und die französisch-deutschen Beziehungen in der Region zu fördern: Unsere Kontakte mit Mülheim bestehen seit 2002. Wir werden unterstützt durch die Abteilung der internationalen Beziehungen der Stadt Tours. In dieser Konstellation versuchen wir, die Partnerschaft mit Leben zu füllen.

Für uns ist eine Städtepartnerschaft vor allem die Existenz einer besonderen Freundschaft zwischen zwei Städten. Diese Freundschaft lebt durch den Bürgeraustausch – ein Austausch zwischen Privatleuten, Gärtnern, Psychiatern, Mitgliedern des Lions-Clubs, Senioren, schulischen Einrichtungen, Fahrradfahrern und Praktikanten. Unsere Städte und ihre Umgebung sind sehr unterschiedlich: Eine Industrieregion, die sich gewandelt hat, und eine sehr touristische Region mit Schlössern und Gärten auf der anderen Seite. Es ist eine Chance, die Trümpfe der Partnerstadt kennen zu lernen.

Wir versuchen auch den wirtschaftlichen Austausch zu fördern. Wenn unsere Volksvertreter den ersten Impuls für eine Partnerschaft geben müssen, so sind es die Bürger, die diesen weitertragen sollten. Auch in Zeiten des Internets braucht es dafür große Einsatzbereitschaft seitens der Ehrenamtlichen. Um die Bürgerreisen zu erneuern, haben wir Themen vorgeschlagen: Weihnachtsmärkte, Sprachaufenthalte, Gartenreisen. Die Freundschaft, die so zwischen Familien und Gästen entsteht, bietet die beste Unterstützung, den Austausch zukünftig zu sichern. Dank all dieser Austausche kann ich versichern: Ich fühle mich in Mülheim zu Hause. Es passiert mir sogar, dass ich auf der Straße Bekannten begegne. Und ich weiß, dass es Brigitte Mangen in Tours genauso ergeht.

Die Französisch-Deutsche Gesellschaft soll kein bilaterales Instrument im Dienste unserer Regierungen sein. Es soll mit eigenem Ziel fortbestehen. Das ist die Arbeit, die für uns über allem steht: die Bürger für partnerschaftlichen menschlichen, sozialen und kulturellen Austausch zu gewinnen.

Mein Motto afrikanischen Ursprungs ist: „Viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.““